Der Haudegen aus Schübelbach
30.12.2025 Porträt, BaselbietCaspar Alois Bruhin (1824 –1895) – Staatsanwalt, Publizist und unbequemer Vorkämpfer
Wenn von den frühen Wurzeln der Arbeiterbewegung im Baselbiet die Rede ist, fällt sein Name kaum noch. Dabei gehörte Caspar Alois Bruhin zu jenen, die den sozialen Aufbruch ...
Caspar Alois Bruhin (1824 –1895) – Staatsanwalt, Publizist und unbequemer Vorkämpfer
Wenn von den frühen Wurzeln der Arbeiterbewegung im Baselbiet die Rede ist, fällt sein Name kaum noch. Dabei gehörte Caspar Alois Bruhin zu jenen, die den sozialen Aufbruch des 19. Jahrhunderts prägten – ein Schwyzer Jurist, der im Oberbaselbiet zur Stimme der kleinen Leute wurde.
Hanspeter Gautschin
Bruhin kam 1824 im schwyzerischen Schübelbach zur Welt. Dass er Jahrzehnte später im Baselbiet Spuren hinterlassen würde, war alles andere als vorgezeichnet. Doch die demokratische Bewegung im Kanton suchte 1864 nach Verstärkung – nach jemandem, der nicht nur das Recht kannte, sondern auch mit Leidenschaft für politische Anliegen einstand. Christoph Rolle aus Lausen, Lehrer, Geschäftsmann und Wegbereiter der direkten Demokratie, fand in Bruhin genau diesen Mann.
Noch im selben Jahr wurde Bruhin Staatsanwalt von Baselland – ein Amt, das er nicht als bequeme Position verstand, sondern als Bühne. Zwischen Gerichtsstube, Redaktionszimmer und Volksversammlungen bewegte er sich in einem Tempo, das selbst politischen Beobachtern seiner Zeit Respekt abnötigte.
Kaum in Liestal angekommen, gründete Bruhin im Jahr 1865 die Zeitung «Der Demokrat aus Baselland». Sie war kein gelehrtes Blatt, sondern ein durch und durch volkstümliches. Klar, polemisch, schnörkellos. Bruhin schrieb über Missstände, über Armut, über soziale Fragen, die damals kaum jemand öffentlich anzusprechen wagte.
Parallel dazu veröffentlichte er bereits 1864 die Erzählung «Leo, der Arbeiter und seine Lieben». Literarisch kein Meisterwerk – aber ein Meilenstein: einer der ersten Texte in der Schweiz, der das Leben der Arbeiterklasse ins Zentrum stellte. Damit erreichte er jene, die abends am Webstuhl sassen oder in engen Werkstätten und Stuben ihr karges Brot verdienten.
Bruhin wollte keinen revolutionären Umsturz. Er dachte praktisch. Genossenschaften, Konsumvereine, Produktivgemeinschaften – Wege, damit Menschen selbstbestimmt leben konnten, statt abhängig zu bleiben. Seine Ideen waren bodenständig und gleichzeitig visionär.
Wichtige Versammlung in Sissach
Ein Datum bleibt mit seinem Namen verbunden: 24. November 1867. An diesem Tag trafen sich in Sissach rund hundert Arbeiter aus Basel-Stadt und dem Baselbiet – Bandweber, Posamenter, Handwerker. Viele waren stundenlang unterwegs gewesen, um gehört zu werden.
Bruhin eröffnete die Versammlung mit einer Rede, an die man sich noch lange erinnerte: flammend, leidenschaftlich, ohne Furcht vor grossen Worten. Am Ende des Tages gründete sich der «Arbeiterverein des Kantons Basel, Stadt und Landschaft». Ein bedeutendes Signal – Stadt und Land gemeinsam, in einer Zeit, in der beide oft gegeneinander standen.
Wer mit so viel Verve kämpft, eckt an. Bruhin lag im Clinch mit dem radikalen Arbeiterführer Wilhelm Klein aus Basel. Klein wollte die Religion aus der Bewegung verbannen, Bruhin hielt am Christlichen fest. Sie kämpften für ähnliche Ziele – und doch trennte sie eine geistige Welt. Auch innerhalb der Arbeitervereine blieb es nicht immer harmonisch. Manche fanden Bruhin zu laut, andere zu kompromissbereit. Doch niemand konnte leugnen, dass er mit vollem Herzen dabei war.
Bis 1870 blieb Bruhin Staatsanwalt in Liestal, danach zog er nach Basel, wo er ein Anwaltsbüro eröffnete. Politisch bewegte er sich weiterhin zwischen den Lagern – manchmal radikal, manchmal konservativ, aber immer unabhängig. Ein Mann, der sich nicht vereinnahmen liess.
Im Baselbiet aber hinterliess er bleibende Spuren. Er war einer der Ersten, der die soziale Frage offen stellte. Einer, der mit Feder und Stimme für die täglichen Sorgen der kleinen Leute eintrat. Und einer, der zeigte, dass politische Veränderung nicht nur in den Städten geschieht, sondern genauso in Orten wie Liestal und Sissach.
Am 25. Mai 1895 starb Caspar Alois Bruhin in Basel. Heute kennt kaum jemand seinen Namen. Doch er gehört zu jener Generation unbequemer, leidenschaftlicher Köpfe, die im Oberbaselbiet neue Wege gingen – mit Mut, mit Feuer und mit einer Beharrlichkeit, die man ihm zugutehalten muss.
Künstler, Dichter, Macher und Visionäre
vs. In unserer Serie stellt Hanspeter Gautschin Menschen aus dem Oberbaselbiet vor, die einst prägend wirkten, heute aber fast vergessen sind. Es sind Künstlerinnen, Dichter, engagierte Macherinnen, stille Visionäre – ebenso wie Unternehmer, Tüftler und Gestalter der Industriewelt, die mit Innovationsgeist und Tatkraft die Entwicklung unserer Region vorantrieben. Persönlichkeiten, die das kulturelle, soziale, geistige oder wirtschaftliche Leben des Oberbaselbiets nachhaltig geprägt haben. Mit erzählerischem Gespür und einem feinen Blick für das Wesentliche lässt Gautschin diese Lebensgeschichten wieder aufleuchten – als Erinnerung, Inspiration und als Beitrag zur regionalen Identität.
Hanspeter Gautschin (1956) lebt in Oberdorf und blickt auf eine facettenreiche Laufbahn im Kulturbereich zurück. Als ehemaliger Impresario, Kulturförderer und Museumsleiter erzählt er mit Vorliebe Geschichten über Menschen, Kultur und das Leben im Alltag.

