«Besser wäre die Aufhebung der Staatsgarantie»
18.07.2025 BaselbietPeter V. Kunz über die Volksinitiative «BLKB – die Bank fürs Baselbiet»
Mitte August will ein bunt zusammengesetztes Initiativkomitee um SVP-Präsident Peter Riebli eine Gesetzesinitiative einreichen, die verlangt, dass die BLKB von einer Universalbank zu ...
Peter V. Kunz über die Volksinitiative «BLKB – die Bank fürs Baselbiet»
Mitte August will ein bunt zusammengesetztes Initiativkomitee um SVP-Präsident Peter Riebli eine Gesetzesinitiative einreichen, die verlangt, dass die BLKB von einer Universalbank zu einer Regionalbank zurückgestuft wird. Rechtsprofessort Peter V. Kunz zeigt gewisse Sympathien, hält den Gesetzesvorschlag allerdings für dürftig formuliert.
David Thommen
Peter V. Kunz, Sie haben für uns den Gesetzestext zur Initiative «BLKB – die Bank fürs Baselbiet» angeschaut. Welchen Geist atmet dieses Initiativbegehren?
Peter V. Kunz: Es ist eine Fünfer-und-Weggli-Politik, die man hier betreiben möchte. Man verlangt einerseits mehr Regionalität und will damit das Verlustrisiko für den Kanton minimieren, will aber gleichzeitig mehr Erträge zugunsten des Kantons aus der Bank ziehen, was die BLKB unter Gewinndruck setzt. Dieses Spannungsfeld ist kaum aufzulösen: Wenn man das Geschäftsfeld der Bank wie verlangt von einer Universal- auf eine Regionalbank herunterstufen will, schmälert man automatisch auch die Ertragsaussichten. Beides – den Fünfer und das Weggli – kann man nicht haben.
Immerhin würde es aber gelingen, das Verlustrisiko einzudämmen?
Das schon. Der Hauptmechanismus, um die Risiken für den Kanton herabzusetzen, wäre allerdings die Aufhebung der heutigen Staatsgarantie. Die steht im Baselbiet aber offensichtlich nicht zur Debatte, was ich für einen politischen Fehler halte. Mein Eindruck: Die Initianten haben sich verschiedenste Punkte herausgepickt, die ihnen gerade ins Konzept passen, sind aber nicht konsequent.
Sie reden der Abschaffung der Kantonalbanken-Staatsgarantie seit Jahren das Wort. Was wäre die Alternative dazu?
Die Alternative zur Staatsgarantie ist: keine Staatsgarantie! Dass das funktioniert, sieht man bei drei grossen Kantonalbanken – Bern, Genf und Waadt. Die haben die Staatsgarantie vor Jahren schon abgeschafft. Und zwar aus Erfahrung, weil dort die Kantonalbanken wegen Immobiliengeschäften kurz vor dem Konkurs gestanden sind. Die Kantone wollten dieses grosse Risiko nicht weiter eingehen. Heute sieht man, dass diese drei Kantonalbanken florieren. Kantonalbanken können also auch ohne Staatsgarantie gut leben.
Müsste der Kanton Baselland die BLKB verkaufen, wenn sie ohne Staatsgarantie funktionieren müsste?
Überhaupt nicht, sie könnte weiterhin im Kantonsbesitz verbleiben, dort liegt ja auch heute die alleinige Stimmenmacht. Denkbar wären verschiedene Rechtsformen, darunter eine private Aktiengesellschaft, wie das heute in den Kantonen Bern oder Luzern der Fall ist. Der Kanton Baselland als Hauptaktionär einer neuen BLKB etwa als gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft könnte nach wie vor Mitglieder in den Verwaltungsrat delegieren und den Kurs der Bank wesentlich mitsteuern. Sollte die Bank in den Konkurs gehen, haftet allerdings nicht mehr der Kanton. Dieser würde einfach das Aktienkapital verlieren.
Ein Nachteil dieses Modells wäre, dass die Bank vermutlich weniger an den Kanton abliefern würde. Zudem würden die Kunden der Bank die Garantie verlieren, dass ihr Geld im vollen Umfang gesichert ist.
