Die frechsten Glacemacher der Schweiz Olten
25.07.2025 Baselbiet«Kalte Lust» bringt Vanille, Bratwurst und Sternekoch-Kreationen ins «Chübeli»
Ihr Slogan lautet «Leck mich doch», ihre Philosophie «Wer mit uns zu tun hat, soll ein gutes Gefühl haben». Die Macher hinter der Oltner Glacemanufaktur ...
«Kalte Lust» bringt Vanille, Bratwurst und Sternekoch-Kreationen ins «Chübeli»
Ihr Slogan lautet «Leck mich doch», ihre Philosophie «Wer mit uns zu tun hat, soll ein gutes Gefühl haben». Die Macher hinter der Oltner Glacemanufaktur «Kalte Lust» wissen, wie man auffällt und sie widersprechen sich nur auf den ersten Blick.
Christian Horisberger
«Deren Glace wurde zur besten der Schweiz gewählt.» «Haben für die nicht schon mehrere Sterneköche neue Sorten kreiert?» «Das sind doch die mit der superfetten Jersey-Kuhmilch.» «Die haben für die ‹Olma› eine Bratwurst-Glace gemacht – mit Senf!» Solche und ähnliche Kommentare bekommt zu hören, wer sich bei Glace-Connaisseuren nach der «Kalten Lust» umhört. Und alle haben sie recht. Die Speiseeis-Manufaktur in Olten hat seit ihrer Gründung vor acht Jahren so einiges auf dem Kerbholz, und sie versteht sich meisterhaft darauf, von sich reden zu machen.
Ihren bisher grössten Coup landete die Manufaktur im vergangenen Herbst, als sie die Besucher der «Olma» eine extra für diesen Anlass kreierte Glace mit Bratwurst-Geschmack degustieren liess. Lokale Radios, Zeitungen und Fernsehsender berichteten über die Bratwurst-Glace und sorgten so dafür, dass Zehntausende Besucher der Landwirtschaftsmesse ein Löffelchen der zu diesem Zeitpunkt wohl berühmtesten Glace der Schweiz probierten.
Mit dieser Aktion sollten drei Glacesorten von «Kalte Lust» lanciert werden, die der Grossverteiler Coop in sein Sortiment aufzunehmen bereit war, erzählt Geschäftsführer Florian Stähli, während er die «Volksstimme» durch den Betrieb in den Eingeweiden des Hotels Olten, nicht weit vom Bahnhof, führt. Die Leute von Coop hätten eher davon abgeraten, im Herbst, nach Saisonende, zu starten; das habe noch nie funktioniert, so Stähli. «Wir ergriffen die Chance trotzdem.»
Der Bratwurst-Coup
Ideen waren gefragt. Die «Olma» stand bevor, und die Glaceproduzenten würden in St. Gallen wie gewohnt einen Glacestand betreiben. Sie kauften original «Olma»-Bratwürste, brieten sie über dem Feuer, häuteten und verarbeiteten sie zu einer Glace, die gar nicht so schlecht geschmeckt habe, wie es tönt. Dazu kreierten sie den Slogan: «Bei Glace geben wir unseren Senf dazu» – witzig, provokativ und selbstbewusst.
«Die Aktion schlug ein wie eine Bombe», erinnert sich Florian Stähli. «Wir waren während der ‹Olma› jeden Tag im Radio.» Das Startup hatte seinen Bekanntheitsgrad in der Ostschweiz auf einen Schlag erhöht und die Coop-Kunden griffen tüchtig zu bei «Magenbrot», «Doppelrahm-Cookie-Caramel» und «Sauerkirsche-Schoggi» von «Kalte Lust». Ein erster Anlauf bei Coop im Jahr 2019 war noch gescheitert. Als der Grossverteiler eine Sorte der Oltner in 100 seiner Filialen ins Tiefkühlregal legte, verschmähten die Kundinnen und Kunden die unbekannte, etwas teurere Glace, sagt Stähli. «Die Aufnahme ins Coop-Sortiment alleine reicht nicht. Dafür ist die Konkurrenz zu gross. Man muss auch etwas für seine Marke tun.»
Die erste Station unseres Betriebsrundgangs ist die Patisserie-Küche des Hotels Olten, wo alles begann. Hier produzierten Stähli (42) und seine Berufskollegen und Freunde Darko Bosnjak (36) und Dominique Mattenberger (40), die das Hotel führen, 2017 ihre ersten eigenen Glacesorten. Die Idee dazu sei aus der Not geboren, erzählt der Geschäftsführer. Um das Personal im schwächeren Sommer besser auszulasten, hatte das Hotel Olten 2012 jenseits der Aare in der Altstadt einen Glacestand eröffnet, zunächst mit eingekaufter Ware. «Irgendwann sagten wir uns, dass wir das auch selber können – und zwar besser», sagt Stähli. Die Glacemanufaktur war gegründet.
