«Das Oberbaselbiet ist stärker betroffen»
01.11.2024 Bezirk Liestal, Auto, BaselbietOb in Thürnen, Sissach, Itingen oder zuletzt Lausen und Anwil – Diebstähle, begangen von Marokkanern und Algeriern, nehmen zu. Allein seit Anfang September hat die Baselbieter Polizei 14 Fälle gemeldet. Laut Reto Zuber, dem Chef der Sicherheitspolizei, werden Maghrebiner ...
Ob in Thürnen, Sissach, Itingen oder zuletzt Lausen und Anwil – Diebstähle, begangen von Marokkanern und Algeriern, nehmen zu. Allein seit Anfang September hat die Baselbieter Polizei 14 Fälle gemeldet. Laut Reto Zuber, dem Chef der Sicherheitspolizei, werden Maghrebiner häufiger erwischt als andere Einbrecher.
Janis Erne
Herr Zuber, die Einbrüche durch Nordafrikaner häufen sich. Wie ordnen Sie das ein?
Reto Zuber: Diebstähle aus Fahrzeugen und Einschleichdiebstähle, die vorwiegend von Personen aus Maghreb-Staaten verübt werden, haben in den vergangenen Wochen tatsächlich wieder zugenommen. Bei Einbrüchen in Privat- und Firmenliegenschaften sprechen wir jedoch von einem Phänomen, bei dem die Täter überwiegend aus verschiedenen Regionen Europas stammen.
Das überrascht etwas, denn seit Wochen meldet die Polizei fast ausschliesslich Fälle mit Tätern aus Marokko, Algerien und Tunesien.
Das liegt daran, dass wir bei diesen Delikten eine hohe Aufklärungsquote haben. Die daraus resultierenden Medienmitteilungen erwecken durchaus den Eindruck, dass sich aktuell keine anderen Delikte ereignen.
Täter aus Maghreb-Staaten werden also deutlich häufiger gefasst als andere Einbrecher?
Ja, das ist korrekt. Bei diesen Delikten erhalten wir überdurchschnittlich viele Meldungen aus der Bevölkerung.
Rund die Hälfte der Einschleichdiebstähle seit September ereignete sich im Oberbaselbiet. Gibt es dafür eine Erklärung?
Einschleichdiebstähle treten im gesamten Kanton auf, wobei es gelegentlich lokale Häufungen gibt. Zwar ist das Oberbaselbiet zurzeit stärker betroffen, aber von einem Hotspot kann nicht die Rede sein.
Wo leben die Täter?
Bei Einschleichdiebstählen und Diebstählen aus Autos kommen die Täter sowohl aus der Nordwestschweiz als auch von etwas weiter entfernten Orten. Sie bewegen sich häufig entlang von Zuglinien, etwa Basel–Luzern oder Olten–Bern, und nutzen den öffentlichen Verkehr für ihre Diebestouren. Täter aus dem grenznahen Ausland sind bei diesen Delikten eher selten.
Nehmen auch die «klassischen» Einbrüche zu – die, wie Sie gesagt haben, in der Regel nicht von Maghrebinern verübt werden?
Ja, auch bei den sogenannten Einbruchdiebstählen gibt es eine Zunahme, insbesondere bei Firmenund Privatliegenschaften. Ein Teil der Zunahme ist auf die Jahreszeit zurückzuführen: Durch die früher einsetzende Dunkelheit können Einbrecher leichter feststellen, ob sich jemand im Gebäude befindet.
Muss die Sicherheitspolizei angesichts steigender Einbruchszahlen Ressourcen einsetzen, die eigentlich für andere Zwecke vorgesehen sind?
Die Hauptaufgabe der Polizei ist, die Sicherheit im Kanton zu gewährleisten. Auf neue Phänomene, wie die Zunahme der Einbruch- und Einschleichdiebstähle, müssen wir stets flexibel reagieren können. Denn: Jeder Einbruch ist einer zu viel.
Die Solothurner Polizei warnte kürzlich vor vermehrten Einbrüchen. Kritisiert wird, dass der Datenaustausch zwischen den Kantonen unzureichend sei. Wie läuft die Zusammenarbeit ab?
Das Thema wird seit Längerem in der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren oder KKJPD diskutiert. Die Polizeikorps arbeiten gut zusammen, aber der Austausch von Daten über verdächtige Personen ist umständlich und nicht mehr zeitgemäss. Insbesondere bei der Bekämpfung des Terrorismus oder der grenzüberschreitenden Schwerstkriminalität kann dies zu Verzögerungen führen. Der politische Prozess zur Verbesserung der Situation ist im Gang.
Was sind derzeit die grössten Herausforderungen für die Baselbieter Sicherheitspolizei, abgesehen von den Einbrüchen?
Wir bewegen uns stets in zwei Hauptfeldern: Prävention und Repression. Durch unsere Präsenz im öffentlichen Raum versuchen wir beides abzudecken. Es wird jedoch immer schwieriger, angemessen präsent zu sein. Die Aufgaben und der administrative Aufwand nehmen zu.
Was bedeutet das für die Polizeiarbeit?
