«Das Vertragspaket würde uns nach unten nivellieren»
15.05.2025 BaselbietSVP-Präsident Peter Riebli sieht den Wohlstand der Schweiz wegen der EU in Gefahr
Die SVP Baselland feiert dieses Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. 1925 als Oberbaselbieter Bauernpartei gegründet, hat sich die SVP zur stärksten Kraft im Kanton entwickelt. Im Interview ...
SVP-Präsident Peter Riebli sieht den Wohlstand der Schweiz wegen der EU in Gefahr
Die SVP Baselland feiert dieses Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. 1925 als Oberbaselbieter Bauernpartei gegründet, hat sich die SVP zur stärksten Kraft im Kanton entwickelt. Im Interview spricht Präsident Peter Riebli über seine Partei und warnt vor den neuen Verträgen mit der Europäischen Union.
Janis Erne
Herr Riebli, wie sind Sie eigentlich zur SVP gekommen?
Peter Riebli: Das ist gut 15 Jahre her. Als Gemeindepräsident von Buckten und Parteiloser wurde ich aber schon 5 Jahre zuvor sowohl von der FDP als auch der SVP angefragt, ob ich Mitglied werden wolle, um für den Landrat zu kandidieren.
Was antworteten Sie?
Ich lehnte ab, da ich damals für ein Parlamentsamt aus beruflichen und familiären Gründen keine Zeit hatte. Später entschied ich mich dann, der SVP beizutreten. Mit meiner liberalen, bürgerlichen Einstellung habe ich auch grosse Schnittmengen mit der FDP. Doch die SVP gestand mir mehr persönlichen Spielraum zu. Der ausschlaggebende Grund war jedoch die EU-Politik – hier hatte ich schon immer eine prononciert andere Meinung als die FDP.
Auf die EU kommen wir noch zu sprechen. Zuerst die Frage: Wie würden Sie die SVP jemandem kurz beschreiben, der das politische System der Schweiz nicht kennt?
Die SVP ist mittlerweile die wählerstärkste Partei der Schweiz. Sie ist eine bürgerlich-konservative Partei, die sich für Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverantwortung einsetzt.
Vor 100 Jahren war die Baselbieter SVP noch eine reine Bauernpartei.
Das ist so. Sie wurde 1925 als Oberbaselbieter Bauernpartei gegründet, um die damalige Dominanz des Freisinns zu brechen. Später entwickelte sie sich zur Baselbieter Bauernpartei, um nicht als Splitterpartei aus dem Oberbaselbiet wahrgenommen zu werden, ehe sie zur Bauern-, Gewerbeund Bürgerpartei, kurz BGB, umbenannt wurde. 1975 wurde aus der BGB dann die SVP.
Dieser Namenswechsel ging nicht geräuschlos über die Bühne, einige BGB-Mitglieder waren dagegen.
Man darf nicht vergessen: Die BGB war eine bekannte «Marke» – und sich von einer solchen zu verabschieden, ist immer ein gewisses Risiko. Doch der Erfolg gibt uns Recht.
Bis in die 1980er-Jahre hinein bezeichnete sich die Baselbieter SVP als Partei der Mitte. Ist der schärfere Rechtskurs seit den 1990er-Jahren nur eine Phase, die wieder vorübergeht?
Die EWR-Abstimmung 1992 hat unseren nationalkonservativen Kurs geschärft. Die SVP ist seither aber nicht wirklich nach rechts gerückt, vielmehr sind die anderen Parteien nach links gerutscht. Wir bleiben unseren alten Grundwerten treu.
In gewissen Bereichen hat sich die Partei durchaus gewandelt, zum Beispiel in der Energiepolitik: Die alte Baselbieter SVP war etwa gegen das AKW Kaiseraugst. Heute wäre die Partei kaum gegen ein neues Atomkraftwerk, oder?
