Das «ungerechte» Wahlsystem soll weg
09.01.2025 BaselbietMitte-links befürwortet die Reform – bürgerliche Parteien wehren sich
Am 9. Februar stimmt das Baselbiet über die Einführung eines neuen Wahlsystems ab. Es soll für mehr Gerechtigkeit sorgen, indem es kaum nachvollziehbare Sitzsprünge verhindert und den ...
Mitte-links befürwortet die Reform – bürgerliche Parteien wehren sich
Am 9. Februar stimmt das Baselbiet über die Einführung eines neuen Wahlsystems ab. Es soll für mehr Gerechtigkeit sorgen, indem es kaum nachvollziehbare Sitzsprünge verhindert und den Wählerwillen besser abbildet. Kleine Parteien könnten profitieren.
Janis Erne
Nachdem EVP-Landrätin Andrea Heger (Hölstein) zur Medienkonferenz nach Liestal eingeladen hatte, eröffnete vorgestern ihr Rats- und Parteikollege Werner Hotz (Allschwil) den Anlass. Die EVP führt das Ja-Komitee zur Baselbieter Wahlrechtsreform an, über die am 9. Februar abgestimmt wird.
Und das nicht ohne Grund: Die EVP – wie auch die andere kleine Partei im Landrat, die GLP – erhofft sich dadurch Zuwachs im Kantonsparlament. Mittelfristig könnte die Partei mit fünf Sitzen Fraktionsstärke erreichen. Der GLP ist dies bereits bei den letzten Wahlen 2023 gelungen.
Doch nicht nur der mögliche Zuwachs im Landrat motiviert die kleinen Parteien, für die Wahlrechtsreform zu werben. Die Reform, sagte GLP-Präsident Thomas Tribelhorn (Läufelfingen), würde seiner Partei auch zu mehr Kontinuität verhelfen. «Mit dem jetzigen Wahlsystem wird jedes Mal die Hälfte unseres Personals ausgewechselt», klagte er.
Tribelhorn sprach damit eines der beiden Hauptprobleme des aktuellen Wahlsystems an: die Sitzsprünge. Diese seien für die Bevölkerung unverständlich, sagte SP-Landrätin Sandra Strüby-Schaub (Buckten). «Mitte»- Landrat Simon Oberbeck (Birsfelden) ging noch weiter und bezeichnete sie als ungerecht.
Sitzsprünge kommen zustande, weil das geltende Wahlsystem drei Ebenen kennt. Zuerst werden die aufgrund der Wählerstimmen ermittelten Parteimandate auf den Kanton, dann auf die vier Wahlregionen und schliesslich auf die zwölf Wahlkreise verteilt. Das Problem: Wenn in einem Wahlkreis alle Mandate vergeben sind, einer Partei in der Wahlregion aber noch Mandate zustehen, kommt es mitunter zu kuriosen Konstellationen.
In solchen Fällen werden Personen gewählt, die deutlich weniger Stimmen erhalten haben als Parteikollegen. So geschehen bei den Landratswahlen 2023: «Mitte»-Landrat Marcel Zimmermann (Tenniken, Wahlkreis Sissach) erhielt 475 Stimmen mehr als sein Parteikollege Dario Rigo (Ormalingen, Wahlkreis Gelterkinden), musste ihm aber den Sitz überlassen, weil er im «falschen» Wahlkreis kandidiert hatte. Noch deutlicher fiel 2019 die Abwahl der Bubendörfer EVP-Landrätin Priska Jaberg aus: Mit 1263 Stimmen verlor sie ihren Sitz an Parteikollegin Irène Wolf aus Füllinsdorf, die nur 293 Stimmen holte.
Dazu sagte EVP-Landrat Werner Hotz an der Pressekonferenz: «Nach jeder Wahl nerven wir uns über solche Sitzsprünge. Jetzt haben wir die Chance, eine klare Verbesserung herbeizuführen.» Das neue Wahlsystem reduziere nicht nur die Sitzsprünge, sondern bilde auch den Wählerwillen besser ab. Durch die Abschaffung der Wahlregionen und die direkte Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise wird künftig nur noch einmal gerundet. Dadurch wird die bisherige künstliche Bevorzugung der grossen Parteien reduziert.
Verliert das Land an Einfluss?
Von den drei grossen Parteien befürwortet einzig die SP die Wahlrechtsreform. «Sie stärkt die Demokratie», so Co-Vizepräsidentin Sandra Strüby-Schaub. FDP und SVP lehnen die Reform ab – wie die kleinen Parteien wohl ein Stück weit auch aus Eigeninteresse, denn die Bürgerlichen könnten Sitze im Parlament verlieren. Aber nicht nur: In einem am Dienstag verschickten Communiqué weisen FDP und SVP darauf hin, dass die ungeliebten Sitzsprünge nicht abgeschafft, sondern «nur» reduziert würden. Der Aufwand für die Wahlrechtsreform sei deshalb unnötig. Zudem befürchten sie, dass die geplante Abschaffung der 6-Sitzgarantie pro Wahlkreis in der Zukunft zu einer «Machtverschiebung» ins bevölkerungsreiche Unterbaselbiet führen könnte.
Das sieht das Ja-Komitee anders. «Die Befürchtung, dass die ländlichen Regionen geschwächt werden, ist weit hergeholt», sagte «Mitte»-Landrat Simon Oberbeck an der Pressekonferenz. Die Anwesenden waren sich einig, dass sich die Baselbieter Bevölkerung nicht wesentlich anders entwickeln wird als in den vergangenen Jahren und sich die Sitzverteilung deshalb nicht markant ändern werde.
Schliesslich wiesen die Befürworter darauf hin, dass sich der Doppelproporz – so heisst das Wahlsystem, das 2027 eingeführt werden soll – bereits in neun anderen Kantonen bewährt habe. Um Splitter- oder Juxgruppen zu verhindern, sollen im Baselbiet zudem Hürden für den Einzug in den Landrat geschaffen werden: Eine Gruppierung muss entweder kantonsweit mindestens 3 Prozent oder in einem Wahlkreis mindestens 5 Prozent der Stimmen erreichen.