Der Zander im Schaufenster
16.01.2025 Bezirk Sissach, Bezirk Sissach, Landwirtschaft, ZeglingenDie «Volksstimme» nimmt den «Fisch des Jahres 2025» in Augenschein
Prachtvoll wie ein Fabelwesen, gnadenlos wie ein Raubritter, beliebt in der Fischerei wie auch in der Küche: So umschreibt der Schweizerische Fischereiverband den Zander, der zum «Fisch ...
Die «Volksstimme» nimmt den «Fisch des Jahres 2025» in Augenschein
Prachtvoll wie ein Fabelwesen, gnadenlos wie ein Raubritter, beliebt in der Fischerei wie auch in der Küche: So umschreibt der Schweizerische Fischereiverband den Zander, der zum «Fisch des Jahres 2025» gekürt worden ist. Im Oberbaselbiet kommt der Zander nicht vor – ausser in Zeglingen …
David Thommen
Der vom Schweizerischen Fischereiverband (SFV) kürzlich vergebene Titel «Fisch des Jahres 2025» macht den Zander bekannter – und eröffnet damit Chancen für das Geschäft von Reto Rickenbacher (38). Auf seinem Zeglinger Landwirtschaftsbetrieb werden seit 2017 Zander gemästet, und er hat erfreut von der Wahl des SFV Kenntnis genommen: «Viele Leute kennen und schätzen zwar den Egli, aber kaum jemand weiss, dass der Zander der grössere und erst noch bessere Speisefisch aus der gleichen Familie – der Barsche – ist», sagt Rickenbacher. Nun könnten dank der Schützenhilfe des Fischereiverbands mehr Kunden auf den Geschmack kommen. Für Rickenbacher ist es eine gute Gelegenheit, seine lokale Produktion nochmals breiter bekannt zu machen.
Die «Volksstimme» will den frisch gekürten Fisch des Jahres aus der Nähe betrachten und stattet der Anlage in Zeglingen einen Besuch ab. Sie befindet sich im früheren Milchkuhstall des Hofs Erlimatt und wurde einst von Retos Vater Hans Rickenbacher, einem passionierten Angler, installiert; die Milchwirtschaft wurde auf dem Hof vor einem Vierteljahrhundert durch die Mutterkuhhaltung ersetzt.
Fast bei Dunkelheit
«Hier sind wir sozusagen im Maschinenraum», sagt Reto Rickenbacher gleich beim Eingang. Zwei Pumpen wälzen die 60 Kubikmeter Wasser zweimal stündlich um, während die biologische Kläranlage nebenan das Wasser reinigt. «Knapp 10 Prozent des Wassers tauschen wir täglich aus», erklärt Rickenbacher. Das Wasser aus dem öffentlichen Leitungsnetz wird auf 21 Grad temperiert und fliesst durch die zwölf grossen Becken im Raum nebenan, wo die Zander fast bei Dunkelheit gehalten werden.
«So sieht es hier während des Tagesbetriebs immer aus», sagt Rickenbacher. Warum so dunkel? «Zander halten sich bevorzugt in einer Tiefe von sechs oder sieben Metern auf. Die schwache Beleuchtung entspricht ihren natürlichen Verhältnissen», erklärt der Landwirt. Auf helles Licht reagieren die Fische mit Fluchtreflex, wie sich zeigt, als Rickenbacher den Strahl der Taschenlampe kurz in eines der grossen Becken vor uns lenkt.
Hier drehen die grössten Exemplare der Zeglinger Aquakultur ihre Runden. Rickenbacher fängt für ein Foto einen der stattlichen Fische mit dem Netz. Der Körper des Zanders ist schlank und stromlinienförmig, die Seiten schimmern in einem silbernen, manchmal auch goldenen Glanz. Die beiden getrennten Rückenflossen verleihen ihm eine markante Silhouette, während die vorderen, für Barsche typischen Stacheln wie eine natürliche Rüstung wirken. Sein Maul ist leicht vorstülpbar und gespickt mit einem ganzen Arsenal an scharfen Zähnen. Die grossen, lichtempfindlichen Augen sind wie geschaffen für die Dunkelheit der Tiefen. In seiner ganzen Erscheinung wirkt der Zander wie eine Mischung aus Eleganz und Gefahr. Gar als «prachtvoll wie ein Fabelwesen» beschreibt ihn der Fischereiverband in seiner Mitteilung.