Es gibt wie überall im Leben immer Vor- und Nachteile. Ein ganz gewichtiger Nachteil würde allerdings aus der Welt geschafft: nämlich die Bevorzugung der Kantonalbanken gegenüber der Mehrheit der privaten Banken, die ohne Staatsgarantie auskommen müssen. Die anderen Banken haben nicht gleich lange Spiesse, was den Wettbewerb stark verzerrt. Es ist heute nicht mehr angemessen, dass sich der Staat selbst bevorzugt. Niemand braucht heute noch eine Kantonalbank wie im 19. Jahrhundert. Die Schweiz hat 250 Banken und ist auch ohne Staatsbanken mit Bankdienstleistungen gut versorgt.
Der Kanton bevorzugt die eigene Bank und erhält im Gegenzug schöne Abgeltungen …
Die Politik hat natürlich Freude an diesem Modell, doch Politiker denken stets kurzfristig: Nach Sonne folgt Regen, und man blendet gerne aus, dass der Kanton haftet, wenn alle Stricke reissen – und das könnte passieren. Für einen Kanton wie Baselland wäre der Konkurs einer Kantonalbank mit Staatsgarantie finanziell schlicht nicht verkraftbar.
Kommen wir zu anderen Aspekten der Initiative «BLKB – die Bank fürs Baselbiet». Sie verlangt, dass «politische Neutralität» der Bank oder Zurückhaltung im Auftritt gesetzlich festgeschrieben werden. Ist es statthaft, solche Dinge von einer Bank per Gesetz zu verlangen?
Ich habe den Gesetzentwurf mit anfänglicher Sympathie und wachsender Irritation gelesen. Verschiedene Punkte kann ich aus bürgerlicher Optik gut nachvollziehen – beispielsweise die Forderung nach «Anti-Wokeismus», was sich bei der BLKB vor allem gegen die bisherige Überbetonung der Nachhaltigkeit richtet. Aber zu vieles in diesem Gesetzesvorschlag ist juristisch völlig unklar formuliert: Was bedeutet beispielsweise die Formulierung, dass die BLKB nur noch «übliche Bankdienstleistungen» erbringen soll? Was genau soll die Festschreibung als «Regionalbank» in juristischer Hinsicht bedeuten? Oder bedeutet der geforderte neue Fokus unter anderem auf «Arbeitnehmende», dass Arbeitslose oder Selbstständigerwerbende ihr Konto aufgeben müssen? (Lacht) Vieles in diesem vorgeschlagenen Gesetz ist vermutlich gut gemeint, aber nicht justiziabel.
Gesetze müssen letztlich vor Gericht standhalten können …
Genau. Juristisch ist der Gesetzestext schlecht gemacht. Wenn ich als Professor so etwas als Masterarbeit durch Jus-Studierende vorgelegt bekäme, gäbe es eine ungenügende Note … Beispielsweise stört mich auch der Paragraf, der vorschreibt, dass der Bankrat in der Öffentlichkeit «dezent» aufzutreten hat. Mit Verlaub: Ein Bankratspräsident braucht Profil, er muss auch einmal auf den Tisch klopfen können. Ein Gesetz kann nicht vorschreiben, dass er eine graue Maus sein muss! Offen gesagt handelt es sich eher um eine Kulturkampf-Initiative. Als Jurist stört mich das. Politisch hingegen darf und soll man solche Debatten aber natürlich führen.
Das Baselbieter Parlament soll laut der Initiative neu eine Rolle bei den Bankratswahlen spielen und zumindest missliebige Kandidaten verhindern können. Ein richtiger Schritt?
Ein halber Schritt zurück in die Vergangenheit! Vor 20 Jahren wurde im Baselbiet die Kompetenz zur Wahl des Bankrats vom Landrat zum Regierungsrat verschoben – das war vernünftig, um die Politisierung zu reduzieren, die in anderen Kantonen besteht. Die Initiative verlangt zwar keine völlige Rückkehr zum alten System, aber wenn man hier für von der Regierung vorgeschlagene Bankratskandidaten ein Vetorecht des Landrats bei «begründeten Bedenken» vorsieht, ist das heikel. Entweder der Landrat wählt voll oder gar nicht. Ein Vetorecht ist zu schwach und nicht justiziabel. Wie genau sollen «begründete Bedenken» definiert werden? Und wer entscheidet?
Im Initiativtext heisst es in einem Paragrafen, der Bankratspräsident müsse «eigene langjährige operative Tätigkeit im Bankgeschäft» vorweisen.
Wie beurteilen Sie das?
