Blockieren, löschen oder melden?
12.09.2025 BaselbietSo moderieren die Behörden Kommentare in den Sozialen Medien
Baselbieter Behörden stehen auf ihren Social-Media-Kanälen täglich vor der Frage: Wo endet die freie Meinungsäusserung und wann ist ein Kommentar so problematisch, dass er verborgen, gelöscht oder ...
So moderieren die Behörden Kommentare in den Sozialen Medien
Baselbieter Behörden stehen auf ihren Social-Media-Kanälen täglich vor der Frage: Wo endet die freie Meinungsäusserung und wann ist ein Kommentar so problematisch, dass er verborgen, gelöscht oder der Verfasser blockiert werden muss? Die Moderation ist geregelt, es gibt aber Grauzonen.
Melanie Frei
Öffentliche Stellen des Kantons haben täglich mit Hunderten von Kommentaren auf ihren Social-Media-Kanälen zu tun. So auch die Baselbieter Polizei. Während die meisten Beiträge sachlich und respektvoll sind, kommt es zu vereinzelten Kommentaren, die problematische oder gar grenzwertige Inhalte haben. Diese stellen die Behörden vor Entscheidungen zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der digitalen Diskussionskultur.
Bei der Baselbieter Polizei kümmert sich ein Social-Media-Manager um die Betreuung der Kanäle. Bei diesen handelt es sich hauptsächlich um «Facebook» und «Instagram».
Andere Plattformen wie «LinkedIn» und «X» (formals «Twitter») werden selten bis gar nicht benützt.
Die Moderation der Kommentare gehört zu den Aufgaben eines Social-Media-Managers, der auch die Produktion von Beiträgen und organisatorischen Tätigkeiten übernimmt. «Wir kontrollieren die Kommentare nach Möglichkeit täglich. Aber wenn Beiträge am Wochenende kommentiert werden, ist das für uns eine Herausforderung. Sie werden nicht rund um die Uhr bewirtschaftet», erklärt Adrian Gaugler, Mediensprecher der Baselbieter Polizei. Ein Kommentar, der sonntags verfasst wird, kann also Stunden lang stehen bleiben, bevor er von den Verantwortlichen gesehen und bewertet wird.
Problematische Inhalte
Die Behörden gehen unterschiedlich mit kritischen Kommentaren um. Das mildeste Mittel ist das Verbergen von Kommentaren. Der Kommentar ist für den Verfasser noch sichtbar, für andere Nutzer aber verborgen. Bei schwereren Verstössen werden Kommentare komplett gelöscht, die Verfasser blockiert oder im Extremfall der Rechtsabteilung gemeldet.
Zu den schweren Verstössen zählen Kommentare, die unter anderem Aufruf zur Gewalt oder pornografische oder diskriminierende Inhalte enthalten (siehe Kasten).
«Verbergen tun wir grundsätzlich immer, wenn die Kommentare nicht der Netiquette entsprechen», erklärt Gaugler. Dabei sei jedoch wichtig zu unterscheiden: «Wenn sich jemand kritisch äussert, müssen wir das grundsätzlich stehen lassen. Hier gilt die Meinungsfreiheit.» Ein grosses «Aber» folgt: Die Herausforderung liege in der Abwägung zwischen berechtigter Kritik und unzulässigen Inhalten. Diese Art Kommentare bewegen sich in rechtlichen Graubereichen und müssen zuerst von der Rechtsabteilung bewertet werden. «Handelt es sich um ein Offizialdelikt, wird dieses entsprechend weitergemeldet», sagt Gaugler. Ein Offizialdelikt ist ein strafbarer Tatbestand, der von den Strafverfolgungsbehörden (zum Beispiel Staatsanwaltschaft oder Polizei) von Amtes wegen verfolgt werden muss, sobald sie davon Kenntnis erhalten. Das bedeutet, die Behörden sind verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten und den Sachverhalt zu untersuchen, unabhängig davon, ob das Opfer einen Strafantrag stellt oder dies wünscht.
