Das Kleingedruckte!
08.07.2025 RegionReplik auf den Meinungsbeitrag «Bitte keine Fake-News zum Pandemieabkommen» von der Ständerätin Maya Graf in der «Volksstimme» vom 3. Juli, Seite 14
Thomas de Courten
Es ist eigentlich ein «Allgemäinplätz»: Wer ...
Replik auf den Meinungsbeitrag «Bitte keine Fake-News zum Pandemieabkommen» von der Ständerätin Maya Graf in der «Volksstimme» vom 3. Juli, Seite 14
Thomas de Courten
Es ist eigentlich ein «Allgemäinplätz»: Wer Verträge unterzeichnet, sollte vorher auch das Kleingedruckte und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lesen. Sonst kann es ein böses Erwachen geben.
Erschreckend ist, dass selbst höchste politische Mandatsträger bei bedeutenden Vertragsgeschäften nicht einmal mehr die Verträge selbst, geschweige denn das Kleingedruckte lesen mögen und bedenken- und gedankenlos auch internationale Abkommen abschliessen – mit verheerenden Folgen für die Souveränität der Eidgenossenschaft. Kollegin Elisabeth Schneider- Schneiter beispielsweise findet es nicht einmal nötig, die gesamten 1800 Seiten der Botschaft zum EU-Unterwerfungsvertrag zu lesen; kundgetan hat sie dies auf der Plattform X. Alt Bundesrätin Viola Amherd hat den Kampfjet-Kaufvertrag offenbar auch nicht gelesen.
Und nun hat auch Ständerätin Maya Graf das Abkommen zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der WHO nicht selbst gelesen, sondern sich von der Bundesverwaltung «informieren» lassen. Mit diesem Kenntnisstand wirft sie Landrat Peter Riebli, der sich kritisch zum Abkommen geäussert hat, «Fake-News» vor. Dabei müsste sie wissen, dass die IGV-Anpassungen Bestimmungen enthalten, die formell zwar keine unmittelbaren Rechtspflichten auszulösen scheinen, aber trotzdem mittelbar zu Handlungspflich- ten oder zu Einschränkung der Handlungsfreiheit der Eidgenossenschaft führen. Einerseits verpflichtet Art. 4 Abs. 2 unseres aktuellen Epidemiengesetzes den Bundesrat dazu, Empfehlungen und Richtlinien der WHO zu befolgen. Dadurch können «Empfehlungen» der WHO jederzeit den Charakter einer De-facto-Rechtspflicht annehmen. Andererseits soll der WHO inskünftig die Informationshoheit über den Sachkenntnisstand in einem weit gefassten Pandemie-Zusammenhang formell bestätigt werden. Dadurch werden Entscheidungsträger der Schweiz im Gesundheitsbereich nicht mehr frei sein, ihre Entscheidungen unabhängig von den WHO-Vorgaben zu treffen.
Vor diesem Hintergrund müssen zentrale Regelungsbereiche der IGV dem sogenannten «Soft Law» zugerechnet wer- den, weil sie das Geschehen in der Schweiz präjudizieren, ohne dass der Souverän oder ein schweizerisches Gericht hierzu etwas sagen könnte. Dazu gehören u.a. die Definitionshoheit über die pandemische Notlage (Art. 1, 12 IGV), die Ausrufung eines internationalen Gesundheitsnotstands (Art. 12), die relevanten Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (Art. 13), die zeitlich befristeten und die ständigen Empfehlungen der WHO (Art. 15 und 16), Bestimmungen zur Impfbescheinigung (Art. 36) oder auch die Festlegung eines koordinierten Finanzierungsmechanismus. Es sind eben nicht nur «rein technische» Anpassungen der IGV, wie die Bundesverwaltung immer wieder behauptet, um uns Sand in die Augen zu streuen.
Die IGV beschränken den Handlungsspielraum der Eidgenossenschaft künftig massgebend. Dass sich Bundesrat und Parlament nun auch noch weigern, die IGV öffentlich im Parlamentsplenum zu debattieren, ist eigentlich ein Skandal. Die Mehrheit der Parlamentarier und Verantwortungsträger lässt sich lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Kommissionszimmern «informieren», selbstverständlich unter Einhaltung des Kommissionsgeheimnisses, und schweigt zu den Konsequenzen der neuen IGV wie zu jenen noch kommender WHO-Abkommen. Das ist bequem – und beschämend. Denn der Bundesrat hat bereits entschieden, das neue Vertragswerk für die Schweiz zu übernehmen – wieder ohne das Kleingedruckte gelesen zu haben.
Thomas de Courten (Rünenberg) ist SVP-Nationalrat.