«Den klassischen Kiffer gibt es nicht»
31.12.2024 Bezirk LiestalEine positive Jahresbilanz für das Cannabis-Pilotprojekt «Grashaus Projects»
Ein Jahr nach der Eröffnung des ersten legalen Cannabis-Verkaufsprojekts ziehen die Leiter von «Grashaus Projects» eine Bilanz: Der regulierte Konsum kann den Schwarzmarkt ...
Eine positive Jahresbilanz für das Cannabis-Pilotprojekt «Grashaus Projects»
Ein Jahr nach der Eröffnung des ersten legalen Cannabis-Verkaufsprojekts ziehen die Leiter von «Grashaus Projects» eine Bilanz: Der regulierte Konsum kann den Schwarzmarkt verdrängen und sicherere Konsumformen fördern. Doch bei der Ansprache neuer Zielgruppen gibt es Herausforderungen.
Melanie Frei
Der erste legale Verkauf von Cannabis in Europa feiert Geburtstag: Das «Grashaus Projects» in Allschwil, das im Dezember 2023 eröffnete, hat ein Jahr erfolgreich hinter sich. Die Verkaufsstelle in Liestal kam etwas später hinzu. Dieser Pilotversuch, der vom Kanton Baselland initiiert und wissenschaftlich begleitet wird, untersucht die Auswirkungen des regulierten Cannabis-Verkaufs auf Konsumverhalten und Gesundheit. Die Ergebnisse des ersten Jahres zeigen vielversprechende Entwicklungen.
Innerhalb eines Jahres konnten über 1000 Personen für die Studie gewonnen werden, eine Steigerung gegenüber den 800 Probandinnen und Probanden bei der Halbjahresbilanz (die «Volksstimme» berichtete). Für das Cannabis-Pilotprojekt im Kanton Baselland wurden vom Bundesamt für Gesundheit 3950 Studienteilnehmende bewilligt – es gibt also immer noch freie Plätze.
Vielfältige Teilnehmende
«Unsere Teilnehmenden schätzen die persönliche Beratung und die offene Atmosphäre», erklärt Pelle van Hall, Leiter der Verkaufsstellen. «Viele erleben erstmals einen Austausch ohne Stigmatisierung.» Auch Veranstaltungen wie Workshops tragen dazu bei, die Hemmschwelle abzubauen und risikoärmeren Konsum zu fördern. Den Teilnehmenden stehen verschiedene THC-haltige Produkte wie Blüten, Haschisch, Edibles (THC-haltige Lebensmittel) und Vape-Liquids für E-Zigaretten zur Verfügung.
Das Klischee vom «typischen Kiffer» wird von den Studienleitern klar widerlegt. Die Befragten kommen aus den unterschiedlichsten Berufen, vom Handwerk über die Pharmaindustrie bis hin zur Kreativbranche. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den Konsummustern wider: Während die klassische Blüte nach wie vor beliebt ist, sind Vapes und Essbares bei rund 25 Prozent der Teilnehmenden eine gefragte Alternative.
Eine 20-jährige Probandin zeigt sich auf Anfrage zufrieden mit dem Pilotprojekt. Besonders die grosse Vielfalt an Produkten, deren Qualität hochwertig sei, spreche sie an. «Das verarbeitete Cannabis kommt aus der Schweiz, was für mich ein attraktiver Faktor ist.» Alle drei Monate müsse eine Umfrage ausgefüllt werden. Das nehme zwar sicher eine halbe Stunde Zeit in Anspruch, sei aber sinnvoll und ein Teil der Abmachung, um am Pilotprojekt teilzunehmen.
«Die Produkte finde ich auch preislich überzeugend. Einige sind sogar billiger als solche, die ich früher auf dem Schwarzmarkt gekauft habe», so die 20-Jährige. Dies sei bei Blüten, Tröpfchen oder auch Edibles so.
Für einen 19-jährigen Probanden ist entscheidend, dass man weiss, was man kauft und dass die Produkte sauber sind: «Man wird beraten und kann aussuchen, welche Wirkung das gekaufte Produkt haben soll.» Er unterstützt das Projekt aus Gründen der Legalisierung und des schlechten Rufs, den viele Kiffer haben. «Ein regulierter und legaler Konsum ist sinnvoll, wenn man damit dem illegalen Treiben auf dem Schwarzmarkt entgegenwirken kann.»
Die Zufriedenheit der Probandinnen und Probanden spiegelt sich in der geringen Abbruchquote wider, so Studienleiter Professor Dr. Michael Schaub: «Die Abbrüche im ersten Jahr waren minimal und hatten meist persönliche Gründe wie einen Umzug.» Zudem konsumiere knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausschliesslich Produkte aus der Studie, was den Erfolg des regulierten Angebots unterstreiche.
Doch Herausforderungen bleiben: Die Nachfrage nach alternativen Konsumformen wie Vapes und Edibles stagniert aktuell, nachdem sie in der Anfangsphase stark angestiegen war. Leonhard Friedrich, Projektleiter bei «Grashaus Projects», sieht darin eine Aufgabe für die kommenden Monate: «Ein abwechslungsreiches Produktportfolio ist entscheidend, um das Interesse aufrechtzuerhalten und den illegalen Markt weiterhin zu verdrängen.»
Frauen unterrepräsentiert
Trotz positiver Entwicklungen gibt es Verbesserungsbedarf bei der Teilnehmerstruktur: 80 Prozent der Teilnehmenden sind Männer, und die meisten sind unter 40 Jahre alt. Professor Dr. Schaub hofft, künftig mehr Frauen und Personen über 40 für die Studie gewinnen zu können, um ein vollständigeres Bild des Konsumverhaltens zu erlangen.
Um das Produktangebot weiter auszubauen, plant «Grashaus Projects» neue Kooperationen mit Schweizer Anbaupartnern. Zudem bleibt die Preisgestaltung ein wichtiges Thema, um eine attraktive Alternative zum illegalen Markt darzustellen.