Die Abenteuerin
26.09.2025 PersönlichPetra und Heinz sind diesen Sommer durch Transsylvanien in Rumänien gereist. Im Winter wollen sie in den Süden Marokkos. Franzi und Benni sind mit ihrem Allrad in Georgien unterwegs und überlegen sich, ob sie nach Aserbaidschan weiterfahren. Chris ist zurück aus Island, wohin ...
Petra und Heinz sind diesen Sommer durch Transsylvanien in Rumänien gereist. Im Winter wollen sie in den Süden Marokkos. Franzi und Benni sind mit ihrem Allrad in Georgien unterwegs und überlegen sich, ob sie nach Aserbaidschan weiterfahren. Chris ist zurück aus Island, wohin er sein Wohnmobil verschiffen liess. Saskia und Per werden im Frühjahr ihr Fahrzeug auch verschiffen, von Rotterdam nach Halifax. Von da reisen sie dann quer durch Kanada und über die Panamericana bis hinunter nach Patagonien.
Heinz und Gunda haben ein Haus in Deutschland. Im Oktober packen sie ihr Wohnmobil und fahren nach Fuseta in Portugal. Dort richten sie sich auf dem Campingplatz ein, mit Vorzelt, extra Küchenzelt, Blumentöpfen am Parzellenrand und Lichterkette in den Büschen. Das machen sie seit 30 Jahren so. Den überfüllten Campingplätzen entlang der spanischen und portugiesischen Küste nach zu urteilen, tun es ihnen Tausende Winterflüchtlinge gleich.
Kann man das überhaupt noch Reisen nennen? Natürlich würde ich mich gerne zur ersten Gruppe von Reisenden zählen. Yvonne, die Abenteuerin. Immer an exotischen Orten unterwegs. In den Sozialen Medien Bilder von mir mit lächelnden Einheimischen, die mich in ihr Haus eingeladen haben oder mir freundlich den Weg zeigen, weil ich mich auf 4000 Metern im zerklüfteten Gelände verfahren habe. Bilder von atemberaubenden Landschaften ohne einen einzigen anderen Touristen, weil ich die Einzige bin, die sich hierher gewagt hat. Riesige Herden wilder Tiere …Ich denke, Sie wissen, was ich meine.
Die einzige freundliche Einheimische, die ich heute sehen werde, ist die Kellnerin, die mir meinen Grande Crème im Café du Port auf den Tisch stellt. Meine Wildniserfahrung bestand gestern aus einer einstündigen Wanderung durch den Forêt de Huelgoat. Immerhin so anspruchsvoll, dass ich heute Muskelkater habe. Und wilde Tiere, na ja. Zählt die Katze, die mir zehn Minuten lang gefolgt ist? Sie sah ziemlich wild aus.
Nach fünf Jahren auf Achse muss ich mir eingestehen, meine Risikofreude hält sich in Grenzen. Was nicht heisst, dass ich nicht ab und zu in brenzlige Situationen gerate. Aber die spielen sich nicht in Asien oder Afrika ab, sondern zum Beispiel in einem Bergdorf in Südfrankreich. Dort bin ich dieses Frühjahr in eine so enge Gasse geraten, dass es weder ein Vor noch Zurück gab. Mit Millimeterarbeit und der freundlichen Hilfe eines Einheimischen schaffte ich es schweissgebadet aus dem Nadelöhr hinaus. Mehr Stress hätte ich an diesem Tag nicht gebraucht. Doch ich war auf dem Weg zur Schlucht von Verdon. Erst fährt man auf einer Panoramastrasse hoch über der Schlucht entlang. Dann geht es bergab. Rechts Felswand, links Abgrund, keine Leitplanke. Kilometerlang. Irgendwann habe ich verbrannten Gummi gerochen. Die Bremsklötze rauchten.
An diesem Tag habe ich fast den ganzen Adrenalinvorrat des Jahres aufgebraucht. Der Rest reicht gerade noch für die Klippenwanderung, die ich morgen unternehmen möchte.
Yvonne Zollinger ist ehemalige «Volksstimme»- Redaktorin und lebt in ihrem Wohnmobil.