«D’ Manne chömed net guet wäg»
12.12.2025 Bezirk LiestalKabarettistin Lisa Christ las in der Kantonsbibliothek aus ihrem neuen Buch
Lisa Christs erste beiden Bühnenprogramme «Ich brauche neue Schuhe» und «LOVE*» sind als Buch erschienen. Die teils in Oltner Dialekt, teils auf Hochdeutsch verfassten Texte sind ...
Kabarettistin Lisa Christ las in der Kantonsbibliothek aus ihrem neuen Buch
Lisa Christs erste beiden Bühnenprogramme «Ich brauche neue Schuhe» und «LOVE*» sind als Buch erschienen. Die teils in Oltner Dialekt, teils auf Hochdeutsch verfassten Texte sind satirisch, nachdenklich, bissig. Das Patriarchat wird zur Kasse gebeten.
Marianne Ingold
«Wie war das nochmals? Da war doch diese Frau, die Karriere machen, aber gleichzeitig Kinder haben wollte. Sie wollte nach New York, oder? Und das ging dann nicht wegen der Familie. Das gab mir schon irgendwie zu denken.» – «Ich glaube, sie war Anwältin. Kann man das nicht irgendwo nachlesen?» So oder ähnlich verliefen wohl viele Unterhaltungen nach Lisa Christs ersten beiden Bühnenprogrammen. Nun gibt es die Möglichkeit zum Nachlesen: Dieses Jahr ist das Buch «Wir tun nur so» mit den Texten der Stücke «Ich brauche neue Schuhe» (2019) und «LOVE*» (2022) erschienen.
Am Dienstagabend las Lisa Christ in der Kantonsbibliothek daraus vor und nahm dabei das zahlreich erschienene Publikum mit auf einen Parcours von Adam und Eva über Liebes-Werbung, Balkongespräche, Verlobungsfeiern, Fitnesscenter und Omas Küche bis in die Kirche: «Die lässt einen einfach nicht in Ruhe», konstatierte Christ, bevor sie zum selbst verfassten Gebet die Hände faltete: «Gott, gib mir die Kraft, ihn zu lieben und zu ehren (…), wenn er die Kühlschranktür offen lässt, das Wasser nicht abstellt, den Klodeckel nicht zumacht und im Haushalt nichts tut.»
«Wir tun nur so» ist unter anderem eine Abrechnung mit heterosexuellen Beziehungen und enthält zahlreiche Anekdoten aus Christs eigenem Leben. «E befürchte, d’ Manne chömed net guet wäg», kündigte sie an. Ihre Texte sind immer feministisch oder politisch oder beides. Einige Männer hatten sich trotzdem ins Publikum gewagt und einer stellte sogar eine Frage. Weshalb diese kritische Sicht auf die andere Hälfte der Menschheit? Lisa Christs satirischer Blick richtet sich auf ein strukturelles Problem: Weisse Männer würden eben am meisten vom Patriarchat als geltender Gesellschaftsordnung profitieren und hätten deshalb die geringste Motivation, daran etwas zu ändern – das gelte übrigens auch in progressiven Kreisen, sagte Christ an der Veranstaltung in Liestal.
Ihr erstes Bühnenprogramm schrieb Lisa Christ gleich nach ihrem Masterabschluss in Vermittlung von Kunst und Design. Im Praktikum hatte sie gemerkt, dass sie nicht unterrichten wollte: «Warum also nicht das zum Beruf machen, was ich ohnehin schon machte?» Als sie mit 16 Jahren zum ersten Mal an einem Poetry Slam auftrat, sei sie «sehr, sehr hässig» gewesen auf die herrschenden Verhältnisse, erzählte sie: «I ha gar nie welle luschtig si.» Das Publikum habe trotzdem immer gelacht, und so fing sie an, auch absichtlich Witze zu machen. Heute ist die 34-Jährige eine arrivierte Spoken-Word-Künstlerin, Satirikerin und Kabarettistin.
Spazieren und schlafen
Aktuell ist Christ mit ihrem neuen Soloprogramm «Ideal» auf Tour, das sie vergangenen Sommer schrieb. Ihr Arbeitsprozess bei der Erarbeitung eines Bühnenstücks besteht zu 80 Prozent aus Recherche, also Lesen, Dokumentationen anschauen, Material sammeln. Dann kommt eine Phase, in der sie viel nach draussen geht, spaziert, schläft: «Es muss sich alles zuerst setzen.» Erst dann entstehen die Texte. Das Schreiben macht nur etwa 10 Prozent ihrer Arbeit aus.
In ihrem Kopf sei immer sehr viel los und sie könne nie lange dasselbe machen, erzählte Christ. Wenn sie wie diesen Herbst häufig mit demselben Programm auftrete, brauche sie danach wieder Abwechslung. Vor einigen Jahren erhielt sie eine ADHS-Diagnose, die vieles in ihrem Leben erklärt habe. Etwas, das sie wieder ins Jetzt holt, ist der satirische Wochenrückblick «Zytlupe» fürs Radio. Auch mit Hündin Paula, die ihr während der ganzen Lesung ungerührt zu Füssen lag, kann sie sich entspannen.
Dieses Jahr wurde Lisa Christ mit dem «Salzburger Stier» geehrt, dem renommiertesten Kleinkunstpreis im deutschsprachigen Raum. Auf diesen Lorbeeren will sie sich aber nicht ausruhen. Zwar plant sie noch kein neues Programm, sondern will 2026 erst einmal die Früchte ihrer diesjährigen Arbeit ernten, doch «Ideal» soll auf Hochdeutsch übersetzt werden, sodass sie damit auch in Deutschland auftreten kann, und gerne würde sie auch mehr Lesungen machen.
Zuerst aber kommen die Festtage oder – in Lisa Christs Worten – die «Fresstage». Erst wenn man sich «durch die ganzen Teller inklusive Wein, Kaffee und Dessert» geschlemmt habe, werde einem klar, «dass die Welt da draussen nur eine dumme Illusion ist, dass die Muskeln des Menschen noch lange nicht die Grösse seines Herzens ausmachen und dass ein geiles Leben einfach ein bisschen fett sein muss».