Nein. Ein AKW der neuesten Generation wäre in der SVP Baselland heute voraussichtlich mehrheitsfähig – wobei der genaue Standort natürlich diskutiert werden müsste. Die Technologie hat sich weiterentwickelt, viele Länder setzen wieder auf Kernenergie. Ich bin überzeugt, dass wir alle verfügbaren Technologien brauchen. Bestehende Energiequellen wie AKW kann man nicht einfach von heute auf morgen ersetzen – uns würde Bandenergie fehlen.
Die EWR-Debatte hat die SVP gross gemacht. In ein paar Jahren steht die nächste EU-Abstimmung an – jene über das neue Vertragspaket. Zuvor entscheidet das Parlament, ob dabei das Ständemehr gelten soll. Was ist Ihre Meinung?
Für mich wäre es inakzeptabel, wenn das Ständemehr nicht gilt. Es erschüttert mich, dass sich eine Mehrheit des Bundesrats, die Konferenz der Kantonsregierungen – getrieben von ihrem Sekretär – und gewisse Ständeräte ablehnend äussern. Wenn die Kantone bei solch wegweisenden Fragen nichts mehr zu sagen haben, kann man den Ständerat gleich abschaffen. Ich hoffe, die politische Vernunft siegt. Wir kämpfen für das Ständemehr, indem wir die Kompass-Initiative unterstützen, die genau das fordert.
In unserer Grenzregion unterstützen viele Firmen die neuen Verträge. Warum die SVP nicht?
Ich erinnere an die EWR-Abstimmung: FDP-Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz sprach damals von einem «schwarzen Sonntag» und prophezeite, die Schweiz werde zum Armenhaus Europas. Heute ist es umgekehrt: Die EU ist das Armenhaus, und der Schweiz geht es besser denn je.
Und was ist mit den Appellen der besorgten Unternehmer?
Indem sie behaupten, ohne neue Verträge gehe die Wirtschaft zugrunde, schüren sie Panik. Es geht ihnen dabei nicht um das Land, sondern um den eigenen kurzfristigen Gewinn. Langfristig sind diese Verträge Gift für die Schweiz: Sie würden unsere Demokratie zerstören, uns höhere Steuersätze, Regulierungen sowie das EU-Recht aufzwingen – und uns damit nach unten nivellieren. Unsere Standortvorteile wären dahin. Es sind übrigens längst nicht alle Unternehmer für die Verträge.
Macht es Ihnen keine Sorgen, dass der Marktzugang gefährdet sein könnte?
Nein. Einerseits sind unsere Produkte technologisch führend und andererseits garantieren uns das Freihandelsabkommen mit der EU und die WTO-Handelsabkommen den Marktzugang. Die EU wird uns bei einem Nein zum Vertragspaket zwar Nadelstiche versetzen, aber der Handel kommt nicht zum Erliegen. Zudem ist es absurd, den Zugang zum Binnenmarkt von irgendwelchen Zahlungen abhängig zu machen. Wer in der Migros einkaufen will, muss auch nicht 100 Franken zahlen, um überhaupt in den Laden gelassen zu werden. Was wir von der EU sehen, ist reine Schikane einer Organisation im Niedergang.
Die Wirtschaftspolitik der SVP wird mitunter als widersprüchlich kritisiert: Einerseits ist man für Freihandel, andererseits hat man Sympathien für Politiker wie Donald Trump, die den Freihandel mit Füssen treten.
Ich sehe nicht, dass die SVP Donald Trump stark unterstützt hat. Er war einfach die bessere Wahl als Kamala Harris.
Sehen Sie das auch nach den jüngsten Zolldiskussionen so?
Ich bin ein Befürworter von Freihandelsabkommen. Wir sollten mit der ganzen Welt Handel betreiben, und zwar mit gleich langen Spiessen. Die Zölle von Trump kann man unterschiedlich deuten – wir wissen nicht genau, ob sie aus Überzeugung oder als Druckmittel eingeführt wurden. Zudem ist die Kritik an ihm – gerade aus der EU – scheinheilig: Denn neben Zöllen, die sie etwa auf amerikanische Autos erhebt, ist die EU Weltmeisterin bei nichttarifären Handelshemmnissen.
