Dezember – wenn das Licht neu geboren wird
28.11.2025 BaselbietDunkelheit und das stille Versprechen von Weihnachten
Der Dezember bringt die längsten Nächte des Jahres. Die Natur zieht sich zurück, der Frost legt sich wie ein stilles Tuch über Felder und Wälder, und selbst das Tageslicht wirkt schmal und scheu. Doch gerade in ...
Dunkelheit und das stille Versprechen von Weihnachten
Der Dezember bringt die längsten Nächte des Jahres. Die Natur zieht sich zurück, der Frost legt sich wie ein stilles Tuch über Felder und Wälder, und selbst das Tageslicht wirkt schmal und scheu. Doch gerade in dieser tiefen Dunkelheit wächst das Licht.
Hanspeter Gautschin
Der Dezember naht. Früher nannte man ihn Wolfsmonat – ein Hinweis auf die Härte dieses Abschnitts im Bauernjahr und die wenigen, lichtarmen Stunden, die den Alltag prägten. Die grossen Feldarbeiten waren abgeschlossen, das Getreide eingelagert, die Ernte verarbeitet. Heute läuft der bäuerliche Alltag das ganze Jahr hindurch weiter, doch der Dezember bringt auch in der modernen Landwirtschaft eine andere Stimmung: weniger Feldarbeit, mehr Stallzeit und einen Moment des Durchatmens.
In der Natur dominieren nun Ruhe und Rückzug. Tiere verkriechen sich in Höhlen, Böden und Stämmen. Die kahlen Bäume stehen wie stille Gerippe in der Winterlandschaft. Nur Spuren im Schnee verraten Leben, und zuweilen flötet ein Gimpel im Obstgarten seine klaren, «roten» Töne.
Am 4. Dezember, dem Tag der heiligen Barbara, stellt man Kirschzweige ins Wasser. Wenn sie zu Weihnachten blühen, gilt das als gutes Zeichen für das kommende Jahr – ein stiller Brauch, der – vor allem im Oberbaselbiet – lange gepflegt wurde.
Er schenkt in der dunklen Jahreszeit ein Zeichen der Hoffnung.
Zwei Tage später, am 6. Dezember, macht sich der Santichlaus auf den Weg zu den Kindern. Begleitet vom finsteren Schmutzli, verkörpert er die doppelte Natur des Dezembers: das Licht und den Schatten, den Segen und die Mahnung. Hinter diesem vertrauten Brauch lebt etwas von der alten Vorstellung weiter, dass man in den dunklen Tagen mit Lärm und Ritualen die Wintergeister abwehren und zugleich die Kräfte des neuen Wachstums wecken müsse. Ganz besonders erinnern im Oberbaselbiet auch die «Nünichlingler» in Ziefen, Arboldswil und Sissach am 24. Dezember an diesen alten Gedanken.
Das Weihnachtsfest ist jünger, als man meint. Die ersten Christen kannten kein Weihnachten; erst später suchte die Kirche nach eigenen Festtagen und fand im 25. Dezember, dem römischen Tag der «unbesiegbaren Sonne», einen symbolischen Anker: die Wintersonnenwende, den Sieg des Lichts über die Finsternis. In den nordischen Ländern verschmolz das christliche Fest mit dem alten Julfest, den heiligen Nächten des Neubeginns. So verbanden sich christliche und vorchristliche Vorstellungen zum Fest, das wir heute feiern: Weihnachten als Fest der Menschwerdung, der Wandlung und Hoffnung.
Weihnachten ist mehr als ein Fest der Geschenke. Es ist ein Fest der Stille – ein Moment, in dem das «göttliche Fünkchen» in uns neu entzündet werden will. Der grüne Tannenbaum steht als Sinnbild des Lebens, das über den Winter hinauswächst; die Lichter seiner Kerzen verkünden den Sieg über die Dunkelheit.
In einer Zeit, in der Konsum und Lärm oft das Wesentliche übertönen, lädt uns der Dezember zur inneren Einkehr ein. Das Licht, das wir suchen, will in uns selbst gefunden werden.
Rituale bewusst erleben
• Wunschstern: Ein Stern aus Papier schneiden, einen Wunsch oder Gedanken darauf notieren und an den Tannenbaum oder ans Fenster hängen. Ein stilles Versprechen an den Anfang des neuen Lichts.
• «Chlausabend»: Ein stiller Abend bei Kerzenlicht, mit Nüssen und Mandarinen. Erinnern, wie Licht und Dunkel sich begegnen.
• Weihnachten neu denken: Wenn die Möglichkeit besteht, in den Wald gehen, ein kleines Feuer machen und die besondere Energie der Heiligen Nacht still in sich aufnehmen.
Wenn das Jahr ausklingt, bietet sich ein Moment der Besinnung an. Es braucht kein Feuerwerk, keinen Lärm und keine Überhöhung. Ein Spaziergang unter dem sternklaren Winterhimmel, ein stilles Innehalten, ein Dank für das Vergangene – und der Blick auf das, was kommen soll.
Der Dezember ist kein Monat der Finsternis. In seiner Tiefe keimt das neue Licht, leise, unscheinbar, aber kraftvoll. Er erinnert daran, dass jeder Neubeginn im Dunkeln entsteht – und dass das Licht immer wieder zurückkehrt.

