Das Date
16.12.2025 PersönlichDen traurigen Rekord hält noch immer ein ehemaliger Rektor. Gleich zweimal in Folge habe ich ihn versetzt. Beim zweiten Mal habe ich das Mittagessen extra dick, fett und rot in meine Agenda eingetragen. Sie stand damals stets aufgeschlagen auf meinem Pult. Aber all das nützt nichts, ...
Den traurigen Rekord hält noch immer ein ehemaliger Rektor. Gleich zweimal in Folge habe ich ihn versetzt. Beim zweiten Mal habe ich das Mittagessen extra dick, fett und rot in meine Agenda eingetragen. Sie stand damals stets aufgeschlagen auf meinem Pult. Aber all das nützt nichts, wenn einem ein Artikel gerade so schön aus dem Fingern flutscht (Neuhochdeutsch: im Flow). Da erträgt es keine Ablenkung, bis der Einsame anruft. Versetzt habe ich Leute auch schon, weil ein Termin im Kopf anders abgespeichert war als auf dem Papier oder aber weil er in der Überzeugung, ihn schon nicht zu vergessen, erst gar nicht eingetragen wurde. Grosse Gefahr lauert auch, wenn ich in der Eile auf meinem Sacktelefon den falschen Monat erwische.
Wie kürzlich an einem Freitag: Meine Frau, die eine innige Beziehung zu ihrer Papieragenda pflegt, mahnt mich am Morgen, dass wir am Abend frühzeitig losfahren wollen, und will zu ihrem ersten Termin des Tages huschen. «Wohin?», lag es mir bereits auf der Zunge, da sich meine Agenda an diesem Tag völlig jungfräulich ausnahm. Doch diesen Triumph wollte ich ihr nicht gönnen und pflichtete ihr mit einem Pokerface bei, ja, man wisse nie.
Dann warf ich mein Räderwerk an. Wie immer häufen sich gegen das Jahresende die Termine: Noch schnell ein Essen mit Freunden bei ihnen oder in einem Restaurant? Obwohl wir in dieser Zeit bei uns verschiedentlich Gäste erwarten, kann diese Variante aus zwei Gründen ausgeschlossen werden. Das Verb «losfahren» lässt auf eine Ortsverschiebung schliessen, und zudem ist von dieser latenten Grundnervosität, die bei Heimspielen bei uns längst vorherrschen würde, nichts auszumachen. Das Wort klingt eher nach Auto als nach öV, und «frühzeitig» könnte auf abendlichen Stau und damit auf die Stadt oder die Agglomeration hinweisen, sagt der Watson in mir.
Richtig: Dort sind wir demnächst mal zu einem Znacht sowie zu einem Hochzeitsapéro eingeladen. Doch beide Anläse würden erst kurz vor Weihnachten stattfinden, bin ich mir (fast) sicher, und finde sie tatsächlich fein säuberlich in meiner Agenda. Unsere Klassikkonzerte werden jeweils an Dienstagen und zudem im nicht allzu fernen Liestal gegeben. Sie fallen auch ausser Betracht. Ein anstehender Vereinsanlass von ihr oder mir «mit Anhang» fällt mir auch nicht ein.
Kaum ist meine Frau wieder zu Hause, frage ich sie betont beiläufig, was ich anziehen soll. Doch ihre Antwort, «einfach etwas, das passt», erleuchtet mich nicht. Erst beim nächsten Versuch zeichnet sich des Rätsels Lösung ab. Auf die Bemerkung beim Einsteigen, dass bei dieser Kälte hoffentlich ausreichend Parkplätze in der Nähe vorhanden seien, entgegnet sie: «Ja, das hat es beim Kuspo immer, wenn wir frühzeitig fahren.»
Richtig. Da war doch einmal etwas mit einer Preisverleihung in Pratteln. Ich legte mir bereits die erste konkretere Bemerkung zurecht, als sie mir ein Faltblatt in die Hand drückte: «Der Flyer zum Konzert der ‹Silverhorns› in Münchenstein.»
Jürg Gohl ist Autor «Volksstimme» und Kulturpreisträger des Kantons Baselland 2025