Von 20 auf 800 Gramm
Die Zander in der Zeglinger Aquakultur erreichen nach etwa einem Jahr ihr Schlachtgewicht von 700 bis 800 Gramm und sind dann häufig schätzungsweise rund 45 Zentimeter lang: «Wir messen die Fische nicht», sagt Rickenbacher, entscheidend sei das Gewicht. Gekauft werden die 20 Gramm wiegenden Jungfische für die Mast bei einem grossen Fischzuchtbetrieb in Rafz (ZH). «Theoretisch könnten wir zwar selbst züchten, aber das wäre zu aufwendig und würde sehr viel Know-how erfordern», erklärt er.
Wissen und Erfahrung brauche es auch jetzt schon genug: Fische sind heikel und anfällig auf allerlei Umwelteinflüsse und Krankheiten. Beim Zander können vor allem winzigste Parasiten an den Schuppen zum Problem werden. Man müsse stets sehr sauber arbeiten, sagt Rickenbacher – und Technik einsetzen. In seiner Aquakultur sorgt eine UV-Anlage im Wasserkreislauf dafür, dass sich Keime nicht ungebremst vermehren können. Und obwohl der Zander ein Süsswasserfisch ist, wird dem Wasser stets etwas Salz zugesetzt, was Parasiten fernhält. Antibiotika oder andere Medikamente kommen laut Rickenbacher nicht zum Einsatz.
Sensible Fische
Etwa 10 000 Jungfische pro Jahr durchlaufen in der Anlage den streng kontrollierten Wachstumsprozess. «Wir sortieren sie regelmässig nach Grösse, um Jagdverhalten zu vermeiden», beschreibt der Zeglinger Landwirt. Einzelne Fische, die sich langsamer entwickeln als der Rest, würden sonst rasch Opfer von grösseren Artgenossen. Stress in den Becken sei schlecht für die Fische, die auf äussere Einflüsse sensibel reagieren, so Rickenbacher. Unruhe entstehe beispielsweise schon nur dann, wenn es draussen gewittert – obwohl man als Mensch drinnen im geschlossenen Raum kaum etwas davon mitbekomme.
Gefüttert werden die Fische stündlich und automatisch mit Pellets aus Fischmehl, das aus Schlachtabfällen von Lachszuchten hergestellt wird. Kein Fisch aus freier Wildbahn müsse dafür gefangen werden, betont Rickenbacher, es werde auch kein Beifang aus der industriellen Fischerei verwertet. Für 1 Kilogramm Lebendgewicht werden etwa 1,3 Kilogramm Futter benötigt – der Zander ist ein guter Verwerter. Allerdings sei er auch wählerisch, sagt Rickenbacher: Passe ihm die Rezeptur des Futters nicht, verweigere er das Fressen standhaft.
Der Zander hat laut der Medienmitteilung des SFV ein «faszinierendes Wesen» und sei ein «Raubritter» unter den Fischen: Mit seinen scharfen Augen und seiner hochsensiblen Seitenlinie, die jede Druckschwankung wahrnimmt, sei er ein hervorragender Jäger: In Gruppen – «wie ein Wolfsrudel» – kreisen Zander ihre Beute ein, bevor sie angreifen. «Das macht ihn zu einem der gefährlichsten Raubfische in unseren Gewässern», beschreibt der SFV.
Der Zander ist in der Schweiz noch nicht lange heimisch. Ursprünglich stammt er aus den Flusssystemen des Schwarzen und Kaspischen Meers und wurde erst vor etwa 60 Jahren in der Schweiz ausgesetzt. Trotz seines «Migrationshintergrunds» (Wortlaut SFV) hat er sich in Seen wie dem Bodensee, Murtensee und Lago di Lugano gut etabliert und sei bei Fischern sehr beliebt. In der offiziellen Baselbieter Fischfangstatistik taucht der Zander nicht gesondert auf, jedoch gibt es Berichte über ein kleines Vorkommen im Rhein, beispielsweise beim Stauwehr bei Birsfelden.