Selbst FDP-Schweiz-Präsident Thierry Burkart sagte vor ein paar Monaten, die SVP verliere ihre wirtschaftsliberale Ausrichtung und kippe nach links.
Wir hatten gewisse Hoffnungen in ihn gesetzt, da seine Aussagen in der Asylpolitik nahe an unsere Positionen kamen. Mittlerweile zeigt sich: Thierry Burkart redet rechts und handelt links. Die SVP ist nicht nach links gerückt, sondern geblieben, wo sie war, ganz im Gegensatz zur FDP!
Bei der 13. AHV-Rente stimmten viele SVP-Wähler mit der Linken.
Das stimmt. Ich war aus finanziellen Gründen gegen die 13. AHV-Rente, konnte aber ein einziges Argument der Befürworter nicht entkräften: Nämlich, dass die Schweiz Milliarden ins Ausland schickt, aber angeblich kein Geld für ihre eigenen Bürger hat. Diese Argumentation war für viele SVP-Wähler schlüssig, und ich verstehe sie.
Kehren wir ins Baselbiet zurück: In der Regierung ist die stärkste Partei nicht vertreten. Das kann kein Dauerzustand sein, oder?
Es ist schwer zu erklären, dass wir mit fast 30 Prozent Wähleranteil nicht in der Regierung vertreten sind. Auch weil dieser Umstand die politische Arbeit schwieriger macht. Unser Ziel ist deshalb klar: Wir wollen zurück in den Regierungsrat. Bei einer Vakanz oder Gesamterneuerungswahl treten wir auf jeden Fall an. Wir haben fähige Leute, welche die SVP-Werte in der Regierung hartnäckig vertreten, aber auch konziliant sein könnten.
Ihrer Wahl zum Parteipräsidenten vor einem Jahr ging ein Konflikt innerhalb der Partei voraus.
Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Wir hatten nicht mehr Unstimmigkeiten als andere Parteien – bei uns wurden sie jedoch an die Medien und damit die Öffentlichkeit getragen. Dadurch verhärteten sich die Fronten. Das schnelle Wachstum unserer Partei spülte auch Leute in die SVP, die eher an ihrer eigenen Karriere interessiert sind als an der Sache. Den medial viel zitierten «Rechts-links-Graben» in der Partei habe ich nie gesehen. Wir politisieren seit meiner Wahl nicht grundsätzlich anders – vielleicht etwas pointierter.
Der Münchensteiner Landrat Stefan Meyer hatte Ihnen nach der Wahl in einem Leserbrief in der «Volksstimme» vorgeworfen, den «braunen Rand» des politischen Spektrums zu bedienen.
Inhaltlich lag Stefan Meyer mit seiner impulsiven Frust-Aussage völlig falsch. Die Parteileitung hat mit ihm gesprochen, die Sache ist erledigt.
In der Parteileitung der SVP Baselland gibt es Mitglieder, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, Autokraten als unterstützenswert darstellen oder mit Aussagen auffallen, die an Rassismus grenzen. Teilen Sie diese Ansichten?
Ich bin klar der Auffassung, dass es rechts von der SVP keine demokratisch legitimierte Partei geben darf. Unsere breit abgestützte Parteileitung spiegelt die Vielfalt unserer Basis wider, in der unterschiedliche Strömungen Platz haben – auch pointierte Positionen rechts von der Mitte. Doch eines ist klar: Wir sind keineswegs eine rechtsextreme Partei und verurteilen jeglichen Rassismus.
Schrecken solche «pointierten Positionen», wie Sie sie nennen, nicht auch Wähler ab?
Bei der SVP sind alle willkommen, die unsere demokratischen Grundwerte teilen. Wir bieten vielen eine politische Heimat und sozialisieren sicher auch ein paar wenige Leute, die ohne uns weiter rechtsaussen stehen würden. Dies zeigt, dass wir eine echte Volkspartei und kein elitärer Verein sind.
