Beide Basel geben sich kämpferisch
14.10.2025 RegionRegierungen kritisieren ETH-Studie «Verkehr ’45» scharf
Beide Basel sind höchst unzufrieden mit der Studie «Verkehr ’45» der ETH Zürich im Auftrag des Bundes. Regierungsrätin Esther Keller (BS) und Regierungsrat Isaac Reber (BL) machten ...
Regierungen kritisieren ETH-Studie «Verkehr ’45» scharf
Beide Basel sind höchst unzufrieden mit der Studie «Verkehr ’45» der ETH Zürich im Auftrag des Bundes. Regierungsrätin Esther Keller (BS) und Regierungsrat Isaac Reber (BL) machten gestern klar, dass die Region beherzt für das Herzstück kämpfen werde.
David Thommen
Die ETH-Studie «Verkehr ’45», die im Auftrag des Bundesamts für Verkehr (BAV) erarbeitet wurde, sieht den jüngst auf eidgenössischer Ebene (und auch in Basel-Stadt) an der Urne abgelehnten A2-Rheintunnel Basel als ein vordringliches Projekt zur Engpassbeseitigung. Das Projekt soll nun mit leichten Retuschen wieder aufgenommen werden. Der Basler Schienenverkehr wird im ETH-Gutachten hingegen deutlich zurückgestuft – Baubeginn für den gewünschten Tiefbahnhof Basel SBB sowie für das Herzstück soll laut ETH erst nach 2045 sein (siehe auch «Volksstimme» vom Freitag).
Die Basler Baudirektorin Esther Keller sprach gestern von einer «dicken Bombe», welche die ETH Zürich mit dieser Prioritätensetzung habe platzen lassen. Basel werde sich diesen Zeitplan nicht gefallen lassen: «Wir werden für den Bahnknoten Basel kämpfen – und dabei sehr laut sein», verkündete die GLP-Politikerin an einer Medienkonferenz in Basel, an der auch der Baselbieter Baudirektor Isaac Reber (Grüne) sowie Martin Dätwyler, Direktor der Handelskammer beider Basel (und Baselbieter FDP-Landrat) auftraten.
Die ETH-Studie komme zwar zum Schluss, dass der Bahnausbau in Basel für die ganze Schweiz zentral sei, sagte Keller, es sei daher unverständlich, dass die grossen Basler Bahn-Ausbauprojekte keine Priorität erhielten. Diese Einordnung sei nun politisch zu korrigieren. Eingeräumt wurde, dass das «Herzstück» mit Kosten von mehr als 14 Milliarden Franken sehr teuer sei. Gerade deswegen müssten nun erste Etappen realisiert werden, sonst komme später alles auf einmal.
Auch der Baselbieter Baudirektor Reber betonte, dass sich die Region nicht mit einer untergeordneten Rolle im Bahnausbau zufriedengeben werde. Die Forderung: «Der Tiefbahnhof Basel SBB und der Viertelstundentakt ins Fricktal müssen in die Botschaft 2026 des Bundes aufgenommen werden.»
Die Kritik beider Regierungen richtet sich nicht gegen die hohe Priorität für den A2-Rheintunnel. Vielmehr lautet die Forderung, dass Schiene und Strasse gleichermassen berücksichtigt werden müssen. «Sonst besteht die Gefahr, dass Basel vom Tor zur Schweiz zum Flaschenhals wird», so Reber. Keller sagte, dass die Regierungen beider Basel noch diese Woche bei Bundesrat Albert Rösti vorsprechen und ihren Standpunkt klarmachen werden. Andere Regionen, darunter auch die Innerschweiz mit Luzern und dem dort geplanten Tiefbahnhof, würden im ETH-Gutachten gegenüber Basel klar bevorzugt, was unverständlich sei. Würden die Empfehlungen des Gutachtens umgesetzt, werde die Region Basel im Vergleich zu ihrer Bedeutung in der Schweiz nur ein viel zu kleines Stück des zu verteilenden Bundeskuchens abbekommen.
Handelskammer-Direktor Martin Dätwyler sprach von einem «massiven Infrastrukturdefizit», das sich in der Region Basel abzeichne, wenn der Bahnausbau weiterhin verzögert werde. Der wirtschaftliche Schaden für die Region und das ganze Land sei erheblich. Und: Basel sei bislang der einzige Metropolitanraum der Schweiz ohne durchgehendes S-Bahn-System. Die Region prüfe nun, wie sie ihren Forderungen Nachdruck verleihen kann. Dätwyler sprach unter anderem von einer Standesinitiative in beiden Kantonsparlamenten. Ziel sei es, sowohl dem A2-Rheintunnel voranzutreiben als auch den Tiefbahnhof und weitere Teilprojekte des Bahnausbaus in Etappen zu realisieren.
Erstaunlicherweise keine Erwähnung findet im ETH-Gutachten der seit Jahrzehnten diskutierte dritte Bahn-Juradurchstich, der irgendwann dem Ergolztal oberhalb von Liestal den S-Bahn-Viertelstunden-Takt bringen könnte. Da es für dieses Projekt keine fortgeschrittene Planung gebe, sei es auch nicht Gegenstand der Studie geworden, hiess es gestern in Basel. Aus dem gleichem Grund tauche im ETH-Papier auch der A22-Umfahrungstunnel von Liestal nicht auf. Aus dem Einzugsgebiet der «Volksstimme» wird in der Studie nur ein einziges Projekt mit dem Titel «Trimbach und Läufelfingen: Perronverlängerungen» erwähnt. Kosten: 14 Millionen Franken. Davon gehört habe man im Baselbiet allerdings noch hie, hiess es gestern vonseiten der Baudirektion. Somit dürfte sich auch niemand gegen die von der ETH vorgeschlagene Zurückstufung ans Ende der Prioritätenliste zur Wehr setzen.
Untersucht und in eine Prioritätenliste eingeteilt hatte die ETH unter Leitung von Professor Ulrich Weidmann insgesamt 500 Schweizer Projekte für Schiene und Strasse, die zusammen knapp 113 Milliarden Franken kosten würden. Geld für die Realisierung steht freilich weniger zur Verfügung: Gestern war in Basel von 30,5 bis 40,5 Milliarden Franken die Rede.