Deal in der Hinterhand
13.05.2025 PersönlichWer kennt es nicht, das Matterhorn. Der Berg ist nicht nur deshalb weltberühmt, weil er so exponiert dasteht und weniger stark in ein Gebirgsmassiv eingebunden ist als andere Viertausender. Auch seine leicht gekrümmte Form macht ihn einzigartig. Achtet man in den Alpen jedoch etwas ...
Wer kennt es nicht, das Matterhorn. Der Berg ist nicht nur deshalb weltberühmt, weil er so exponiert dasteht und weniger stark in ein Gebirgsmassiv eingebunden ist als andere Viertausender. Auch seine leicht gekrümmte Form macht ihn einzigartig. Achtet man in den Alpen jedoch etwas genauer auf die umliegenden Gipfel, wird klar: So einzigartig, wie man gemeinhin denkt, ist das Matterhorn gar nicht.
Auf einer Autofahrt ins Wallis sind mir zwei Berge aufgefallen, die dem Matterhorn erstaunlich ähnlich sehen – zumindest, was die Form des Gipfels betrifft. Der eine ist zu sehen, wenn man vom Ikea und dem Hornbach in Riddes (VS) die gegenüberliegende Talseite hinaufblickt. Der andere fällt ins Auge, wenn man auf der A12 bei Vuadens (FR, Fahrtrichtung Bern) nach Osten schaut. Auf Google Maps habe ich die beiden «Matterhörner» ausfindig gemacht – ihre Namen leider nicht. Beim nächsten Mal versuche ich es mit einer Bergfinder-App.
Wie auch immer: Wenn also nicht einmal das Matterhorn so einzigartig ist, wie es scheint, sollte man mit diesem Begriff vielleicht etwas zurückhaltender umgehen. Was in der jüngeren Geschichte allerdings tatsächlich einzigartig ist, so finde ich, ist das Phänomen Trump. Ein Politikwissenschaftler hat das Phänomen kürzlich verständlich erklärt – mit drei Punkten: Erstens mit der enormen und weiter wachsenden Ungleichheit in den USA zwischen Arbeiterschicht und Akademikern. Zweitens mit Trumps Showman-Qualitäten, die zu den Menschen in den USA passen würden. Und drittens mit dem amerikanischen Zweiparteiensystem, das einem solchen Charakter überhaupt erst die Machtergreifung ermöglicht.
Auf die Schweiz heruntergebrochen, beruhigt mich diese Analyse: Ein Trump scheint bei uns derzeit so gut wie ausgeschlossen zu sein. Zwar existiert auch hier eine soziale Ungleichheit, doch sie ist längst nicht so ausgeprägt wie in den USA, wo Hunderttausende Menschen in Zelt- oder Campersiedlungen leben. Politisches Showgehabe mag einzelnen den Sprung in den Nationalrat ermöglichen – doch bei Ständerats- und Bundesratswahlen verfängt diese Art der Politik nicht. Die Landesregierung ist nach wie vor eine eher biedere Runde: Eine Fotomontage von sich selbst als Papst zu verbreiten, käme wohl keinem Bundesratsmitglied in den Sinn – auch wenn Karin Keller-Sutter bei der Beerdigung von Papst Franziskus fleissig mit dem Handy hantierte … Schliesslich verhindert unser konsensorientiertes Mehrparteiensystem die (demokratische) Machtübernahme durch eine Einzelperson.
Und trotzdem: Zum politischen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz sollte Sorge getragen werden, wie verschiedene Parlamentarier immer wieder betonen. Denn die Trumpisierung der Politik – mit Falschaussagen und teils irrationalem Handeln – kann auch hierzulande Schaden anrichten. Immerhin auf eines scheinen wir vorbereitet: Sollte Trump das Interesse an Grönland und dem Panamakanal verlieren, könnten wir ihm für einen guten Deal eines unserer Matterhörner anbieten – es muss ja nicht das echte sein.
Janis Erne, Redaktor «Volksstimme»