Deshalb Ihre Unterstützung für Sarah Regez, nachdem im Frühling 2024 bekannt wurde, dass sie eine Veranstaltung mit Rechtsextremen besucht hatte?
Ich teile ihren Standpunkt, dass man mit allen reden soll – auch mit Extremisten jeglicher Art. Das heisst aber noch lange nicht, dass man deren Ansichten teilt.
Sie sagten in einem Podcast, die Kritik an Regez sei ein Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen.
Ich beobachte eine klare Tendenz – nicht nur in den Medien, sondern auch bei politischen Gegnern –, Personen so lange unqualifiziert zu diffamieren, bis sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr ernst genommen werden. Der Vorwurf des Rechtsextremismus ist dabei längst zu einer politischen Waffe geworden. Gegen die inflationäre Verwendung der «Nazi-Keule» wehre ich mich entschieden – sie verharmlost die Schrecken der NS-Zeit. Wer jeden, der etwa vor übermässiger Zuwanderung aus fremden Kulturen warnt, als Nazi abstempelt, handelt verantwortungslos.
Sarah Regez kam sozusagen aus dem Nichts, inzwischen ist sie erste Nachrückerin im Landrat und im Nationalrat. Gibt es parteiintern einen «Fahrplan» für sie?
Sie ist politisch sehr talentiert und hat sich mit bescheidenen Mitteln einen hohen Bekanntheitsgrad erarbeitet. Wir sind jedoch keine planwirtschaftliche Partei, die vom Volk gewählte Amtsträger zum Rücktritt drängt. Selbstverständlich sprechen wir vor Wahlen darüber, wer aufhört, wer weitermacht und wer neu kandidiert. Aber es gibt keinen «Masterplan» für Sarah Regez. Wenn ihr politisches Interesse anhält, wird sie ihren Weg machen und ist nicht auf politische Ränkespiele angewiesen.
Führen Sie die SVP Baselland ganz sicher als Präsident bis zu den Wahlen 2027?
Ich wurde vor einem Jahr für vier Jahre gewählt – und in der Regel bin ich jemand, der ein solches Mandat auch zu Ende führt. Zumal ich mit einem klaren Ziel angetreten bin: der SVP ein klares Profil zu geben, damit sie für alle unsere potenziellen Wähler attraktiv bleibt respektive wird. Es stehen viele Themen an, für die sich der Einsatz lohnt. Ich denke dabei nicht nur an die EU-Abstimmung, sondern unter anderem auch an unsere Initiative, die fordert, dass selbst getragene Krankenkassenprämien im Baselbiet vollständig von den Steuern abgezogen werden können.
Wo steht die SVP Ihrer Ansicht nach in 10 oder 20 Jahren?
Dort, wo sie heute steht. Ganz entscheidend wird die EU-Abstimmung. Bei der Annahme dieses Unterwerfungsvertrags gäbe es die Schweiz in ihrer heutigen Form nicht mehr. Aber ich glaube an die Schwarmintelligenz des Schweizer Volks. Es lohnt sich, für die Souveränität unseres Landes zu kämpfen – und damit für unseren Standortvorteil und Wohlstand.
Was passiert mit der Partei, wenn sie diese wegweisende Abstimmung verlieren sollte?
Verlieren ist keine Option. Aber in diesem unwahrscheinlichen Fall würden wir für die Verhinderung aller für die Schweiz schädlichen Vertragsinhalte kämpfen. Das Schweizervolk würde schnell realisieren, dass ein Ausstieg aus den Verträgen zur Erhaltung unserer Freiheit und unseres Wohlstands unumgänglich ist – auch wenn dies einen schmerzhaften und langwierigen politischen Prozess bedeutet.
Feier «100 Johr SVP Baselland», 1. August, ab 17 Uhr, beim Berghaus Ober-Bölchen, Eptingen, mit Bundesrat Albert Rösti und «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel.