Bürgerloser Bürgerrat in der Kritik
31.12.2024 Bezirk Waldenburg, WaldenburgDer Antrag, dem Bürgerrat eine Bürgerkommission zur Seite zu stellen, wurde an der vergangenen Bürgergemeindeversammlung erheblich erklärt. Brisant daran: Der Antrag wurde von der abgewählten Präsidentin Andrea Kaufmann gestellt.
Elmar ...
Der Antrag, dem Bürgerrat eine Bürgerkommission zur Seite zu stellen, wurde an der vergangenen Bürgergemeindeversammlung erheblich erklärt. Brisant daran: Der Antrag wurde von der abgewählten Präsidentin Andrea Kaufmann gestellt.
Elmar Gächter
Andrea Kaufmann, die bei den Wahlen im März ihr Mandat in der Waldenburger Exekutive und damit auch ihr Amt als Präsidentin der Einwohnerund Bürgergemeinde verloren hat, stellte an der Bürgergemeindeversammlung vom November «im Namen der Bürgerinnen und Bürger von Waldenburg» den Antrag, eine Bürgerkommission einzuführen. Diese soll künftig die Geschäfte der Bürgergemeinde Waldenburg beraten, mitgestalten und im Sinne der Bürgerschaft ausführen.
Laut dem kantonalen Gemeindegesetz kann die Bürgergemeinde eine Bürgerkommission bestellen, wobei Aufgaben und Kompetenzen in der Gemeindeordnung festgelegt werden. Die Versammlung, an der 16 stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger teilnahmen, hat den Antrag mit 10 Ja- gegen 2 Nein-Stimmen erheblich erklärt.
Seit dem Ausscheiden von Andrea Kaufmann setzt sich der fünfköpfige Gemeinderat, der als Bürgerrat auch die Interessen der Bürgergemeinde vertritt, ausschliesslich aus Nichtbürgerinnen und Nichtbürgern zusammen. Dies gehe, so Kaufmann in ihrem Antrag, unter anderem einher mit einem Vertrauensverlust. «Viele Bürgerinnen und Bürger haben kein Vertrauen in den aktuellen Gemeinderat hinsichtlich der verantwortungsvollen Verwaltung der Angelegenheiten und den Finanzen der Bürgergemeinde», schreibt sie. Die Bürger müssten wieder aktiv an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Eine Bürgerkommission könne gezielter auf Anliegen eingehen und Lösungen erarbeiten, bei denen die Interessen der Bürgerschaft stets im Mittelpunkt stünden.
Es gelte, die direkte Kommunikation zwischen den Bürgern und der Verwaltung zu erleichtern sowie das Engagement und die Identifikation der Bürger zu erhöhen. Dies könne den Zusammenhalt in der Gemeinde fördern, und ausserdem stelle eine Bürgerkommission sicher, dass langfristige Entscheidungen im Sinn der nächsten Generationen getroffen würden.
Vertrauensverlust?
Auf die Frage nach einem Beispiel für den angesprochenen Vertrauensverlust, weist Kaufmann auf die Bürgergemeindeversammlung hin. Statt wie im Gemeindegesetz vorgeschrieben konkret zum Antrag pro oder contra Stellung zu nehmen, schweige der Gemeinderat mit der Begründung, kein Mitglied des Gemeinderats sei Bürger. «Es kommt mir vor, als wäre das Thema dem Gremium einerlei», so Andrea Kaufmann. Ihr und verschiedenen Mitbürgern gehe es darum, die Angelegenheiten der Bürgergemeinde wieder stärker zu berücksichtigen. Sie erwähnt Projekte wie einen neuen Anlauf im oberen Tor ein Heimatkundemuseum zu errichten oder Ideen für die Sanierung des Schlosses anzugehen. Den Anliegen der Bürgergemeinde werde generell weniger Priorität eingeräumt als früher. Dies zeige sich auch darin, dass es für die Bürgergemeinde keinen Finanzplan gebe.
Wenn sich im Gemeinderat niemand mehr für die Aspekte der Bürgergemeinde einsetze, könne man auf den Gedanken kommen, sie aufzuheben und ganz in die Einwohnergemeinde zu integrieren, so die Befürchtung von Andrea Kaufmann. Welche Kompetenzen der Bürgerkommission übertragen werden sollen, lässt sie offen. Es sei Sache des Gemeinderats entsprechende Vorschläge zu machen. «Ich würde es begrüssen, wenn wir zusammen mit dem Gemeinderat entsprechende Regelungen erarbeiten könnten, erwarten aber, dass er auf uns zukommt», sagt Kaufmann, und weiter: «Eigentlich sollte der Gemeinderat dankbar sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger aktiv engagieren und sich einbringen wollen, dies könnte ihn bei den Bürgergeschäften zeitlich entlasten.»
Andrea Sulzer, die Gemeindepräsidentin, hält auf Anfrage fest: «Der Gemeinderat hatte sich in der Meinungsbildung zurückgenommen und in der Einladung zur Bürgergemeindeversammlung keinen Antrag gestellt. Das war jedoch eine Fehlüberlegung unseres jungen Gremiums, da dies nach Gesetz nicht möglich ist. Deshalb haben wir an der Versammlung den Antrag zu Erheblicherklärung vorgelegt.»
Nutzen erkannt
Der Gemeinderat sei zudem überrascht gewesen, in der Begründung des Antrags zu lesen, dass ein Vertrauensverlust bestehe. Seit Beginn der neuen Legislatur im Sommer 2024 sei dem Gemeinde- und Bürgerrat nichts dergleichen mitgeteilt worden und es habe auch keine Themen gegeben, die darauf hingewiesen hätten. Der Gemeinderat verstehe sich auch als Bürgerrat und mache in der Themenbehandlung keinen Unterschied. Für Bürgergemeinden sei zudem die Erstellung eines Finanzplans nicht vorgesehen, insbesondere, weil grössere Erträge wie Steuern fehlten. «Der Gemeinde- und Bürgerrat sieht jedoch den Nutzen einer Bürgerkommission und freut sich, dass sich gemäss der Antragstellerin auch junge Bürgerinnen und Bürger gerne einbringen möchten», sagt Andrea Sulzer weiter. Es stünden grössere Projekte an wie der Unterhalt und die Sanierung des Schlosses, und da könne sie sich die Unterstützung durch eine Bürgerkommission gut vorstellen.
Der Gemeinderat hat nun sechs Monate Zeit eine Vorlage für die Anpassung der Gemeindeordnung auszuarbeiten. Laut Andrea Sulzer soll diese im Juni des kommenden Jahres vorgelegt werden. Das abschliessende Wort haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne.