Biber fühlt sich an der Ergolz wohl
17.05.2024 Bezirk Sissach, AnwilDer Nager ist inzwischen bis Ziefen und Anwil vorgedrungen
Biber verbreiten sich entlang der Ergolz prächtig und stauen bei den Talweihern sogar Mini-Weiher. Seit vergangenem Jahr ist er auch oberhalb von Ziefen heimisch.
Jürg Gohl
Vor 20 ...
Der Nager ist inzwischen bis Ziefen und Anwil vorgedrungen
Biber verbreiten sich entlang der Ergolz prächtig und stauen bei den Talweihern sogar Mini-Weiher. Seit vergangenem Jahr ist er auch oberhalb von Ziefen heimisch.
Jürg Gohl
Vor 20 Jahren werden in der Nähe der Ergolzmündung seine ersten Spuren auf Baselbieter Boden entdeckt. Danach arbeitet sich der Biber in kleinen Etappen den Fluss empor, überwindet den Wasserfall zwischen Liestal und Füllinsdorf, nistet sich in Lausen und danach in Sissach ein. Er errichtet in Gelterkinden bei den Warteckweihern und bei der Sagi in Rothenfluh seine Dämme. Seit zehn Jahren ist er in den Talweihern zwischen Rothenfluh und Anwil heimisch.
Während die Wiederansiedlung des einst ausgerotteten Bibers an der Birs und ihren Seitenbächen Lüssel und Lützel im Laufental nach einem Blitzstart ins Stocken geraten ist, gedeihen die Nager im Oberbaselbiet bestens. Die Sissacherin Astrid Schönenberger, die für Pro Natura Biberexkursionen durchführt, geht aktuell von bis zu 18 Revieren im Kanton aus. Davon sind die Hälfte Familienreviere, die jeweils von einer durchschnittlich fünfköpfigen Familie bewohnt werden.
Das ergibt 55 Exemplare dieser «faszinierenden Tiere». Dieses Attribut verwendet die Biber-Fachfrau nicht alleine. Kein Tier begeistere Exkursionsteilnehmende und Kinder so sehr wie der Biber, obschon er nachtaktiv ist, stellt sie fest und kann diese Begeisterung begründen: Er ist zugleich im Wald und im Wasser heimisch. Er fällt Bäume für Nahrung und Bauholz, baut Dämme und staut Gewässer, damit er seinen Bau unter Wasser erreichen kann. «Ein unglaublich intelligenter Baumeister und Landschaftsgestalter», schwärmt sie.
Von der Ergolz aus gelangte der Dauer-Bauer auch in Nebenarme wie den Eibach in Gelterkinden oder in das Rickenbächli, wo er bei den Warteckweihern den grössten Damm im Oberbaselbiet errichtete. Vor zwei Jahren wurde das Nagetier in Buus am Buuser Bach entdeckt, der allerdings nicht in die Ergolz mündet. Vor einem Jahr schliesslich wurde er zwischen Ziefen und Reigoldswil an der hinteren Frenke und damit erstmals in einem der beiden Frenkentäler gesichtet.
Abschussliste droht
Inzwischen baut der Biber bereits oberhalb der beiden Talweiher, staut die Ergolz und verändert damit dort die Landschaft. Es entstehen so hinter den beiden grossen Weihern eindrückliche Wasserlandschaften, die immer wieder umgestaltet werden. Viel Totholz entsteht. Gleichzeitig kommt auch Licht in die Auenlandschaft und verschiedene Amphibien, Reptilien, Vögel und Insektenarten finden geeignete Lebensräume. «Das ist ein Paradies für den Biber», sagt Astrid Schönenberger, «denn hier darf er sich ungestört austoben. Es gibt viel Platz für ihn und ohne menschliches Zutun wird nebenbei die Biodiversität gefördert.»
Nicht überall in der Schweiz wird die überraschend schnelle Wiederansiedlung mit dem gleichen Wohlwollen beobachtet. Als das Stimmvolk 2020 ein neues Jagdgesetz verwarf, wollte der Bundesrat ursprünglich neben dem Wolf auch den Biber zum Abschuss freigeben, doch sträubte sich damals das Parlament dagegen. Nun nimmt das Departement Rösti, das eben noch die Wiederansiedlung des Nagers als «Erfolgsgeschichte» lobte, einen neuen Anlauf.
Im Schatten der dominierenden Debatte um den Wolf sollen auch die rund 4900 Biber in der Schweiz bejagt werden dürfen, die in unseren dicht besiedelten Landesgegenden Infrastrukturen wie Strassen oder Dämme beschädigen. Bereits der Beginn der Tätigkeit des Bibers – zum Beispiel das Untergraben vor dem Einsturz – wird als Schaden bezeichnet. «So könnte er faktisch schon vorsorglich abgeschossen werden», kommentiert Schönenberger Röstis Begehren. Die nationale Bestandesaufnahme des vergangenen Jahres bescheinigt dem Kanton Baselland eine «leichte Zunahme». Im Mittelland aber nimmt die Population noch immer exponentiell zu, und der Nager ist sogar in Grossstädten zu beobachten.
Im Baselbiet selber richtete ein Biber 2016 grösseren Schaden an, als er in einer Kirschbaumanlage bei Füllinsdorf gleich 80 junge Niederstamm-Bäume anknabberte oder gleich fällte. Pro Natura Baselland, die Politik und die Landwirtschaft regelten damals den unliebsamen Zwischenfall im Dialog. Den Weg des Dialogs anstelle des Griffs zur Flinte empfiehlt Astrid Schönenberger auch auf nationaler Ebene.
Es ist gut vorstellbar, dass der Biber im Einzugsgebiet der Ergolz mit den Talweihern im Osten, mit Rickenbach im Norden und mit Reigoldswil im Süden an seine Grenzen stösst. Denn dahinter hat er – typisch für den Kettenjura – steile Passagen zu bewältigen. Er gilt aber bei all seinen Talenten als schlechter Kletterer. Doch Astrid Schönenberger, die bereits in ihrer Kindheit den ersten damals ausgesetzten Bibern im Thurgau begegnet und seither von ihnen begeistert ist, entgegnet: «In all den Jahren hat er mich immer wieder von Neuem überrascht.»