Die Kommentarfunktion zu deaktivieren sei nur in speziellen Fällen in Ordnung: «Wir überlegen uns, bei gewissen Posts auf unseren Social-Media-Kanälen, wie zum Beispiel tödlichen Verkehrsmeldungen, die Kommentare auszuschalten», sagt Gaugler. Diese präventive Massnahme solle respektlosen, diskriminierenden oder verletzenden Kommentaren vorbeugen.
Selbstregulierung
Nic Kaufmann, zweiter Landschreiber und Regierungssprecher, beschreibt einen ähnlichen Ansatz: «Wir lassen relativ viel laufen – wenn damit keine Rechtsnormen verletzt werden. Gerade wenn Kritik eingebracht wird, wäre es falsch, diese zu löschen. Im Gegenteil: In solchen Fällen reagieren wir mit eigenen Kommentaren oder mit einer direkten Nachricht.» Wie bei der Baselbieter Polizei, werden die Kanäle des Kantons täglich auf problematische Kommentare kontrolliert. Darunter fallen unter anderem «Facebook», «Instagram», aber auch «Youtube» und «LinkedIn». Kantonsangestellte haben sich an den formulierten und öffentlichen Leitfaden der Regierung «Umgang mit Social Media» zu halten.
Der Kanton setzt ebenfalls auf das Verbergen problematischer Kommentare als ersten Schritt. «Der Kommentar ist also immer noch online, aber andere sehen ihn nicht», erklärt Kaufmann. Bei extremen Fällen erfolgen weitere rechtliche Abklärungen. Zu einer Anzeige sei es noch nie gekommen.
Interessant ist das Phänomen der Selbstregulierung in den Kommentarspalten. Sowohl die Polizei als auch der Kanton stellen fest, dass sich problematische Situationen manchmal von selbst entschärften, wenn andere Nutzer auf die Netiquette hinwiesen oder kritische Kommentare einordneten. «Manchmal merken dadurch die Kommentierenden, dass sie sich im Ton vergriffen haben», sagt Kaufmann.
Nutzerinnen und Nutzer, die regelmässig gegen die Netiquette verstossen, werden gesperrt. Die Baselbieter Polizei reagiert ausserdem nicht mit Antworten auf problematische Kommentare, um den Verfassern keine zusätzliche Aufmerksamkeit zu geben. Auch bei den Kantonskanälen wird dies ähnlich gehandhabt. Allerdings, merkt Kaufmann an, versuche man stets auf Fragen einzugehen: «Wir wollen möglichst alle Fragen beantworten und auf die Nutzerinnen und Nutzer eingehen.»
Was besagt die Netiquette des Bundes?
mef. Die Netiquette bezieht sich auf die Verhaltensregeln und Umgangsformen, die im Internet und bei der Nutzung digitaler Medien gelten sollen. Es ist eine Kombination aus den Begriffen «Netz» (für Internet) und «Etikette» und umfasst Prinzipien wie Respekt, Höflichkeit und Rücksichtnahme in der Online-Kommunikation. Die Netiquette des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements fordert von den Nutzern, freundlich und beim Thema zu bleiben. Sie sollen respektvoll miteinander diskutieren und andere Meinungen tolerieren. Kommentare können entfernt werden und justiziable Folgen nach sich ziehen, wenn sie zu Gewalt aufrufen, diskriminierende oder pornografische Inhalte enthalten oder die Gesundheit gefährden. Das gilt auch für kommerzielle Werbung, maschinell erzeugte Beiträge, themenfremde Inhalte oder Falschinformationen. Zudem müssen Kommentare in einer Landessprache, Schweizerdeutsch oder Englisch verfasst sein. Bei besonders gravierenden Verstössen können Nutzer für bis zu zwei Jahre blockiert werden.