Das Wahljahr beginnt für die SVP mit Dämpfer
28.12.2023 RegionJanuar und Februar | Sollberger schafft es nicht in die Kantonsregierung – die Fasnacht nimmt Fahrt auf
Pünktlich zum Jahreswechsel bricht der Wahlkampf über das Baselbiet herein. «Wie viele Plakate verträgt es?», fragt die ...
Januar und Februar | Sollberger schafft es nicht in die Kantonsregierung – die Fasnacht nimmt Fahrt auf
Pünktlich zum Jahreswechsel bricht der Wahlkampf über das Baselbiet herein. «Wie viele Plakate verträgt es?», fragt die «Volksstimme» schon in der zweiten Ausgabe im Jahr 2023. Es ist eine Frage, die das Baselbiet in diesem Superwahljahr bis in den Herbst hinein begleiten wird.
Bei den Regierungsratswahlen ist es vorab der Aussenseiter Thomi Jourdan von der EVP, der den Kanton grossflächig mit seinem Konterfei beglückt. Den Vermerk «EVP» findet man auf seiner Werbung nicht. Seine Partei hat im Landratswahlkampf der leidigen Plakatschlacht eine Absage erteilt.
Jourdans Effort erinnert an den Wahlkampf des Grünen Isaac Reber, der 2011 Unmengen von Plakaten aufhängen liess – und in den Regierungsrat gewählt wurde. Das klappt am 12. Februar auch beim Muttenzer Jourdan. Als erster EVP-Vertreter in der Schweiz schafft er den Sprung in eine Kantonsregierung. Er eroberte den Sitz von SVP-Gesundheitsdirektor Thomas Weber (Buus), der nach zehn Jahren im Amt auf eine erneute Kandidatur verzichtet hat.
Bei der SVP gibt es lange Gesichter: Deren Kandidatin, Nationalrätin Sandra Sollberger (SVP, Liestal), landet nur auf Rang 6 und scheidet als Überzählige aus. Es ist mittlerweile eine Binsenwahrheit: Profilierte Legislativ-Politikerinnen und -Politiker haben es im Baselbiet schwer, den Sprung von der nationalen Bühne in die kantonale Exekutive zu schaffen. Diese Erfahrung haben auch schon Eric Nussbaumer (SP) oder Thomas de Courten (SVP) gemacht.
Problemlos gewählt werden alle Bisherigen: Anton Lauber («Die Mitte»), Isaac Reber (Grüne), Kathrin Schweizer (SP) und Monica Gschwind (FDP). Die zweite SP-Kandidatur, diejenige von Thomas Noack, scheitert. Ebenfalls nur mit einem Achtungserfolg muss sich Manuel Ballmer von der GLP begnügen.
Mit der Nichtwahl Sollbergers ist die SVP raus aus der Regierung und damit in der Opposition. Eine Rolle, die man energisch ausfüllen werde, wie Fraktionschef Peter Riebli im Interview mit der «Volksstimme» ankündigt und sagt: «Das könnte in der Baselbieter Politik einen gewissen Stillstand bedeuten.»
SVP ist stärkste Partei
Bei der Landratswahl mit insgesamt 618 Kandidierenden sind die Verschiebungen gering: Die SVP kann ihre 21 Sitze halten und ist neu die stärkste Kraft. Die SP verliert zwei Mandate und kommt neu auf 20 Sitze. Der Rest im Schnelldurchlauf: GPL +3, Grüne -2, «Mitte» +1, FDP und EVP unverändert.
Zwei Details am Rande: In einigen Oberbaselbieter Gemeinden hat der Kanton vereinzelt falsche Wahllisten verschickt. Das Missgeschick hat aber keine Auswirkungen auf die Wahl. Dann kommt es am Wahlsonntag wegen eines Softwarefehlers in zwei Fällen zu einer falschen Sitzverteilung. Zwei Gewählte müssen nach einigen Tagen ihr Mandat überraschend abgeben und zwei anderen Kandidierenden überlassen.
Natürlich gibt's nebst den Wahlen auch viele weitere Ereignisse: So rutscht die Bölchenstrasse nach starken Regenfällen unterhalb des Chilchzimmersattels auf der Eptinger Seite des Passes ab – und bleibt danach für Monate gesperrt.
