«Dem Wald fehlt die Lobby»
28.08.2025 BaselbietPhilipp Schoch zur Situation seines Verbandes im Jubiläumsjahr
«Wald beider Basel» feiert heuer sein 100-jähriges Bestehen. Im Gespräch äussert sich Verbandspräsident Philipp Schoch kritisch zu den Sparplänen von Bund und Kanton. Der Wald brauche ...
Philipp Schoch zur Situation seines Verbandes im Jubiläumsjahr
«Wald beider Basel» feiert heuer sein 100-jähriges Bestehen. Im Gespräch äussert sich Verbandspräsident Philipp Schoch kritisch zu den Sparplänen von Bund und Kanton. Der Wald brauche mehr Wertschätzung und Geld.
Elmar Gächter
Herr Schoch, wie hat sich der Verband «Wald beider Basel» seit seiner Gründung verändert?
Philipp Schoch: Der Verband der Waldbesitzer wurde 1925 als Selbsthilfeorganisation gegründet. War der Wald damals praktisch ausschliesslich Holzlieferant, hat er in den vergangenen Jahren vor allem als Hort der Natur sowie der Erholung für die Bevölkerung laufend an Bedeutung zugelegt. Waren früher vorwiegend Landwirte Eigentümer des Waldes, sind es heute neben Privaten insbesondere Bürgergemeinden, die sich in der ganzen Vielfalt um den Wald kümmern.
Was heisst das für den Verband?
Wir sehen uns heute als Dachorganisation, um das Thema Wald zusammen mit unseren Mitgliedern in seiner ganzen Breite der Bevölkerung näher zu bringen. Wir merken im Dialog mit der Öffentlichkeit, dass der Wald zwar auf grosses Interesse stösst, aber vielen Leuten nicht bewusst ist, dass er kein Allgemeingut wie etwa eine öffentliche Allmend ist, sondern jeder Quadratmeter eine Besitzerschaft hat. Wir sehen uns als Sprachrohr des Waldes.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
Noch vor wenigen Jahrzehnten war der Wald wenigen laufenden Veränderungen unterworfen. Jetzt ist der Klimawandel da mit seinem riesigen Einfluss. Zunehmende Trockenperioden und Hitze verändern ihn enorm. Plötzlich dreht sich die Geschichte im Wald viel schneller, Baumarten sterben ab, andere gilt es zu fördern. Dazu kommen invasive Schädlinge, die man vor wenigen Jahren noch nicht gekannt hat und über die man noch nicht viel weiss.
Was ist zu tun?
Es gilt, Entscheidungen zu treffen, die für die nächsten Jahrzehnte den Wald entscheidend beeinflussen werden. Als Verband setzen wir uns dafür ein, dass wir auch in 50 oder 100 Jahren über einen Wald verfügen, der die bereits heute wichtigen Funktionen wahrnehmen kann. Dafür brauchen wir das Verständnis der Gesellschaft und vor allem auch die Politik und ihre Bereitschaft, Gelder zu sprechen. Da sind wir noch nicht an dem Punkt, den ich mir vorstelle.
Sie sprechen fehlende finanzielle Mittel an, damit Waldbesitzer und Forstbetriebe die gestiegenen Anforderungen erfüllen können.
Wenn wir die Wälder in unserer Region erhalten wollen, müssen wir investieren. So stehen wir voll hinter der Motion von Landrat Simon Tschendlik, die fordert, dass die Leistungen für forstliche Pflege- und Erhaltungsmassnahmen im Kanton Baselland künftig in den Investitionshaushalt gehören und nicht mehr in die «Laufende Rechnung». Dies stellt die Finanzierung der Waldleistungen auf eine neue Basis.
Erläutern Sie das bitte.
Der Wald mit seinen gesellschaftlich und ökonomisch wichtigen Leistungen ist eine Infrastruktur, vergleichbar mit Strassen oder Gebäuden, die man langfristig erhalten muss, denn der Wald ist eine langfristige Geschichte. Aber ganz unabhängig davon, wie das Technische finanziert wird, brauchen wir mehr Geld für den Wald. Und da ist nicht allein der Kanton gefragt, sondern insbesondere auch der Bund als Hauptgeldgeber. Doch bei beiden ist zurzeit der Sparhammer Trumpf.
Welche Folgen hat das?
Würden die Mittel für die laufenden und vorgesehenen Naturschutzprojekte weiter gekürzt, wäre dies verheerend. Projekte, die über Jahre aufgegleist wurden, brauchen Pflege. Wenn wir diese Massnahmen nicht mehr weiterführen, verlieren wir vieles von dem, was wir mit grossem Einsatz erreicht haben.
Sie sprachen kürzlich an, die Finanzierung der Waldleistungen in der Bundesverfassung zu verankern. Was versprechen Sie sich davon?