Bio, fair und beste Qualität
Um sich von der Konkurrenz abzuheben und hochwertige sowie nachhaltige Produkte anzubieten, verarbeitet «Kalte Lust» ausschliesslich die besonders fetthaltige Bio-Milch von Jersey-Kühen von zwei Schweizer Bauernhöfen sowie Schweizer Milchpulver, Schweizer Rahm und Schweizer Zucker. Wenn möglich, stammen auch Früchte oder Nüsse und die weiteren Zutaten aus einheimischer und biologischer Produktion. «Die Zutaten, die in der Schweiz nicht verfügbar sind, stammen von Produzenten, die unsere Philosophie teilen», so Geschäftsführer Stähli. Die Preise, die «Kalte Lust» seinen Lieferanten bezahle, lägen über dem üblichen Niveau: «Unsere Philosophie ist: Wer mit uns zu tun hat, soll ein gutes Gefühl haben.»
Der eigene Anspruch an eine nachhaltige Geschäftstätigkeit geht noch weiter: Auf künstliche Aroma- und Konservierungsstoffe sowie Halbfertigprodukte wird verzichtet. Das erschwert die Produktion: «Glace ohne Zusatzstoffe herzustellen, die ein Jahr haltbar ist, übersteigt unser Können», sagt Stähli. Daher verpflichteten die Köche eine Lebensmitteltechnologin mit dem entsprechenden Know-how und der nötigen Branchenerfahrung.
In der Patisserie-Küche wird längst nicht mehr produziert, sondern nur noch getestet. Das Herz von «Kalte Lust» schlägt nun in einem Raum im ersten Untergeschoss des Hotels. Die erstaunlich kleine Produktionslinie besteht aus einem Tank mit der noch flüssigen Glacemischung, einer Durchlaufkühlung sowie einer Abfüllanlage, die im Vier-Sekunden-Takt mit halbgefrorener Cookie-Glace gefüllte, mit Folie und Deckel verschlossene 120-Milliliter- «Chübeli» ausspuckt. Es ist laut und eng hier. Damit sich die drei Männer an der Maschine nicht in die Quere kommen, muss jeder Handgriff sitzen und sie dürfen keinen Schritt zu viel machen.
Mehrere Hundert Verkaufsstellen
Die in Kartons abgepackten Becher werden für eine Stunde bei minus 37 Grad schockgefroren und dann in einem von drei im Hotelkomplex verteilten Kühlräumen mit minus 20 Grad auf Paletten gestapelt. Während der Hauptsaison fünfmal die Woche und mehrmals täglich fährt ein Galliker-Lastwagen vor und verfrachtet die Ware ins luzernische Altishofen, wo sich das Hauptlager von «Kalte Lust» mit 250 Palettenplätzen befindet. Von dort aus erfolgt die Distribution an mehrere Hundert Gastrobetriebe und eine gute Handvoll eigenständige Gelaterias. Der Logistiker übernimmt ausserdem die Belieferung der weiteren Verkaufsstellen vom Privatspital bis zum «Unverpackt»-Laden. Nur die eigenen Gelaterias in Olten, Baden, Grindelwald und Bern beliefert «Kalte Lust» direkt mit dem eigenen Kühltransporter, auf dessen Rückseite in grossen Buchstaben der Firmenslogan geschrieben steht: «Leck mich doch.»
Schwimmbäder sucht man in der Kundenkartei der Oltner hingegen vergeblich: «Grosse Marken wie Frisco oder Lusso zahlen den Badi-Kiosks bis zu fünfstellige Beträge und stellen ihnen Sonnenschirme hin, damit diese ihr Sortiment exklusiv verkaufen. Damit können wir nicht mithalten», sagt Florian Stähli. Das Glacegeschäft sei ein Verdrängungskampf. Umso wichtiger sei es für einen vergleichsweise kleinen Player wie «Kalte Lust», aufzufallen – und Qualität abzuliefern.
Den Beweis dafür erbringen die Oltner von Anfang an. Bereits ein Jahr nach der Gründung wurde ihre Glace bei einem Voting von «Blick online» zur besten der Schweiz gekürt. Seit 2020 entwickeln hochdekorierte Köche für die Manufaktur Rezepte für eine nur für kurze Zeit erhältliche «Monatsglace». Zuletzt kreierte Sternekoch Peter Knogl vom Gourmetrestaurant «Cheval Blanc» im Basler Hotel Trois Rois aus Bergamotte, Tonkabohne und Kirschblüte eine solche Sonderedition. «Wären Spitzengastronomen wie er von der Qualität unserer Produkte nicht überzeugt, würden sie ihren Namen für ‹Kalte Lust› nicht hergeben», ist Geschäftsführer Stähli überzeugt.
Es sind aber nicht nur Spitzenköche, die überraschende Kompositionen ins «Kalte Lust»-Glace-«Chübeli» zaubern. Unter den 26 Sorten für den Verkauf im Becher und den rund 40 Sorten für den Offenverkauf finden sich eigene Kreationen wie Haskap-Beere mit Mandeln, Popcorn-Karamell-Fleurde-Sel, Macadamia & weisse Schokolade oder Kokos-Stracciatella vegan. Gegen die Klassiker kommen aber selbst die raffiniertesten Kompositionen nicht an: Rund 70 Prozent der Jahresproduktion von 200 000 Litern Glacé gehen aufs Konto von Vanille, Schoggi, Erdbeere und Kaffee.