Viel Aufwand
Die Zuchtanlage in Zeglingen ist Teil eines stattlichen Bauernhofs, den Reto Rickenbacher gemeinsam mit seiner Frau Marisa führt – unter tatkräftiger Mitarbeit von Mutter und Vater Rickenbacher, die eigentlich pensioniert sind. Der Betrieb umfasst 36 Hektar Land. 26 Mutterkühe und der Ackerbau sorgen für das Haupteinkommen, die Fischmast mache etwa ein Drittel des Umsatzes aus, sagt Rickenbacher.
Der Aufwand sei allerdings überproportional gross. Meist rund 100 Fische werden pro Woche auf dem Betrieb geschlachtet (elektrisch betäubt und dann mit einem Kiemenschnitt getötet) und manuell filetiert, einzig beim Schuppen kommt eine einfache Maschine zum Einsatz. Was nach dem Filetieren als Abfall übrig bleibt, wandert in die Biogasanlage nach Pratteln. «Die haben spezielle Geruchsfilter dort», sagt der Landwirt und lacht.
Vertrieben werden die Filets hauptsächlich direkt ab Hof, aber auch am «Buremärt» in Sissach oder am Genussmarkt in Liestal angeboten. Ferner zählen einige wenige Läden wie der Bergladen in Sissach sowie Restaurants mit gehobener Küche zu den Abnehmern. Der Zander ist etwas für Feinschmecker: «In der einfachen Dorfbeiz wird man diesen Fisch eher nicht auf der Karte finden», sagt Rickenbacher.
Was vor allem am Preis liegen dürfte: Für 1 Kilo Zanderfilets bezahlt man 69 Franken, ohne Haut sind es 74 Franken. Doch es geht auch günstiger: «Seit Kurzem sind wir mit einem ‹Foodtrailer› unterwegs, wo wir Fischknusperli anbieten», sagt Rickenbacher. Beispielsweise für eher klein gewachsene Fische biete sich dies als ideale Verwertung an. Ist es nicht gleichwohl etwas schade, den edlen Fisch mit Sushi-Qualität in Bierteig zu tunken und in sprudelndem Öl zu frittieren? «Überhaupt nicht», sagt Rickenbacher, «die Fischknusperli tunken wir nicht in einen Bierteig, sondern verwenden eine hausgemachten Panade – sie sind darum ganz besonders fein …»
Mit der aktuellen Grösse der Aquakultur sei sein Betrieb ausgelastet, weshalb er nach einer ersten Erweiterung vor etwa vier Jahren nun keine weiteren Expansionspläne habe: «Verkaufen könnten wir bestimmt mehr, doch dann müssten wir auch mehr ins Marketing investieren und beispielsweise an mehr Märkten präsent sein», sagt Rickenbacher. Dafür fehle die Kapazität.
Wenig Wildfang in der Schweiz
Mit der Wahl des Zanders zum «Fisch des Jahres 2025» hat sich der SFV für eine Art entschieden, die nicht auf der roten Liste steht. Doch die Bestände in den Gewässern sind gering – in freier Natur werden in der Schweiz lediglich rund 10 Tonnen pro Jahr gefangen und die Nachfrage nach dem edlen Speisefisch wird daher fast ausschliesslich durch Importe und Aquakulturen gedeckt.
Die Schweiz brauche daher mehr natürliche Gewässerlebensräume, fordert der Verband, der vom Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch präsidiert wird. Bis dahin sorgt der Zander aus Zeglingen für kulinarische Freude: Wie häufig hat man schon die Gelegenheit, den «Fisch des Jahres» frisch auf dem Teller zu haben?
Politische Botschaft
vs. Der Zander sei dank seiner Anpassungsfähigkeit eine der wenigen Fischarten, die in freier Wildbahn aus eigener Kraft überleben können, schreibt der Schweizerische Fischereiverband (SFV) in seiner Mitteilung. Gefragt sei aber eine nachhaltige Nutzung, weshalb es Schonbestimmungen brauche. SFV-Zentralpräsident und SP-Ständerat Daniel Jositsch (ZH): «Wir wünschen uns für alle Fische der Schweiz mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung.» Es müsse «mehr als zu denken geben, dass drei Viertel der einheimischen Fische auf der roten Liste stehen». Ausdrücklich erwartet Jositsch auch von den Behörden mehr Offenheit «gegenüber nicht-urheimischen Fischarten, die in unserer Flora und Fauna keinen Schaden anrichten», wie es im Communiqué weiter heisst.