Eine andere Schlagzeile sorgt für Aufsehen: Im Ortszentrum von Sissach fährt die Polizei vor und führt einen Gewerbetreibenden ab. Was war sein Verbrechen? Er hatte sich geweigert, zu Corona-Zeiten im Zug eine Maske zu tragen und wurde mit 100 Franken gebüsst. Der Mann weigert sich aber, die Busse zu bezahlen und will die Strafe lieber absitzen. Macht einen Tag Gefängnis. Da der Verurteilte nicht freiwillig einrückt, wird er polizeilich abgeführt.
Verwunderliches ereignet sich in Gelterkinden: Die finanzgeplagte Gemeinde teilt den Fasnächtlern mit, dass sie sich nicht imstande sieht, für die Reinigung der Konfetti-Sauerei nach dem Fasnachtsumzug aufzukommen. Die Fasnächtler willigen ein, 5000 Franken selbst zu berappen, womit sich wenigstens die Hälfte der Umzugshinterlassenschaft wegfegen lässt. Die «Volksstimme» titelt: «Der Fasnachtsumzug ist gerettet».
Während man in Gelterkinden bis tief auf den Boden der leeren Gemeindekasse schaut, blick man in Sissach in die Luft. Nämlich auf das 28 Meter hohe Gebäude, das die «Helvetia» auf dem Tobler-Areal (früher Six Madun) in Bahnhofsnähe bauen will. Die Versicherungsgesellschaft veröffentlicht erstmals Visualisierungen der Überbauung mit 45 Wohnungen. In der Nachbarschaft erschrickt man: Einige der Neubauten sind höher als gedacht.
Unweit des Tobler-Areals kündigt sich ebenfalls eine Veränderung an: Die Mineralquelle Eptingen gibt bekannt, dass sie ihren Verwaltungsstandort in Sissach aufgeben und nach Eptingen verlegen will. Dort erfolgt im Januar der Spatenstich für das neue Gebäude.
Defizit gedeckt – so oder so
Eine schwungvolle Debatte gibt es im Landratssaal: Die Regierung beantragt dem Parlament eine halbe Million Franken, damit das Defizit des Eidgenössichen Schwing- und Älplerfestes (Esaf) 2022 in Pratteln gedeckt werden kann. Dem Esaf, das dem Baselbiet so viel Freude gemacht hat, soll der Konkurs erspart werden. Der Landrat genehmigt die 500 000 Franken nach einer emotionalen Debatte deutlich. Später dann die Überraschung: Das Kantonsgeld wird doch nicht benötigt. Unbekannte Private greifen in die Tasche.
Anfang Dezember 2022 hat die erneuerte Waldenburgerbahn ihren Betrieb aufgenommen. Die BLT bekundet danach grössere Startschwierigkeiten. Es kommt vor, dass mitten auf der Strecke eine Vollbremsung ausgelöst wird und das Schienenfahrzeug danach stehen bleibt. Auch die Türen bereiten Probleme, ebenso Barrieren oder Signale. Und am SBB-Billettautomaten kostet eine Fahrt von Itingen nach Waldenburg plötzlich 63 Franken! Kinderkrankheiten zuhauf also. Ende Januar sagt ein BLT-Verantwortlicher im Interview hoffnungsvoll: «Ein stabiler Betrieb ist in Griffweite.»
Anfang Februar präsentiert sich eine neue Interessensgemeinschaft mit Politikerinnen und Politikern verschiedener Parteien. Die IG fordert, dass die A22 in Liestal und Lausen unter dem Boden verschwinden soll. Der Bund, dem die 1970 erbaute Strasse gehört, reagiert zurückhaltend. Zuerst steht die Sanierung der maroden Strasse an, was deren Lebensdauer um 20 Jahre verlängern wird.
Ende Februar beginnt im Oberbaselbiet die Fasnacht. Nach zwei Jahren Corona ist es wieder fast wie immer. In Sissach beteiligen sich knapp 65 Formationen – einige weniger als vor der Pandemie – mit insgesamt wohl rund 1500 Aktiven am grossen Umzug. Das Sujet im Bezirkshauptort heisst «In die richtigi Richtig» und bezieht sich auf den Streit um den Einbahnverkehr in der Begegnungszone. Diese Zone leert sich nach dem Umzug blitzartig. Die Bise fegt die Menschen in die Beizen.
David Thommen