«Das Umfeld hat sich stark verändert»
12.09.2025 Gesellschaft, RegionSamaritervereine sind im Wandel. An vielen Orten lösen sie sich auf oder schliessen sich zusammen, weil sie zu wenige Mitglieder haben. So haben «Lausen» und «Liestal» Anfang Jahr zu «Samariter Ergolz» fusioniert. Stefan Tschudin, Präsident des ...
Samaritervereine sind im Wandel. An vielen Orten lösen sie sich auf oder schliessen sich zusammen, weil sie zu wenige Mitglieder haben. So haben «Lausen» und «Liestal» Anfang Jahr zu «Samariter Ergolz» fusioniert. Stefan Tschudin, Präsident des Samariterverbands beider Basel, äussert sich zu dieser Entwicklung.
Sander van Riemsdijk
Herr Tschudin, welche Aufgaben hat der Samariterverein «Samariter Ergolz»?
Stefan Tschudin: Die meisten Aufgaben erbringt der Verein zugunsten der Bevölkerung. So führt er zweimal im Jahr Blutspendeaktionen in Zusammenarbeit mit dem Blutspendezentrum SRK Nordwestschweiz (vormals Blutspendezentrum SRK Basel) durch, bei welchen in Lausen Blut für die Versorgung in der Region entgegengenommen wird. Zudem bilden wir in unseren öffentlichen Kursen interessierte Personen aus der Bevölkerung rund um das Thema Erste Hilfe und BLS-AED (Laien-Reanimation) aus und ebenso kann der Nothelferkurs bei uns absolviert werden. Abschliessend kann man unsere Sanitätsdienstleistungen für Anlässe jeglicher Art, sei es für Fussballturniere, für Abschlussfeiern, für Springkonkurrenzwettkämpfe oder für einen Spielnachmittag buchen.
Was braucht es, um diese Aufgaben erfüllen zu können?
Zuerst einmal Mitglieder, welche sich bereit erklären, sich in ihrer Freizeit weiterzubilden. So muss zum Beispiel ein Mitglied, damit es Sanitätsdienst leisten kann, fachtechnische Weiterbildungen von 35 Stunden, nämlich einen First Aid Stufe 1 Kurs (Nothelfer- und BLS-AED-Kurs) sowie einen First Aid Stufe 2 Kurs, besuchen. Das somit erworbene Zertifikat ist dann zwei Jahre gültig. Für dessen weitere Gültigkeit müssen somit alle zwei Jahre ein entsprechender First Aid Stufe 2 Refresher Kurs und mindestens fünf fachtechnische Übungen pro Jahr besucht werden. All diese Weiterbildungen müssen durch den Verein zuerst finanziert werden. Erst wenn Samariter Sanitätsdienst leisten oder Kursleitende Kurse erteilen, können Einnahmen erwirtschaftet werden. Daher sind Vereine auch auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen, welche helfen, diese Kosten zu tragen.
Wie stark hat sich das Umfeld für das Samariterwesen verändert?
Sehr stark. Die fachtechnischen Anforderungen an die Samariter, die Sanitätsdienst leisten, sind in den vergangenen Jahren markant gestiegen. Dies auch, weil sich die Samariter an die Vorgaben des Interverbandes für Rettungswesen halten müssen. Die Professionalisierung hat den Vereinen aber auch gutgetan. Dadurch sind die Samaritervereine fachkundige Dienstleister geworden, die an den verschiedensten Anlässen kompetente Erste Hilfe leisten können – und von den Organisationen des Bevölkerungsschutzes, aber auch vom Rettungsdienst als professioneller Partner geschätzt werden.
Warum erfolgte im Januar 2025 die Fusion der Samaritervereine Liestal und Lausen?
Wie viele Vereine in der Region kämpften beide Vereine mit schwindenden Mitgliederzahlen. Zudem hatten die Vereine Mühe, die Chargen in den Vorständen zu besetzen. So gab es zahlreiche Mitglieder des Vorstandes, die bereits seit Jahren ihre Ämter niederlegen wollten. Zudem sind spannende Übungen, die nicht nur aus Frontalunterricht bestehen sollten, fast unmöglich, wenn nur drei bis vier Mitglieder sie besuchen. Übungen leben von Gruppenarbeiten, bei denen Dinge in realistischen Unfallgestaltungen geübt werden. Daher konnten die Vereine Liestal und Lausen bereits seit Jahren gemeinsame Übungen, wo sich die Mitglieder auch kennenlernen konnten.
Kürzlich war zu lesen, dass «die Samaritervereine in Pension» gehen. Wohin entwickeln sich die Samaritervereine und welche Strategie verfolgt Ihr Verein dabei?
Es stimmt, dass es immer weniger Samaritervereine gibt. Dennoch sind sie ein wichtiger Player im Bereich der professionellen Ersten Hilfe vor Ort und des Bevölkerungsschutzes. Mit dem aktuell stattfindenden Generationenwechsel in den Vereinen wird auch frischer Wind in die Vereine getragen. Die grösste Herausforderung für die Vereine ist es, junges Vereinskader zu gewinnen bzw. auszubilden. Wir bei Samariter Ergolz verfolgen hier mit der vor drei Jahren vom Samariterverein Lausen gegründeten Jugendsamaritergruppe eine klare Strategie: die Kinder und Jugendlichen möglichst früh für das Samariterwesen und die Themen der ersten Hilfe zu begeistern und so selbst für Nachwuchs sorgen.
Warum engagieren sich weniger Leute im Samariterwesen?
Es gibt nicht den einen Grund. Die Problematik ist vielschichtig. So ist es sehr schwierig, junge Menschen für das ehrenamtliche Samariterwesen zu gewinnen, da man doch sehr viel Freizeit «opfern» muss. Dadurch sind viele Samaritervereine «überaltert», was es zusätzlich schwierig macht, junge Erwachsene zu gewinnen. Ebenso ist das Angebot an Freizeitaktivitäten durch die zunehmende Mobilität und Digitalisierung heute deutlich grösser als in den Generationen davor. Zudem spüren wir, dass sich junge Menschen nicht mehr langfristig binden möchten.
Wenn die Zahl der Samariter weniger wird, wer übernimmt in Zukunft ihre Aufgaben? Profis?
Dies ist eine gute Frage, die ich nicht abschliessend beantworten kann. Sicherlich gibt es viele Organisationen mit noch besser ausgebildeten Personen, welche die Aufgaben der Samaritervereine übernehmen könnten – jedoch meist auch zu einem höheren Preis. Diesen Organisationen fehlen in der Regel die lokalen Bezüge. Daher ist die Professionalisierung bei den Samaritern wichtig, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Da die einzelnen Vereine weniger Mitglieder haben, wird die Zusammenarbeit mit umliegenden Vereinen umso wichtiger. Dabei geht es nicht primär darum zu fusionieren. Es können Übungen zusammen bestritten werden, und man greift sich bei der Leistungserbringung gegenseitig unter die Arme.
Zur Person
svr. Stefan Tschudin ist 37 Jahre alt, verheiratet und hat ein Kind. Er ist wohnhaft in Bubendorf, wo er auch aufgewachsen ist. Seine Hobbies sind Kochen und Wandern, letzteres am liebsten an Schweizer Seen und in den Bergen.

