Der leuchtende Monat Mai
02.05.2025 BaselbietStart in den Wonnemonat
Der Mai ist das grosse Aufatmen des Frühlings. Nach dem zögernden Erwachen im März und dem unsteten Aufbruch des Aprils entfaltet sich nun das Leben in voller Pracht – als wolle die Natur für einen Moment innehalten, um sich selbst zu feiern.
Hanspeter Gautschin
Der Name Mai führt uns zu Maia, der römischen Göttin des Wachstums und der Fruchtbarkeit. Andere Deutungen verweisen auf die Majores, die Ahnen – eine Erinnerung daran, dass neues Leben immer auf altem gründet. So ist der Mai Brücke und Blüte zugleich.
Die Kelten feierten zu Beginn dieses Monats Beltaine, das Fest des wiederkehrenden Sommers – mit Feuern, Tänzen und frischem Grün. Später wurde der Maibaum zum Symbol dieses Aufbruchs: Wurzelnd in der Erde, sich streckend gen Himmel – Sinnbild für Wachstum, Lebenskraft und Gemeinschaft.
Blüte und Bewegung
Nach diesem Auftakt entfaltet sich der Mai bei uns in voller Lebendigkeit. In früheren Jahren standen jetzt die Kirsch-, Apfel-, Birnen- und Quittenbäume in voller Blüte. Heute erleben wir das vielerorts bereits im April – eine stille Folge des Klimawandels, der auch unsere Gärten verändert hat.
Doch der Mai bleibt ein Fest für alle Sinne: Die Wiesen leuchten in Gelb, Weiss und Violett, Holunderduft liegt in der Luft, und im schattigen Wald öffnen sich die Maiglöckchen – zart, verlässlich und leise. Überall summt, singt und raschelt es: Das Leben ist auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Bezeichnet wird der Mai auch heute noch gerne als Wonnemonat. Der Begriff geht zurück auf das althochdeutsche Wort «wunnimanod» oder «winnimanod», wobei «winni» Weide bedeutet.
Maibaum und Bändertanz
In einigen Oberbaselbieter Gemeinden werden in der Nacht auf den 1. Mai kleine Tannen auf die Dorfbrunnen gestellt, kunstvoll geschmückt mit bunten Bändern und frischem Grün. Diese sogenannten Maibäume sind eine Besonderheit des Baselbiets und gehen mit ihren Wurzeln auf uralte Frühlingsrituale zurück. Sie symbolisieren Fruchtbarkeit, Freiheit und die Kraft des aufrechten Wachsens.
In manchen Dörfern – etwa in Ormalingen – wird zusätzlich ein Buchsbaumkranz gefertigt, der den Maibaum schmückt. Teilweise werden die Kränze mit ausgeblasenen Eiern behängt, wobei die Zahl 33 eine besondere Rolle spielt – vermutlich in Anlehnung an die Lebensjahre Jesu. Diese Buchsbaumtradition ist jedoch eine lokale Besonderheit.
Die bunten Bänder erinnern an die einst bedeutende Seidenbandweberei der Region. Und mancherorts wird rund um den Maibaum ein Bändertanz aufgeführt – besonders in Liestal, Sissach und im Waldenburgertal. Tänzerinnen und Tänzer flechten dabei kunstvolle Muster aus den langen Bändern: ein lebendiges Bild von Zusammenhalt, Geschick und Lebensfreude. Und in Ziefen erhalten die Dorfbrunnen traditionell einen üppigen Blumenschmuck.
Der Banntag
Der Banntag, vielerorts im Mai oder an Auffahrt gefeiert, ist ein Brauch mit stolzer Geschichte. Ursprünglich dienten die Bannumgänge der Grenzkontrolle: Die Bürger schritten die Gemeindegrenzen ab, um Streitigkeiten vorzubeugen. Begleitet wurden sie von Bittgängen über die Felder, um Segen und Fruchtbarkeit zu erbitten.
Der Banntag ist jedoch keine reine Baselbieter Tradition. Auch im Zürcher Unterland – besonders im Furttal – sowie im solothurnischen Schwarzbubenland wird der Grenzumgang gepflegt. Überall stehen das Abschreiten der Gemeindegrenzen und das Erleben der Gemeinschaft im Mittelpunkt, auch wenn regionale Unterschiede bestehen.
In Liestal und Sissach wird der Banntag besonders traditionsbewusst gepflegt: Männer und Kinder marschieren in Rotten entlang der Gemeindegrenze, begleitet von Rottenfahnen, Trommeln und Böllerschüssen mit historischen Vorderladergewehren.
Eine besondere Tradition hält Liestal am Leben: Am Auffahrtstag erhalten alle Kinder im Rathaushof einen «Uffert-Wegge» – ein grosses Milchbrot, überreicht vom Stadtrat und Bürgerrat. Der Brauch geht auf das Mittelalter zurück und erinnert an die Knaben, die den Eidgenossen einst den Weg nach Dornach zeigten.
Rituale heute
Bräuche leben nur weiter, wenn sie sich wandeln dürfen. Hier einige Anregungen, wie sich das alte Wissen in unseren Alltag holen lässt:
– Maien schenken: Einen Birkenzweig mit bunten Bändern gestalten und einem lieben Menschen als Zeichen der Wertschätzung überreichen.
– Blütenritual: Einen Strauss von Wiesenblumen pflücken und sich in Dankbarkeit an den Frühling erinnern.
– Naturmeditation: Einen stillen Spaziergang im Wald machen, Holunderduft und Vogelgesang bewusst wahrnehmen.
– Brunnenbesuch: Den Maibaum am örtlichen Brunnen betrachten – als leuchtendes Zeichen von Heimat und Miteinander.
– Tanz in den Mai: Eine kleine Runde tanzen – allein oder mit Freunden. Die Freude braucht keine grosse Bühne, nur ein bisschen Mut.
Der Mai lehrt uns das Staunen. Er zeigt, wie leicht das Leben sich entfalten kann, wenn die Zeit reif ist. Nichts drängt, nichts hält zurück – Blüte um Blüte, Tag um Tag.
Und vielleicht erinnert er uns daran, dass auch wir manchmal nur wachsen müssen, ohne es zu wollen. Und dass die schönsten Augenblicke oft diejenigen sind, die einfach geschehen.