Im Winter gibt’s Suppe
Um die Schleckerei herzustellen und zu verbreiten, beschäftigt das Unternehmen 17 ganzjährig angestellte Mitarbeitende sowie jeweils knapp 30 Saisonkräfte, die hauptsächlich in den Verkaufsstellen und bei Events zum Einsatz kommen. Die Hauptsaison dauert von Mai bis September. Um die Festangestellten auch im Winter auslasten zu können, produziert «Kalte Lust» Suppen und vertreibt diese unter dem Label «Heisse Lust» an ihren Verkaufsstellen und an Gastrobetriebe. Wie die Glaces sind auch die Suppen nicht 08/15: Es gibt eine doppelte Kraftbrühe, wie sie die Köche in ihrer Ausbildung gelernt haben, heute aber kaum noch jemand zubereitet, sowie Suppen mit Rüebli/ Kokosnuss, mit Spargel oder als Bestseller eine vollmundige Gulaschsuppe, «in der nicht nur wenige Fleischstücklein schwimmen», so Stähli.
Doch zurück zur «Kalten Lust»: Sie ist in der Schweizer Gastronomie nicht erst seit dem Bratwurst-Coup ein Begriff. Einerseits sind die drei Firmengründer als Köche in der Gastroszene gut vernetzt, andererseits verbreitet sich die Kunde von einem Qualitätsprodukt in der Branche rasch von Mund zu Mund. Dazu beigetragen hat auch die Tatsache, dass das Startup seit 2019 die Glaces fürs Sommerfest des renommierten Gastroführers Gault Millau liefern darf: der Ritterschlag.
Neuer Standort gesucht
Unser Rundgang endet bei der Hebebühne beim Warenein- und -ausgang. «Unser Nadelöhr», sagt Florian Stähli. «Wenn die aussteigt, und das ist jede Saison sicher einmal der Fall, haben wir ein Problem.» Deshalb, vor allem aber wegen des Platzmangels und des ineffizienten Warenflusses innerhalb des Hotelkomplexes, sehen sich die Unternehmer zu einem Standortwechsel gezwungen. Andernfalls sei das angestrebte weitere Wachstum nicht möglich. «Wir suchen seit drei Jahren intensiv nach einem neuen Domizil», sagt der Chef. Mindestanforderung seien 2400 Quadratmeter Fläche auf einer oder zwei Etagen, am liebsten in der Region Olten, denn der heutige Standort sei sowohl in logistischer Hinsicht als auch für die Mitarbeitenden, die im öV zur Arbeit pendeln, ideal, so Stähli. Und: «Hier kennt man uns, hier fühlen wir uns wohl.» Mit seinen Anlässen, der Aare und der wunderschönen Altstadt sei Olten cool und werde von Auswärtigen unterschätzt.
Ob «Kalte Lust» in Olten bleiben wird, lässt der Geschäftsführer offen. Er verrät jedoch, dass zwei Standorte in der engeren Wahl sind und ein Entscheid voraussichtlich bis Ende Jahr fallen wird. Nach dem Umzug kann die geplante Expansion – unter anderem in die Westschweiz – in Angriff genommen werden. Lassen wir uns überraschen, was für eine Sorte sich die Glacemacher für den Schritt über den Röstigraben einfallen lassen. Gruyère?
Industrie, Bildung, Innovation
ch. Olten ist aufgrund seiner guten Erreichbarkeit für Firmen attraktiv. Stark dominant sind Unternehmen der Logistikbranche wie SBB Cargo, aber auch Bildungsinstitutionen (FHNW), die ebenfalls auf gute Erreichbarkeit angewiesen sind. Dies sagt Wirtschaftsförderer Rolf Schmid über Olten als Wirtschaftsstandort. Die Stadt habe mit Unternehmen wie CWA (Seilbahnkabinen), EAO (Tasten, Tastaturen, Bedienelemente), Nussbaum (Haustechnik) oder den SBB-Industriewerken zudem nach wie vor eine bedeutende Industrie.
Der Dienstleistungsbereich wachse stetig: so beispielsweise bei den Bildungsinstitutionen, aber auch in anderen Dienstleistungsbereichen. «Wir freuen uns, dass wir seit mehreren Jahren den Hauptsitz der schweizweit tätigen Alternativen Bank Schweiz in Olten haben», sagt Schmid. Neu dazugekommen seien innovative Ingenieurunternehmen wie beispielsweise Axalp Technology Engo (Forschungsanlagen) oder Cargo Sous Terrain, eine Logistik-Innovation, deren Büro sich in Olten befinde.
Die «Volksstimme» stellt in der sechs - teiligen Serie «Ein Sommer in Olten» die Dreitannenstadt aus verschiedenen Blickwinkeln vor. Die Beiträge erscheinen im wöchentlichen Rhythmus.