Die Bedeutung des Waldes und seine Finanzierung sind in der Schweiz überall ein bisschen anders geregelt. Was fehlt, ist eine einheitliche Verankerung auf der höchsten Stufe. Ich bin überzeugt, dass ein solcher Schritt die Wichtigkeit des Waldes und der Natur erhöhen und viel weniger Diskussionen auslösen würde, wie die Waldleistungen finanziert werden können. Es wären damit nicht alle Probleme gelöst, aber die Aspekte des Waldes würden auf der politischen Ebene einen wesentlich höheren Stellenwert erhalten.
Wie beurteilen Sie als ehemaliger Landrat das Lobbying für den Wald im kantonalen Parlament?
Aus meiner Sicht fehlt es am notwendigen Verständnis und der Unterstützung für die Aspekte des Waldes. Es ist immer wieder bemühend, die notwendigen finanziellen Mittel zu erhalten; dies im Gegensatz zur Landwirtschaft. Es genügt nicht, wenn ein «Grüner» sagt, dass wir mehr Geld benötigen. Es braucht in der Politik mehr Personen, die unsere Anliegen unterstützen, nicht nur in der Budgetdebatte, sondern auch als politischen Input, um zu erklären, weshalb der Wald so wichtig ist.
Viele Forstbetriebe sind finanziell am Anschlag, weil der Holzverkauf zu wenig hergibt. Welche Optionen gibt es, um die Situation zu verbessern?
Es ist schlichtweg nicht mehr möglich, dass die Betriebe vom Holzverkauf leben können. Wir produzieren vor allem Brennholz, mit dem kein finanzieller Mehrwert erwirtschaftet werden kann. Die Holzgewinnung ist ein sehr teurer Prozess, vor allem in topografisch schwierigem Gelände. Verbrennen kann nur eine Zwischenlösung sein. Und mit dem Bauholz sind wir auch international nicht konkurrenzfähig. Wenn man in der Region ein Blockhaus bauen will, kommt das Holz aus Deutschland oder Österreich. Wir haben in der ganzen Schweiz zu wenig Holzverarbeitungsbetriebe, es fehlt überall an den notwendigen Sägereien.
Wie lässt sich die Förderung der Biodiversität im Wald mit der zunehmenden Nutzung als Erholungsraum vereinbaren?
Im Grossen und Ganzen vertragen sich die beiden Aspekte gut, weil die Waldfläche genügend gross ist und der Mensch sich in der Regel nicht querfeldein durch den Wald bewegt. Wichtig ist, dass sich die Leute an die wenigen Regeln halten, die es zu beachten gilt. Naturschutzflächen sind entsprechend gekennzeichnet und sie werden weitgehend respektiert. Ich bin überzeugt, dass sich die verschiedenen Funktionen eines Waldes – Erholung, Biodiversität, Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie Holzwirtschaft – mit einem guten Management vereinbaren lassen.
Welche Massnahmen ergreift Ihr Verband, um den Fachkräftemangel im Forstbereich zu beheben?
Wir vertreten die Arbeitgeberseite. Wichtig ist, dass wir unseren Forstleuten gute Bedingungen anbieten können. Dies nicht nur hinsichtlich Entlöhnung, sondern auch, um ihnen attraktive berufliche Entwicklungen wie Leitungsfunktionen zu ermöglichen. Deshalb brauchen wir im Einklang mit dem Personalverband und den Waldbesitzern grössere Einheiten in den Forstbetrieben. So könnten wir notwendige Synergien erzielen. Es gibt jedoch kein Rezept, das man über alle Betriebe stülpen kann, sondern wir müssen lokal und regional die besten Lösungen suchen.
Wie steht es um die Fluktuation?
Erfreulich ist, dass wir keine Mühe haben, junge Leute für die Ausbildung zu finden. Leider aber verlassen viele von ihnen nach der Ausbildung den Forstbereich und wandern in andere Branchen ab. Unsere Forstleute werden breit ausgebildet und sind vor allem bei der Polizei oder in privaten Sicherheitsfirmen begehrt.
Wie optimistisch sind Sie, dass der Wald auch in 100 Jahren seine heutigen Funktionen erfüllt?
Da bin ich zuversichtlich, weil wir auf die Funktionen des Waldes angewiesen sind. Er wird wahrscheinlich anders aussehen, mit Baumarten, die wir heute vielleicht noch nicht so gut kennen – vielleicht ähnlich wie im Süden Europas. Besonders die Biodiversität wird vermehrt eine zentrale Rolle einnehmen, nicht zuletzt im Blick auf die Siedlungsgebiete, wo der Druck auf die Natur stetig wächst. In unserem extrem genutzten Land wird der Wald ein wichtiger Rückzugsort bleiben, den es zu fördern gilt. Und so wird es auch in 100 Jahren unseren Verband brauchen.
Zur Person
emg. Philipp Schoch (52) ist verheiratet und wohnt in Pratteln. Nach einer Lehre als Möbelschreiner liess er sich zum Krankenpfleger und Notfallpflegefachmann ausbilden. Heute leitet er die Notfallstationen des KSBL. Für die Grünen war er von 2003 bis 2017 Mitglied des Landrats, den er ein Jahr lang präsidierte. Seit 2020 ist er Gemeinderat in Pratteln. «Wald beider Basel» leitet Schoch seit 2017.