«Die Ablehnung ging weit über die Landwirtschaft hinaus»

  19.06.2025 Bezirk Waldenburg, Baselbiet, Diegten

Matthias Ritter trug massgeblich zur Verhinderung des Naturparks bei

Der Diegter SVP-Landrat Matthias Ritter hat unzählige Stunden damit verbracht, sich gegen den geplanten Naturpark im Oberbaselbiet zu wehren. Mit Erfolg: Dank umfangreicher Netzwerkarbeit verhinderte er das Projekt zusammen mit Unterstützern. Eine Rekonstruktion.

Janis Erne

Diegten, Geissbrunnen, ein Quartier entlang der Autobahn. Hier wohnt SVP-Landrat Matthias Ritter. In seinem Sitzungszimmer stehen drei Stehtische mit Glasplatten, getragen von roten Baselbieterstäben. Sie umgeben den langen Holztisch in der Mitte des Raums und vermitteln eine Atmosphäre von Heimatverbundenheit und Eigenständigkeit.

Es sind solche Werte, die vor rund drei Jahren eine kleine Gruppe dazu bewogen haben, sich bei Ritter zu treffen. Unter ihnen: Parteikollegen, Landräte, Gemeindepräsidenten, Bekannte sowie Personen, die in der Landwirtschaft tätig sind oder waren. Sie alle wollten den Naturpark, der im mittleren und oberen Kantonsteil errichtet werden sollte, «kritisch hinterfragen und wenn nötig verhindern».

Dieses Ziel hat das «Komitee pro Oberbaselbiet»– so nennt sich die Gruppe – erreicht. Nach der Ablehnung in Langenbruck Mitte Mai hat der Trägerverein des Parks das Projekt für gescheitert erklärt, da die erforderliche zusammenhängende Fläche von 100 Quadratkilometern nicht mehr erreicht werden kann. Die Auflösung des Trägervereins soll Ende Juni erfolgen (die «Volksstimme» berichtete).

In den Jahren zuvor hatten die Parkinitianten um Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne, Oltingen) umfangreiche Vorbereitungsarbeiten geleistet. Sie sprachen bei Bund und Kanton vor und liessen einen mehr als 200-seitigen Managementplan erstellen. Der Park war aufgegleist. Es fehlte «nur» noch die Zustimmung von genügend Gemeinden im vorgesehenen Perimeter. Im Herbst vergangenen Jahres ging es schliesslich in die heisse Phase, Gemeindeversammlung folgte auf Gemeindeversammlung. Die regionalen Medien berichteten wöchentlich über den «Naturpark Baselbiet».

Die Diskussion wurde emotional geführt. Befürworter und Gegner warfen sich gegenseitig Irreführung und die Anwendung unfairer Mittel vor. Während die Gegner vor einer möglichen Einflussnahme des Parks auf die kommunale Zonenplanung warnten, sprachen die Befürworter diesbezüglich von «Fake News». Umgekehrt kritisierten die Gegner, die Befürworter würden die tatsächlichen Kosten verschweigen und Projekte in Aussicht stellen, die kaum realisiert werden könnten oder nichts mit der Natur zu tun hätten.

Im Hintergrund
Am Ende setzte sich, wie erwähnt, das Lager der Parkgegner durch – insbesondere Matthias Ritter, der den Widerstand nicht nur initiierte, sondern auch koordinierte. In den öffentlichen Debatten trat der Oberbaselbieter selten in Erscheinung, er überliess das Feld gewandteren Rednern wie SVP-Präsident Peter Riebli (Buckten) oder den Landwirten Andreas Itin (Ormalingen) und Ernst Lüthi (Ramlinsburg). Auch bei der vom «Komitee pro Oberbaselbiet» organisierten Podiumsdiskussion in Sissach blieb Ritter im Hintergrund, beobachtete das Geschehen jedoch aufmerksam. In den Dörfern war er hingegen sehr aktiv. Er suchte das Gespräch mit Einwohnern, Gemeinderäten und Landwirten, unter denen er gut vernetzt ist, und versuchte, sie von der «Überflüssigkeit des Parks» zu überzeugen.

Die Behauptung, der Park sei hauptsächlich an der Landwirtschaft gescheitert, weist Ritter zurück: «Die Ablehnung ging weit darüber hinaus.» In zahlreichen Gesprächen habe er festgestellt, dass viele Menschen auch ökologische Bedenken gehabt hätten. «Sie wollten, dass das Oberbaselbiet ein Naherholungsgebiet bleibt – und keine Tourismusregion wird.» Als Beleg nennt Ritter die kritische Haltung des früheren Pro-Natura-Geschäftsführers Urs Chrétien sowie die ablehnenden Entscheide in den Oberbaselbieter Zentren Sissach und Gelterkinden, in denen die Landwirtschaft nicht annähernd über eine Mehrheit verfüge.

