Gottesdienst der christlichen Gemeinden in Sissach zum brisanten Thema «Kirche wohin …?»
Unter Mitwirkung der reformierten Kirchgemeinde, der römischkatholischen Pfarrei, der Freikirche ICF Baselland und der «Bewegung-Plus» wurde diskutiert. Die Zeiten ...
Gottesdienst der christlichen Gemeinden in Sissach zum brisanten Thema «Kirche wohin …?»
Unter Mitwirkung der reformierten Kirchgemeinde, der römischkatholischen Pfarrei, der Freikirche ICF Baselland und der «Bewegung-Plus» wurde diskutiert. Die Zeiten für die Kirchen und Glaubensgemeinschaften sind im Wandel.
André Frauchiger
Die christlichen Glaubensgemeinschaften haben es heute schwer: Corona, Wutbürgertum, Austritte wegen der Kirchensteuern, allgemeine Entfremdung von der Institution Kirche sowie sexuelle Missbräuche in der römischkatholischen Kirche. Im vergangenen Jahr gab es regional über 100 Kirchenaustritte in der Reformierten Kirche Baselland und über 160 in der römisch-katholischen Kirche. Ein trauriger Rekord, wie der gastgebende reformierte Pfarrer Matthias Plattner in seiner Einleitung zum Gottesdienst sagte.
Kirchenaustritte seien oft eine Art «Ersatzhandlung» von enttäuschten und frustrierten Menschen aus den verschiedensten Gründen. Die individuellen Gründe für die Austritte seien auch nicht immer klar zu eruieren, was die Sache noch schwieriger mache, so Plattner.
Gibt es Hoffnung für die Zukunft der Kirche? Matthias Plattner und seine Kollegen Martin Tanner von der Römisch-katholischen Landeskirche, Martin Schneider von der «Bewegung-Plus» und Matthias Saladin von der Freikirche ICF Baselland zeigten in einer Diskussionsrunde auf, dass alle mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben – selbst die Freikirchen, wo die Zahl der Teilnehmenden an Veranstaltungen im vergangenen Jahr rückläufig war. Die Relevanz der kirchlichen und freikirchlichen Institutionen habe sich in der Bevölkerung verringert.
Ein Problem Westeuropas
Den Kopf in den Sand stecken sei aber trotz aller Schwierigkeiten unangebracht, erklärten alle an der Diskussion Beteiligten. Vielmehr müssten sich die christlichen Kirchen auf das Wesentliche besinnen – auf die Vermittlung der Botschaft von Jesus Christus und Gott. Gelinge es, den Glauben verstärkt und überzeugend nach aussen zu tragen und die Menschen anzusprechen, werde die Kirche auch weiterleben. Matthias Plattner: «Jesus lädt zur Gemeinschaft mit Gott ein.» Dies habe auch der Jünger Petrus begriffen.
Martin Tanner von der Römischkatholischen Landeskirche Baselland wies aber auch darauf hin, dass die Kirchenaustritte – weltweit gesehen – eine westeuropäische Erscheinung seien. Denn weltweit nehme die Zahl der Kirchenmitglieder in der römischkatholischen Kirche zu. Als Beispiele erwähnte er Polen und den afrikanischen Kontinent.
Die christlichen Institutionen müssten wieder mehr ihren sozialen Aufgaben nachgehen, die auch durch viele Freiwillige wahrgenommen werden. Deutlicher gemacht werden müsse zudem, dass die Kirchen in der Vergangenheit Wegbereiter für viele heutige soziale Einrichtungen des Staates gewesen seien, darunter die Spitex-Organisationen, und auch heute noch immer Lücken in der sozialen Hilfe für Notleidende füllten. Vor 300 Jahren hätten Pfarrer den Menschen noch Lesen und Schreiben beigebracht und christliche Gemeinschaften Spitäler gebaut, zum Beispiel das Clara- und Bethesdaspital in Basel.
Aber wie steht es um die vielen Kirchengebäude? Werden diese alle noch benötigt? Matthias Plattner gibt ihnen eine gute Chance, wenigstens zum Teil weiterbestehen zu können. Dies einfach deshalb, weil es zentrale Orte der Gemeinschaft mit Gott seien. In der christlichen Gemeinschaft sei es für einen Menschen möglich, den Sinn des Lebens schneller zu erfahren. Nicht vergessen werde dürfe ausserdem, dass «das Irdische nur eine begrenzte Zeit hat». Die Bibel sei mit ihren zentralen christlichen Aussagen 1600 Jahre alt und werde auch in Zukunft von grösster Bedeutung sein, unabhängig von der Zukunft der Kirchengebäude. In den USA gibt es laut Matthias Plattner rund 20 000 Kirchen, die eine sehr grosse Mitgliederzahl aufweisen. Nur die monopolistische Kirche habe ausgedient, so Plattner.
Matthias Saladin von der Freikirche ICF Baselland brachte es auf den Punkt: Die Kirchen als christliche Gemeinschaften und die Freikirchen hätten insgesamt Zukunft, wenn – in zeitgemässem institutionellem Rahmen – Glaube, Liebe und Hoffnung bestehen und gelebt werden. Dies im Sinne von Jesus Christus. Daran müssten die christlichen Institutionen unbeirrt weiter arbeiten. Sein Credo zum Abschluss: «Das Beste der Kirche liegt vor uns.»
Der Gottesdienst vom Sonntag füllte die alten Bänke in der reformierten Kirche Sissach fast vollständig. Das gesetzte Thema über die Zukunft der Kirchen hat zweifellos interessiert.