Das ist kurz gesagt dumm. Bankräte müssen vor allem Strategen und Kontrolleurinnen und Kontrolleure sein, operative Tätigkeit in einer Bank ist dafür kein massgebliches Kriterium. Ein Künstler mit Branchenverständnis kann beispielsweise durchaus genauso geeignet sein. Ehemals operative Banker führen intern häufig zu Konflikten, weil sie sich zu sehr einmischen. Ein Bankrat muss «Stopp!» rufen können, nicht die operativen Details kennen. Mit diesem Paragrafen würde beispielsweise ein Professor wie ich, der über umfangreiche Kenntnisse verfügt und zweifellos geeignet wäre, glattweg verhindert. Das kann es nicht sein, wobei ich keinen neuen Job suche! (Lacht) Auch die verlangte Wohnsitzpflicht für die Mehrheit der Bankräte im Kanton halte ich für falsch. Ist Baselland so gross, dass man stets genügend kompetente Leute findet? Eher nicht …
Ein weiterer Punkt: Die Entlöhnung des CEO darf nicht mehr als das Doppelte eines Regierungsrats-Lohns betragen. Ist das sinnvoll?
Der Professor Kunz sagt hier: Juristisch ist das zwar zulässig, aber eine solche Einmischung per Gesetz ist Blödsinn. Ohnehin hat die Höhe des CEO-Lohns keinen Einfluss auf das Risikoverhalten einer Bank wie der BLKB. Der Staatsbürger Kunz würde die Forderung hingegen durchaus unterstützen, da es sich um einen Betrieb im Eigentum des Staates handelt. Die Festlegung auf das Doppelte eines Regierungsratslohns finde ich nicht schlecht. Im Aargau gibt es Ähnliches, und man findet trotzdem gute Kandidaten.
Würde Professor Kunz diese Initiative an der Urne annehmen? Und was würde Staatsbürger Kunz abstimmen?
Professor Kunz würde dieses Gesetz ganz bestimmt ablehnen, da es in juristischer Hinsicht mangelhaft verfasst ist. Als Staatsbürger Kunz würde ich die Initiative zumindest unterschreiben, damit sie zur Abstimmung kommt – dort würde ich dann aber Nein stimmen. Die politische Diskussion in Baselland halte ich für wichtig, doch der Entwurf ist juristisch schwach und widersprüchlich.
Besinnung auf die Region
tho. Ein Komitee, dem unter anderem SVP-Präsident Peter Riebli, alt Landrat Stefan Degen (FDP) oder alt Landrätin Laura Grazioli (ehemalige Grüne) angehören, verlangt mit der Gesetzesinitiative «BLKB – die Bank fürs Baselbiet» die Teilrevision des Kantonalbankgesetzes aus dem Jahr 2004. Das Begehren, das Mitte August eingereicht werden soll, ist als Reaktion auf die Ausweitung des Geschäftsfelds der BLKB mit ihrer national agierenden Digitalbank «Radicant» zu verstehen. Verlangt wird, dass sich die BLKB ganz auf die Region besinnt: Die heute als «Universalbank» geltende BLKB soll zur «Regionalbank» werden. Die verlangten Neuerungen sind umfangreich und betreffen unter anderem die Strategie, politische Zuständigkeiten, Abgeltung der Staatsgarantie («mindestens 1/25tel vom Geschäftserfolg») oder das Auftreten der BLKB («wertneutral», «dezent»). Der Initiativtext kann unter www.blkbfuersbaselbiet.com eingesehen werden.
Mit einer Mitteilung vom Dienstag hat das Initiativkomitee den Druck auf die Regierung und den Bankrat nun nochmals erhöht. Gefordert wird eine «echte politische Aufarbeitung» der «Radicant»- Verluste durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Überdies genüge die durch den Regierungsrat und den Bankrat angestossene Überprüfung den Anforderungen an eine glaubwürdige Aufklärung nicht: «Wer Teil des Problems war, kann nicht Teil der Aufklärung sein», heisst es im Communiqué. Besonders stossend sei, dass die Gremien, die politische und strategische Verantwortung für das «Radicant-Desaster» trügen, nun selbst eine externe Untersuchung beauftragt hätten.
Zudem sei der Fokus der Untersuchung zu eng. Sie beschränke sich auf den Zeitraum von September 2024 bis Juli 2025 und blende die eigentlichen Ursachen des Scheiterns aus – so die Gründung von «Radicant» oder das strategische Versagen der Aufsicht.
Begleitend soll eine Petition lanciert werden, die den Ausstieg bei «Radicant» verlangt. Auch der sofortige Rücktritt von Bankratspräsident und CEO soll mit der Petition gefordert werden.