Der Minnesänger der Farben
14.11.2025 Porträt, BaselbietErinnerungen an den Kunstmaler Arnold Fiechter
Eine Würdigung des eigenwilligen Oberbaselbieter Künstlers Arnold Fiechter (1879–1943), der als Lehrer an der Kunstgewerbeschule Basel – der späteren Schule für Gestaltung Basel – Generationen von ...
Erinnerungen an den Kunstmaler Arnold Fiechter
Eine Würdigung des eigenwilligen Oberbaselbieter Künstlers Arnold Fiechter (1879–1943), der als Lehrer an der Kunstgewerbeschule Basel – der späteren Schule für Gestaltung Basel – Generationen von Kunstschaffenden prägte und doch in Vergessenheit geriet.
Hanspeter Gautschin
Die Erben von Arnold Fiechter haben vor vielen Jahren dem Kanton Basel-Landschaft eine umfangreiche Bildersammlung geschenkt. Leider moderten sie lange Zeit still vor sich hin, kein Mensch kümmerte sich darum. Zu Unrecht, denn Arnold Fiechter war ein grosser Baselbieter Künstler – ein Maler mit innerem Feuer, ein Lehrer mit Leidenschaft und ein Mensch von seltener Eigenwilligkeit.
Geboren wurde er 1879 in der «Unteren Fabrik» in Sissach. Sein Vater war Fabrikant; die Mutter eine geborene Niederhauser aus Böckten. Fiechters Kindheit war glücklich, bis der frühe Tod der Mutter alles veränderte: Der sensible Knabe verlor Halt und Geborgenheit. Nach der Wiederverheiratung des Vaters zog die Familie nach Basel. Für den Zwölfjährigen begann eine schwere Zeit – entwurzelt, ohne Zuwendung. Daraus erwuchs seine künstlerische Kraft: aus der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat.
In Basel begann er eine Malerlehre und besuchte die Allgemeine Gewerbeschule. Dort fand er in seinem Lehrer Fritz Schider einen prägenden Förderer, der sein Talent erkannte und formte. Schon mit 20 Jahren stellte Fiechter erste Aquarelle in der Kunsthalle Basel aus, erhielt Anerkennung und Stipendien, reiste nach Deutschland, Frankreich und Italien. Doch stets zog es ihn zurück in die Landschaft seiner Kindheit. Der Rhein, die Jurahügel, die Dörfer mit ihren Gärten und Reben – sie blieben die Motive, in denen er seine innere Heimat wiederfand.
1913 wurde Fiechter Hauptlehrer an der Basler Kunstgewerbeschule, die seit 1980 als Schule für Gestaltung Basel (SfG Basel) besteht. Fiechter war kein Dozent aus der Distanz, sondern ein leidenschaftlicher Mentor, der seine Schülerinnen und Schüler für die Malerei entflammte. «Er hat uns gelehrt, die Palette sauber zu halten und das Wunder der Farbe zu spüren», erinnerte sich später einer von ihnen. Fiechter führte sie in das Geheimnis der Farbe ein, in das «Fluidum», das aus ihr strömt – wie er es nannte. Seine Schule war Werkstatt und Lebensschule zugleich.
Monumentales Wandbild
Daneben arbeitete er unermüdlich an seinem eigenen Werk. Im Jahr 1922 erhielt er den Auftrag für das monumentale Wandbild «Das Gastmahl» im Bahnhofbuffet Basel – eine farbenprächtige Komposition, die durch ihre Klarheit und Leuchtkraft beeindruckte. Das Werk befand sich über Jahrzehnte im Bereich des heutigen Migros-Buffets, am Durchgang zum französischen Bahnhof. Mit den mehrfachen Umbauten und der Umnutzung des Buffetbereichs ging das Original leider verloren – ein schmerzlicher Verlust für die Basler Kunstgeschichte.
Doch die grossen Erfolge machten Fiechter nicht eitel. Im Gegenteil: Er zog sich immer mehr zurück, mied das gesellschaftliche Leben und fand Ruhe nur in seinem Garten, wo Pfingstrosen, Kakteen und Kürbisse wuchsen. «In der Beschränkung liegt die Grösse», schrieb er einmal. So arbeitete er in aller Stille weiter, malend bis an die Grenzen der Erschöpfung.
1935, nach zwölf Jahren ohne Ausstellung, trat er mit 98 Gemälden erneut an die Öffentlichkeit. Die Schau zeigte seine Entwicklung vom feinfühligen Aquarellisten zum Meister der grossen Form. Sie offenbarte einen Künstler, der die Natur nicht abmalte, sondern in ihr das Seelische suchte – das, was zwischen Licht und Schatten lebt.
Seine letzten Jahre waren von Krankheit überschattet. Noch im Wissen um sein nahes Ende malte er weiter, sitzend, zuletzt kniend. Als er 1943 in Basel starb, spielten ihm seine Trommlerfreunde die «Tagwacht» über dem Grab – ein letzter Gruss an den Mann, der sein Leben in Farben gelebt hatte.
Heute erinnert kaum noch etwas an Arnold Fiechter. Seine Bilder, einst ein Vermächtnis an das Baselbiet, führen immer noch ein Schattendasein. Doch wer eines seiner Werke betrachtet, spürt, was ihn antrieb: die Liebe zur Landschaft, zur Farbe, zum Leben selbst. Vielleicht leuchten seine Farben eines Tages auch in den Köpfen jener, die sie einst übersehen haben.
Künstler, Dichter, Macher und Visionäre
vs. In unserer Serie stellt Hanspeter Gautschin Menschen aus dem Oberbaselbiet vor, die einst prägend wirkten, heute aber fast vergessen sind. Es sind Künstlerinnen, Dichter, engagierte Macherinnen, stille Visionäre – ebenso wie Unternehmer, Tüftler und Gestalter der Industriewelt, die mit Innovationsgeist und Tatkraft die Entwicklung unserer Region vorantrieben. Mit einem feinen Blick für das Wesentliche lässt Gautschin diese Lebensgeschichten wieder aufleuchten. Gautschin (1956) lebt in Oberdorf und blickt auf eine facettenreiche Laufbahn im Kulturbereich zurück. Als ehemaliger Impresario, Kulturförderer und Museumsleiter erzählt er mit Vorliebe Geschichten über Menschen, Kultur und das Leben im Alltag.