Gemäss Matthias Ritter haben vielerorts auch die Kosten eine Rolle gespielt: «Weil nur wenige Gemeinden vom Park profitiert hätten und es zu Doppelspurigkeiten gekommen wäre, sahen viele Gemeinden nicht ein, warum sie dafür zahlen sollten.» Nicht überall gut angekommen sei auch die «Empfehlung» der Parkbefürworter an die Gemeinderäte, sie sollen die Beitrittsfrage an einer Gemeindeversammlung traktandieren und so eine demokratische Abstimmung ermöglichen. Dazu gilt es zu wissen: Nicht nur die Befürworter haben Briefe an die Gemeinderäte geschickt. Auch das «Komitee pro Oberbaselbiet» versuchte auf diesem Weg, Einfluss auf die kommunalen Exekutiven zu nehmen.

Im Einsatz
In den entscheidenden Wochen war Ritter täglich im Einsatz. Er nutzte seine Kontakte in den Dörfern und warb um die Unterstützung der Einwohnerinnen und Einwohner. Ihm wurde vorgeworfen, Gruppen und Vereinen Gegenleistungen in Aussicht gestellt zu haben, zum Beispiel Unterstützung bei für sie wichtigen Geschäften an Gemeindeversammlungen. Diese Kritik löst bei Ritter ein breites Grinsen aus – es ist kein Schuldeingeständnis, sondern vielmehr Ausdruck davon, dass da jemand sitzt, der weiss, wie das politische Geschäft funktioniert.

Ritter, aufgewachsen auf einem Bauernhof in Diegten und bis zur Pensionierung selbstständiger Unternehmer im Baugewerbe, gelang es nicht nur, zahlreiche Menschen zu mobilisieren – in manchen Dörfern kamen rekordverdächtig viele an die Gemeindeversammlung. Er brachte auch ein breites Bündnis zusammen. Neben Parteifreunden und Bekannten aus der Landwirtschaft zählten mehrere Landräte sowie Gemeindepräsidenten und ein Nationalrat zu seinem Komitee. In etlichen Gemeinden überzeugte dieses Netzwerk eine Mehrheit der Bevölkerung, den Park nicht zu unterstützen. Besonders hebt Ritter das Nein in Buus hervor, wo sich die Bevölkerung gegen den Gemeinderat stellte. Nicht verständlich war für ihn die Haltung des Waldenburger Gemeinderats, der den Park «trotz akuter Finanznot» zur Annahme empfahl.

Das Endergebnis ist eindeutig: Mehr als 30 Gemeinden lehnten den Parkbeitritt ab, lediglich 7 wollten sich an der dreijährigen Errichtungsphase bis 2028 beteiligen. Damit ist die zugesicherte Fläche deutlich kleiner als beim letzten Anlauf vor 15 Jahren, bei dem Ritter ebenfalls erfolgreich aktiv war. Die Fläche war damals gross genug, doch das Projekt «Jurapark» scheiterte am «Wall» der Diegtertalgemeinden Diegten, Eptingen und Tenniken.

Ritter sagt, dass die damaligen Initianten gesprächs- und kompromissbereiter gewesen seien als die jetzigen unter der Leitung von Florence Brenzikofer und Johannes Sutter (Gemeindepräsident Arboldswil, SVP). Ob diese Einschätzung zutrifft, ist Ansichtssache. Jedenfalls, so erzählt Ritter weiter, habe es zwischen dem Trägerverein und seinem Komitee kaum Austausch gegeben, abgesehen von wenigen Pro-Contra-Diskussionen in der Öffentlichkeit oder auf Einladung von Gemeinderäten.

Im Vorausblick
Und nun? Fällt Ritter nach dem Ende seines Parkwiderstands in ein Loch? Der bald 70-Jährige lächelt und schüttelt den Kopf. Er freue sich, wieder mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Als Präsident der Sektion Rehag und Parteileitungsmitglied organisiert er etwa das 1.-August-Fest der SVP Baselland beim Restaurant Oberbölchen, das zugleich als Jubiläumsanlass zum 100-jährigen Bestehen der Partei dient.

Zudem will der langjährige Landrat bei den Wahlen 2027 nochmals antreten, sofern es die Gesundheit zulässt. Und auch sonst geht ihm die «Arbeit» nicht aus: Ritter nennt etwa das Regionale Entwicklungskonzept des Vereins Region Oberbaselbiet oder die Idee eines Shuttlebus-Angebots auf den Chilchzimmersattel von «Baselland Tourismus». Beide Projekte sieht der Natur- und Pflanzenliebhaber kritisch: Er spricht sich entschieden gegen eine regionale Verlagerung von Gemeindeaufgaben und gegen eine touristische Erschliessung des Oberbaselbiets aus. «Das Oberbaselbiet soll ein Naherholungsgebiet bleiben», so Ritter.

Sein während der Parkdebatte gewachsenes Netzwerk will der Diegter Politiker nutzen, um auch in Zukunft Einfluss zu nehmen. Das «Komitee pro Oberbaselbiet» soll bestehen bleiben. Gut möglich also, dass sich die Mitglieder wieder einmal in Matthias Ritters Sitzungszimmer treffen, flankiert von den Baselbieterstäben.


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