Wir wollen die Sicherheit im Baselbiet gewährleisten und setzen dafür, wenn nötig, Prioritäten. Aktuell gehören Einbruch- und Einschleichdiebstähle zu unseren Schwerpunkten. Dafür werden andere Bereiche in präventiver Hinsicht vorübergehend etwas zurückhaltender bearbeitet.
Was sind weitere Schwerpunkte?
Die Sicherheitspolizei geht Notrufen nach, bearbeitet Verkehrsunfälle und führt lokale Aktionen wie zum Beispiel Schulanfangskampagnen oder Lichtkontrollen bei Zweirädern durch. Sie ist über das Postennetz und die Patrouillendienste Ansprechpartnerin der Bevölkerung. Zudem bearbeiten wir Aufträge inner- und ausserkantonaler Partner. Und wir unterstützen immer wieder andere Organisationen. All dies wird durch die Sicherheitspolizei nach wie vor abgedeckt. Von Schwerpunkten sprechen wir nur bei Häufungen spezifischer Delikte, wie aktuell zum Beispiel von Einbruchdiebstählen.
Der Landrat will den Personalbestand der Polizei erhöhen. Angesichts der angespannten Finanzlage des Kantons soll die Polizei nächstes Jahr aber nur 5 der geforderten 15 Stellen erhalten, 3 davon für die Sicherheitspolizei. Ist das ausreichend?
Der Sicherheitsbericht sieht für das nächste Jahr zwar eine andere Zahl vor, aber ich bin froh um den Entscheid. Ich verstehe dies auch als Wertschätzung gegenüber der Polizei. Der Stellenausbau ist ein starkes Zeichen und nicht selbstverständlich, auch weil sich der Kanton in einer finanziell schwierigen Zeit befindet. Der Ausbau umfasst 116 Stellen und soll über die nächsten acht Jahre erfolgen. Die Aufstockung um fünf Stellen im Jahr 2025 kann später also kompensiert werden. Eine kleine Verzögerung können wir verkraften.
SVP-Landrätin Anita Biedert beantragt in der Budgetdebatte, dass das Polizeipersonal schneller aufgestockt wird. Dagegen hätten Sie nichts einzuwenden, oder?
Nein, natürlich nicht. Die 15 Stellen, die wir für nächstes Jahr gewünscht haben, sind wohlüberlegt. Sollten wir sie doch noch in vollem Umfang erhalten, wäre das erfreulich. Der Besetzungsprozess der Stellen ist zweifellos eine anspruchsvolle Aufgabe.
Können Sie das ausführen?
Der Stellenausbau kann nur schrittweise erfolgen, da die Infrastruktur und das Backoffice entsprechend angepasst werden müssen sowie qualifiziertes Personal verfügbar sein muss. Der Markt gibt nicht unendlich viele geeignete Personen her, auch weil wir laufend bestehende Stellen neu besetzen müssen – sei es wegen Pensionierungen oder aus anderen Gründen. Realistisch gesehen, kann die Polizei pro Jahr 15 bis 20 zusätzliche neue Stellen schaffen.
Wie gestaltet sich die Personalsuche zurzeit?
Wir können unseren Bedarf decken und haben nahezu Vollbestand. Derzeit gibt es genügend Bewerbungen auf unsere Stellen. Gleichzeitig schreiben wir bestimmte Stellen auch für Zivilpersonen aus, was das Bewerberpotenzial erhöht. Denn nicht alle Stellen erfordern eine Polizeiausbildung.
Beeinträchtigt das nicht die Qualität der Polizeiarbeit?
Nein. Zivile Mitarbeiter übernehmen keine klassischen Polizeiaufgaben wie Festnahmen oder Personenkontrollen. Sie bringen unterschiedliche Qualifikationen ein, werden entsprechen ausgebildet und erhöhen dadurch unsere Flexibilität. Sie leisten einen wertvollen Beitrag in allen Bereichen, in denen nicht zwingend polizeiliche Kompetenzen notwendig sind.
Bei einer kürzlichen Verhaftung in Sissach hat sich einer der Festgenommenen ruhig verhalten, während der andere Widerstand leistete und die Polizei beleidigte. Ist das üblich?
Leider ja. Der Respekt gegenüber Blaulichtorganisationen sinkt, und die Gewaltandrohung gegen Polizisten, Sanitäter und Feuerwehrleute nimmt zu. Dennoch setzen wir unsere Aufgaben professionell durch und bemühen uns um Deeskalation. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten diesbezüglich hervorragende Arbeit.
Zur Person
je. Reto Zuber hat verschiedene Positionen innerhalb der Baselbieter Polizei bekleidet und ist seit 2022 nicht nur Chef der Sicherheitspolizei, sondern auch Vizekommandant, also die Nummer zwei in der Hierarchie. Die Sicherheitspolizei mit rund 230 Mitarbeitenden ist zuständig für Verkehrsunfälle, Brände, andere Notfälle, Eigentumsund Vermögensdelikte sowie schwere Verbrechen. Zuber ist 56 Jahre alt und lebt im Oberbaselbiet.