AUSGEFRAGT | SRF-REPORTER JEFF BALTERMIA ÜBER DIE FUSSBALL-EM
28.06.2024 Schweiz, Weitere Sportarten, Gesellschaft, Fussball, Schweiz«Die Deutschen träumen vom Titel»
Mittendrin an der Fussball-EM ist «Nati»-Reporter Jeff Baltermia. Neben den deutschen sind für ihn auch die Schweizer Fans «in Topform». Mit der «Volksstimme» hat er über ...
«Die Deutschen träumen vom Titel»
Mittendrin an der Fussball-EM ist «Nati»-Reporter Jeff Baltermia. Neben den deutschen sind für ihn auch die Schweizer Fans «in Topform». Mit der «Volksstimme» hat er über den morgigen Achtelfinal, die Bedingungen vor Ort und sein persönliches Highlight gesprochen.
Luana Güntert
Herr Baltermia, Sie sind zurzeit für SRF an der Fussball-EM. Wie erleben Sie die «Nati»-Fans vor Ort?
Jeff Baltermia: Die Schweizer Fans sind an dieser EM in Topform. Egal, ob in Köln oder Frankfurt – es war eindrücklich zu sehen, wie Zehntausende «Nati»-Fans in den Innenstädten gefeiert und für Party-Stimmung gesorgt haben. Da soll noch einer sagen, wir Schweizer wären zurückhaltend. Auch die Spieler sind begeistert von der lautstarken Unterstützung.
Aus Deutschland gab es auch negative Schlagzeilen. Es wurde von unangenehmen Verhältnissen bei der Anreise in den Zügen berichtet. Hat Deutschland die Sache im Griff?
Das kann ich schlecht beurteilen, da wir meist mit dem Bus gereist sind. Ich habe von Verspätungen gehört, aber die Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Zug gereist sind, hatten keine grösseren Probleme. Bei uns lief jeweils alles glatt.
Als Reporter müssen Sie nahe am Geschehen sein und schnell handeln können. Werden Sie von den vielen Sicherheitsvorkehrungen behindert?
Eine Grossveranstaltung lässt sich heute leider nicht mehr ohne aufwendige Sicherheitsvorkehrungen durchführen. Die Stewards vor Ort sind aber bestrebt, so speditiv wie möglich vorzugehen und daher komme ich jeweils relativ zügig ins Stadion und zu meiner Arbeit.
Morgen tritt die «Nati» gegen die «Squadra Azzurra» an. Die Geschichte spricht eigentlich für Italien, doch in den Gruppenspielen haben die Italiener nicht brilliert. Auf welches Team tippen Sie?
Nimmt man nur die Leistungen aus der Gruppenphase als Massstab, ist die Schweiz sicher nicht krasser Aussenseiter, im Gegenteil. Bloss zählt das Vergangene in einem K.O.- Spiel nicht. Ich gehe davon aus, dass Italien sich steigern wird. Trotzdem traue ich der Schweiz den Coup zu und tippe auf einen Schweizer Sieg.
In den Medien wird berichtet, dass die Schweiz noch besser zu sein scheint, als sie in der Vorrunde gezeigt hat. Warum ist das so?
Ich fand die Auftritte der Schweiz in der Gruppenphase bereits gut bis sehr gut. Sollte sie sich nochmals steigern, liegt der Viertelfinal auf jeden Fall drin.
Den Deutschen läuft es ideal, abgesehen vom Spiel gegen die «Nati». Es wird davon gesprochen, dass Deutschland vor einem Sommermärchen steht. Ist die Euphorie im Land wirklich so gross?
Unsere Basis haben wir in einem Vorort von Stuttgart in der Nähe des «Nati»-Hotels. Hier herrscht verständlicherweise nicht gerade jeden Tag euphorischer Ausnahmezustand. An den Spielorten ist das Bild aber ein ganz anderes. Die Fanmeilen und Innenstädte sind voll, die Leute aus den verschiedenen Ländern feiern zusammen und die Deutschen träumen vom Titel.
Weshalb ist das deutsche Team plötzlich wieder so gut? Liegt das «nur» an der Heim-EM?
Ich denke, das hat viel mit dem Trainer Julian Nagelsmann zu tun. Er hat sich früh auf eine Stammelf festgelegt, der Mannschaft ein klares Konzept mitgegeben und sein Kader so zusammengestellt, dass es als Gruppe funktioniert. Ganz nach dem Motto: «Ich nominiere das beste Team und nicht die besten Einzelspieler.»
Das SRF veröffentlicht nicht nur alles zu den Spielen selbst, sondern auch viele Hintergrundgeschichten. Wo liegt Ihr journalistischer Fokus?
Ganz klar auf der «Nati». Daneben möchten wir aber möglichst viele verschiedene Einblicke bieten. Da diskutieren wir laufend Ideen – so waren wir zum Beispiel für eine kurze Reportage beim Lieblings-Italiener der VfB-Stuttgart-Profis. Eine bunte Geschichte, die viel Anklang gefunden hat.
Welches Erlebnis war bis jetzt Ihr persönliches Highlight?
Mein Job bringt viele Privilegien mit sich. Ich komme so nahe ans Geschehen wie sonst kaum jemand. Ganz speziell war, als ich vor dem Deutschland-Spiel, noch während des Aufwärmens der beiden Teams, für eine Moderation mitten auf den Platz durfte. So konnten wir den TV-Zuschauenden einen exklusiven Einblick ermöglichen, der sonst den Spielern selbst vorbehalten ist.
Welches Team und welcher Spieler überrascht Sie diese EM am meisten – in positiver und negativer Hinsicht?
Aus Schweizer Sicht ist Dan Ndoye sicher die grosse positive Überraschung. Mit seiner Dynamik tut er dem Schweizer Spiel enorm gut. Bei den Teams ist die Qualifikation Sloweniens und Georgiens für die Achtelfinals sicher eine schöne Überraschung. Luft nach oben haben dagegen die Engländer.
Auf welchem Platz liegen Sie beim SRF-Tippspiel?
Ich habe bewusst bei keinem Tippspiel mitgemacht. Mein Ehrgeiz würde es mir sonst verunmöglichen, Spiele entspannt zu schauen.
Sollte die Schweiz in den Final kommen: Welchen Gegner würden Sie sich wünschen?
Oh, jetzt blicken wir aber weit voraus. Die Schweiz in einem EM-Final wäre natürlich bereits eine Sensation. Wenn es dann nochmals gegen den Gastgeber gehen würde – Halleluja!
Zur Person
lug. Jeff Baltermia wurde 1987 in Basel geboren, wo er auch aufwuchs. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen Kindern in Muttenz. Lange träumte der 37-Jährige von einer eigenen Profikarriere im Fussball und spielte als Junior bei den Old Boys und beim FC Basel zusammen mit Yann Sommer, Ivan Rakitic, Timm Klose und Eren Derdiyok. Für eine Profikarriere gereicht hat es jedoch nicht. Dafür fasste er im Journalismus Fuss: Er absolvierte das Bachelor-Studium in Journalismus und Informationskommunikation und kam danach via «Sport1» in München und «TeleBasel» zum SRF, wo er seit über elf Jahren tätig ist. Seit rund sechs Jahren ist er für die Interviews rund um die Schweizer «Nati» zuständig.