«Das ist für mich eine leere Drohung»
03.10.2025 Politik, SchweizMit der «Initiative für eine Zukunft» wollen die Jungsozialisten «Superreiche» stärker besteuern. Die Einnahmen daraus sollen für den Klimaschutz eingesetzt werden. Die Baselbieter Juso-Präsidentin Janine Oberli erklärt, weshalb sie keine Angst hat, ...
Mit der «Initiative für eine Zukunft» wollen die Jungsozialisten «Superreiche» stärker besteuern. Die Einnahmen daraus sollen für den Klimaschutz eingesetzt werden. Die Baselbieter Juso-Präsidentin Janine Oberli erklärt, weshalb sie keine Angst hat, dass Reiche wegziehen könnten.
Tobias Gfeller
50 Prozent Steuern auf Erbschaften ab 50 Millionen Franken – Frau Oberli, geht es Ihnen nur um die Provokation oder glauben Sie wirklich daran, dass die Initiative eine Chance hat?
Janine Oberli: Natürlich geht es uns auch darum, dass eine gesellschaftliche Debatte ausgelöst wird – darüber, wer Schuld trägt an der Klimakrise und wer davon profitiert und deshalb zahlen soll. Das sind ganz klar die «Superreichen». Der Freibetrag ist mit 50 Millionen Franken sehr hoch angesetzt. Deshalb finde ich es legitim, dass extrem hohe Erbschaften mit 50 Prozent besteuert werden. Es betrifft nur «Superreiche». Es gibt keinen legitimen Grund, weshalb sie so viel Geld haben sollen, während sie das Klima zerstören.
Wer ist für die Klimakrise verantwortlich? Wirklich nur die «Superreichen»?
Ja, zu einem grossen Teil. Mit ihren Investitionen, mit dem Kapital, das sie einsetzen, schädigen sie das Klima. Sie schaden dem Klima auch mit ihrem privaten Lifestyle, mit Privatjets und Superyachten. In den vergangenen Jahren ist beim Mittelstand und bei Menschen mit tiefen Einkommen der CO2-Ausstoss zurückgegangen, während der Ausstoss bei den «Superreichen» deutlich zugenommen hat. Es ist offensichtlich, wo sich der grössere Hebel befindet, um beim Klimaschutz anzusetzen.
Die Juso nehmen «Normalsterbliche» aus der Schuld heraus und schieben alles den «Superreichen» in die Schuhe. Ist das nicht eine zu einfache Rechnung?
Es ist eine einfache Rechnung, aber es ist die richtige. Die Bürgerlichen haben versucht, einen Klimaschutz mit Eigenverantwortung zu fördern. Dies bewirkte aber relativ wenig, wenn gleichzeitig durch die Investitionen der «Superreichen» extrem viele Emissionen ausgestossen werden. Es ist richtig, dass nach dem Verursacherprinzip gehandelt und der Klimaschutz sozialgerecht finanziert wird. Es betrifft ja ganz wenige Personen, was zeigt, wie das Vermögen in der Schweiz auf ein paar wenige konzentriert ist. Trotzdem würde die neue Steuer viele Einnahmen bringen, die für den Klimaschutz eingesetzt werden könnten.
Die Hälfte einer Erbschaft müsste an den Staat abgegeben werden. Das klingt nach einem
Fantasiebetrag.
Diese Aussage stimmt so nicht ganz. Erbschaften werden ab einem Freibetrag von 50 Millionen besteuert. Deshalb wird auch nicht das ganze Erbe zu 50 Prozent besteuert, sondern nur alles über dem Freibetrag. Ein Beispiel: Wenn eine Person ein Erbe von 60 Millionen erhält, müssten mit unserer Initiative 5 Millionen Franken abgeliefert werden. Zudem muss man bedenken, dass jene Menschen, die so viel Geld erben würden, nicht durch Arbeit reich werden. Die arbeitende Bevölkerung hat diese Vermögen mit erarbeitet, sieht davon aber nie etwas. Deshalb soll ein Teil dieser Vermögen wieder zurück an die Bevölkerung gehen.
Viele Stimmen warnen davor, dass Reiche aus der Schweiz wegziehen könnten. Dadurch könnten die Steuereinnahmen sogar sinken.
Das ist die klassische Drohung – für mich ist es aber eine leere. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Erbschaftssteuern zu Mehreinnahmen führen. Unsere Initiative enthält Massnahmen, mit denen Kapitalflucht verhindert werden könnte. Es gefährdet unsere Demokratie, wenn wenige Menschen aufgrund ihres Kapitals so viel Macht haben, um ganze Abstimmungen beeinflussen zu können.
Kritisiert wird, dass Firmenübergaben gefährdet würden. Besteht nicht die Gefahr, dass Arbeitsplätze verloren gehen, wenn Unternehmen durch die hohe Erbschaftssteuer finanziell in Schieflage geraten?
Es sind extrem grosse Beträge und deshalb betrifft es nur grössere Unternehmen, bei denen genügend Kapital vorhanden ist. Ich glaube nicht, dass durch die Erbschaftssteuer Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Das ist reine Angstmacherei.
Die SP Baselland hat auf kantonaler Ebene eine Initiative für eine Erbschaftssteuer mit einem Freibetrag von 2 Millionen Franken und deutlich tieferen Steuersätzen lanciert. Wenn Sie wählen müssten, welche Vorlage würden Sie bevorzugen?
Ich bin selber auch im Initiativkomitee für die kantonale Erbschaftssteuer. Trotzdem würde ich mich für die nationale Erbschaftssteuer der Juso entscheiden, weil es sinnvoller wäre, eine schweizweite Erbschaftssteuer ohne Unterschiede zwischen den Kantonen zu haben. Auch sind die Einnahmen für den Klimaschutz zweckgebunden. Nichtsdestotrotz finde ich die Initiative der SP Baselland sehr positiv. Ich begrüsse es, dass man in den Kantonen aktiv wird, solange es auf nationaler Ebene keine Erbschaftssteuer gibt. Ich persönlich hätte für die kantonale Erbschaftssteuer die Sätze für grosse Erbschaften höher als bei 12 Prozent angesetzt.
Wieso liegt Ihnen das Thema Erbschaftssteuer so sehr am Herzen?
Die Erbschaftssteuer vereint mehrere Themen, die mir persönlich sehr wichtig sind. Es setzt beim Grundsatz an, worauf sehr viele Ungleichheiten aufgebaut sind. Ich möchte die Lebenssituation von möglichst vielen Menschen verbessern. Ich begrüsse eine Erbschaftssteuer, weil sie auch das kapitalistische System angreift.
Abstimmung am 30. November
vs. Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» ist eine Idee der Juso Schweiz zur Änderung der Bundesverfassung. Das im Februar 2024 eingereichte Volksbegehren fordert eine Besteuerung von 50 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen von natürlichen Personen über einem Freibetrag von 50 Millionen Franken. Die Einnahmen sollen zur Bewältigung des Klimawandels verwendet werden. Die Volksabstimmung findet am 30. November 2025 statt.