AUSGEFRAGT | SASKIA SCHENKER, DIREKTORIN ARBEITGEBERVERBAND REGION BASEL
17.11.2023 Gesellschaft«Jeder Betrieb schält für sich die Vorteile heraus»
Betriebe leiden unter Lehrlingsmangel und möchten darum äusserst attraktiv wirken und werben. Laut Saskia Schenker, Direktorin des Arbeitgeberverbands Region Basel, sind steigende ...
«Jeder Betrieb schält für sich die Vorteile heraus»
Betriebe leiden unter Lehrlingsmangel und möchten darum äusserst attraktiv wirken und werben. Laut Saskia Schenker, Direktorin des Arbeitgeberverbands Region Basel, sind steigende Lehrlingslöhne aber nicht ausschlaggebender Faktor für die Wahl der Ausbildungsstelle.
André Frauchiger
Frau Schenker, halten Sie höhere Lehrlingslöhne oder einen leistungsabhängigen Lohnzusatz zum bisherigen Lohn für geeignet, um dem Lehrlingsmangel wirkungsvoll zu begegnen?
Saskia Schenker: Grundsätzlich sind die ausbildenden Unternehmen und Branchenverbände konstant dabei zu prüfen, wie die Lehren attraktiver gestaltet werden können. Es stellt sich für sie die Frage: Wie kann man die gesamte Branche noch etwas von anderen abheben? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, für Lernende attraktiv zu wirken. Höhere Lehrlingslöhne oder ein zusätzlicher Leistungslohn sind nur zwei von vielen Vorschlägen, aber nicht die wichtigsten.
Können Sie das ausführen?
Ideen und Anreize sind zum Beispiel mehr Ferien, mehr Freitage und vielleicht Ende Jahr ein spezielles Dankeschön für die erbrachten Leistungen in Form eines finanziellen Zustupfs. Aber viel wichtiger sind die Unternehmenskultur, der Stolz auf den Beruf, die gebotenen Möglichkeiten, während der Lehre auch Verantwortung übernehmen zu können, der Teamgeist, die Motivation des Teams und die Perspektiven nach der Lehre. Befragungen unter Lehrlingen zeigen, dass Lohn und Ferien nicht hauptausschlaggebend für den Entscheid des Lehrorts sind. Es kann mitwirken, aber andere Faktoren sind entscheidender. Problematisch wird es, wenn Schulen und Eltern den weiteren schulischen Weg forcieren und von einer Lehre abraten. Die Perspektiven und grossen Berufschancen nach der abgeschlossenen Lehre müssen – neben der spannenden Lehrphase – in der Öffentlichkeit noch besser aufgezeigt werden. Das ist eine grosse Herausforderung für die Unternehmen, Branchen und Verbände.
Sind die Betriebe und Branchen bereit, ihre Überzeugungsarbeit für eine Lehre weiter zu intensivieren?
Die Unternehmen und Branchenverbände sind in dieser Hinsicht aktiv und innovativ. Dies zeigt sich auch an der beeindruckenden Baselbieter Berufsschau diese Woche in der St. Jakobshalle. Natürlich sind die Situation und Möglichkeiten in den Lehrbetrieben sehr unterschiedlich. Innovative Unternehmen haben aber sicherlich Vorteile. Als Arbeitgeberverband arbeiten wir beispielsweise in diversen Gremien zur Förderung der Berufslehren mit.
Die Konkurrenzsituation unter den Unternehmen – gibt es da Möglichkeiten zum Ausbalancieren?
Jeder Betrieb schält für sich die Vorteile heraus, die er hat. Innerhalb der Branchen – die Branchen sind zuständig für die Ausbildungslehrgänge – wird aber für einen gewissen Ausgleich der Interessen gesorgt. Ein Kleinbetrieb kann für einen Lernenden oder eine Lernende durchaus interessanter sein als ein Grossbetrieb, da er beispielsweise persönlicher ist. Grossbetriebe wiederum haben andere Vorteile und können vielleicht eine breitere Palette an Arbeiten anbieten. Wenn ein Ausbildungsbetrieb nicht alles für eine Lehre bieten kann, wird geschaut, wo das Wissen anderswo erworben werden kann. KV-Lehren sind übrigens nach wie vor sehr beliebt und die Lehrstellen gut besetzt. Andere Branchen wie zum Beispiel das Gesundheitswesen haben es hingegen schwerer.
Sind kleinere Betriebe im Rennen um neue Lehrlinge benachteiligt?
Nein. Kleinbetriebe können auch ohne Schlagzeilen wie «höhere Löhne» sehr gute Lehrlingsarbeit leisten und ihre Vorteile herausstreichen. Wichtig: Betriebe investieren in die Zukunft der jungen Leute und tragen die dafür entstehenden Kosten in der Hoffnung, künftig gute Nachwuchskräfte zu haben. Die Berufsausbildung hat heute aber leider Schwierigkeiten, sich gegenüber den höheren schulischen Ausbildungen zu behaupten. Die Weiterbildungsmöglichkeiten nach Abschluss einer Lehre sind dabei heute fast grenzenlos, nicht zuletzt auch dank der höheren Berufsbildung. Schweizweit sieht man, dass in städtischen Gebieten die Lehrausbildung heute weniger verankert ist als in ländlichen Gebieten. Die Maturitätsquote ist höher, was eigentlich sehr schade ist.
Die Gewerkschaften wenden sich gegen Leistungslohn für Lehrlinge mit dem Argument, diese würde dadurch noch mehr unter Leistungsdruck gesetzt.
Es braucht in einer Lehre einen gewissen Leistungsdruck. In der Gewerbeschule werden auch Noten gesetzt. Leistungslohn, wie ihn nun beispielsweise die R. Häsler AG medial angekündigt hat, ist nicht mehr als ein positiver Anreiz. Ich sehe das nicht so negativ wie die Gewerkschaften. Die Firma möchte Anreize schaffen, die nicht alle mit Noten und Leistung zusammenhängen. Wie gesagt, wir sehen finanzielle Anreize während der Lehre nicht als wichtigsten Einflussfaktor, um Lernende gewinnen und halten zu können. Ich bin aber gespannt auf das Fazit der Firma R. Häsler AG, das bestimmt in gegebener Frist noch abgegeben wird.
Zur Person
vs. Saskia Schenker (43) ist seit 2021 Direktorin des Arbeitgeberverbands Region Basel und seit 2015 Landrätin für die FDP im Wahlkreis Sissach. Die Itingerin ist in Reinach aufgewachsen und Politikwissenschafterin mit einem Executive MBA. Sie stammt aus einer Familie mit engem Bezug zur Berufslehre. Ihr Vater ist Eidg. Dipl. Sanitärinstallateur, ihr Bruder führt ein eigenes Schreinerei-Unternehmen mit Sitz in Liestal und bildet selbst Lernende aus. Der Arbeitgeberverband Region Basel ist die Stimme der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber der Region und umfasst über 2500 Einzelmitglieder (Firmen) sowie 20 Kollektivmitglieder (lokale oder regionale Wirtschafts- und Branchenverbände) aus der Nordwestschweiz. Damit ist er nach eigenen Angaben einer der grössten regionalen Dachverbände der Arbeitgeber in der Schweiz.