«Das Parlament verkommt zur Blase»
29.11.2024 BaselbietNach sieben Jahren tritt der Gelterkinder FDP-Landrat Stefan Degen zurück. Der Finanz- und Verkehrspolitiker scheidet Ende Dezember aus dem Kantonsparlament aus. Im Abschiedsinterview kritisiert der Finanzchef eines KMU verschiedene Entwicklungen.
Janis Erne
...Nach sieben Jahren tritt der Gelterkinder FDP-Landrat Stefan Degen zurück. Der Finanz- und Verkehrspolitiker scheidet Ende Dezember aus dem Kantonsparlament aus. Im Abschiedsinterview kritisiert der Finanzchef eines KMU verschiedene Entwicklungen.
Janis Erne
Herr Degen, warum treten Sie als Landrat zurück?
Stefan Degen: Aus beruflichen Gründen. Meine Arbeitsbelastung ist zunehmend gestiegen. Um genügend Zeit für Familie und Beruf zu haben, habe ich mich entschieden, als Landrat zurückzutreten. Dieser Entschluss ist in den vergangenen Monaten gereift.
In Ihrem Rücktrittsschreiben erwähnen Sie das deutliche Volks-Ja zur Vermögenssteuerreform 2022 als einen Höhepunkt Ihrer Landratszeit. Was bleibt Ihnen sonst noch in Erinnerung?
Die Corona-Zeit war sehr intensiv und lehrreich. Es hat sich gezeigt, wer wirklich eine liberale Grundhaltung hat und den Rechtsstaat hochhält. Für mich war es immer wichtig, die Schutzmassnahmen möglichst freiheitlich auszugestalten. Leider fehlte dem Landrat ein Stück weit der Pragmatismus – nicht nur bei Corona.
Wie meinen Sie das?
Mein Eindruck ist, dass sich das Parlament von Legislatur zu Legislatur mehr von der Bevölkerung und der Wirtschaft entfernt hat. Der Landrat verkommt zu einer Blase, die sich mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den wirklichen Problemen der Menschen. Dies hat sich etwa im vergangenen Dezember gezeigt, als die Landrätinnen und Landräte trotz der finanziellen Probleme des Kantons ihre Löhne erhöht haben.
Worauf führen Sie diese Entfremdung zurück?
Im Landrat – und auch im Regierungsrat – fehlt häufig der Wille, sich mit den wichtigen Fragen der Zeit auseinanderzusetzen. Zudem gibt es im Landrat nur noch wenige «echte» Unternehmer oder Personen mit Führungsaufgaben in der Privatwirtschaft. Selbst in der FDP-Fraktion sind sie in der Minderheit.
Nach finanziell guten Jahren muss der Kanton wieder sparen. Was hat Ihrer Meinung nach dazu geführt?
Wir waren zu grosszügig und sind Probleme zu wenig entschlossen angegangen. Wir bezahlen zum Beispiel Prämienverbilligungen bis weit in den oberen Mittelstand hinein und verpflichten uns bei der Universität, ohne dass wir ein Vetorecht bei den nicht zwingenden Kostentreibern haben. Seit der Überwindung der letzten Krise haben wir unsere Verwaltung zudem enorm anwachsen lassen. Und bei der Basellandschaftlichen Pensionskasse sind wir noch weit entfernt von einer Erledigung – Stichwort Abtragung des Bilanzfehlbetrags. Wir geben also weiterhin viel Geld aus und gehören noch immer zu den am höchsten verschuldeten Kantonen der Schweiz.
Was soll die Politik gegen das Finanzproblem tun?
Ich glaube, der Landrat muss an verschiedenen Stellen ansetzen. Um die Effizienz der Verwaltung zu steigern, hilft nur eine externe Überprüfung. Denn die intern lösbaren Probleme wurden bereits bei der letzten Finanzkrise gelöst. Zudem müssen die wichtigen Verträge neu verhandelt werden, zum Beispiel der Univertrag mit Basel-Stadt. Das Baselbiet muss ferner an seiner Standortattraktivität arbeiten. Die Verkehrsinfrastruktur muss erweitert werden; nach dem Volks-Nein zum Autobahnausbau muss der Kanton nun selber ran. Ausserdem müssen die Steuern gesenkt werden, denn die Besteuerung im Baselbiet ist unerträglich.
Sie haben sich stark für die Verbesserung der Strasseninfrastruktur im Oberbaselbiet eingesetzt. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?
Jein. Es ist mir zwar gelungen, die Verkehrsüberlastung im Ergolztal auf die politische Agenda zu setzen, aber das Thema wurde nicht wirklich als Problem erkannt. Der zuständige Regierungsrat Isaac Reber schiebt das Thema auf die lange Bank. Bis heute wurden keine Massnahmen ergriffen. Dies, obwohl sich die Situation weiter verschärft hat: Zu Stosszeiten stauen sich die Autos heute von Ormalingen bis zum Chienbergtunnel – und darüber hinaus.
Wird es jetzt politisch ruhig um Sie?
Nein. Ich engagiere mich zum Beispiel im Komitee der BLKB-Initiative, die vergangene Woche lanciert wurde. Die Volksinitiative will erreichen, dass sich die Basellandschaftliche Kantonalbank in ihrer Tätigkeit wieder auf ihr Kerngeschäft konzentriert – dies mit Fokus auf unsere Region. Wir haben bereits viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung und der Wirtschaft erhalten. Ausserdem bleibe ich Präsident der Steuerliga.
Nachfolgerin kommt aus Buus
je. Nadine Jermann, Gemeindepräsidentin von Buus, rückt für Stefan Degen in den Landrat nach. Sie erzielte bei den Landratswahlen 2023 hinter Degen das beste Resultat der FDP-Kandidierenden im Wahlkreis Gelterkinden. Jermann bestätigt auf Anfrage, dass sie Landrätin werden will. Vor einem Monat wurde Jermann bereits zur Präsidentin des Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden gewählt. Damit haben die Gemeinden künftig eine direkte Stimme im Kantonsparlament.