AUSGEFRAGT | ROLF HÄRING, METZGERMEISTER, SISSACH
15.12.2023 GesellschaftWenn der Metzger die Kanone auffährt
Rolf Häring betreibt seit 25 Jahren eine Metzgerei in Sissach. Am Sonntagsverkauf von übermorgen serviert er in der Sissacher Begegnungszone wieder Gulaschsuppe, selbstredend aus der Gulaschkanone. Der 56-Jährige, ...
Wenn der Metzger die Kanone auffährt
Rolf Häring betreibt seit 25 Jahren eine Metzgerei in Sissach. Am Sonntagsverkauf von übermorgen serviert er in der Sissacher Begegnungszone wieder Gulaschsuppe, selbstredend aus der Gulaschkanone. Der 56-Jährige, der mit Leib und Seele Metzgermeister ist, verrät, was es braucht, um in turbulenten Zeiten einen Gewerbebetrieb zu führen.
Heiner Oberer
Herr Häring, die Weihnachtstage stehen an – sind die Metzgermesser zum Schneiden der Unmengen von Fondue Chinoise geschliffen?
Rolf Häring: Die meisten Messer sind geschliffen, kriegen aber diese Woche noch einen zweiten Schliff. Sodass wir am 22. Dezember vorwärtsmachen können.
Wie viele Personen sind dann im Einsatz, wenn es gilt, allen Kundenwünschen nachzukommen?
Wir beginnen mit Schneiden am Morgen des 22. Dezember, mit zwei bis drei Angestellten. Gegen Abend steigert sich der Personalbedarf und meine vier Kinder sind im Einsatz. Gesamthaft widmen sich schliesslich 13 Personen dem Fondue Chinoise. Das heisst: schneiden, legen, wägen und verpacken. Nach Ladenschluss stösst noch die Verkaufstruppe zum Chinoise-Team. Gegen drei Uhr in der Früh sollte dann alles parat sein.
Wie viele Kilo Fleisch verarbeiten Sie über Weihnachten und Neujahr für den beliebtesten Weihnachtsschmaus von Frau und Herrn Schweizer?
Alleine für Fondue Chinoise verarbeiten wir gegen 250 Kilogramm Fleisch. Ich bestelle das Fleisch im Oktober, nach den Vorgaben des Vorjahrs und lagere es mindestens vier Wochen in der Metzgerei. Ich kläre das Schlachtdatum mit dem Lieferanten, der mir das Fleisch dann zum gewünschten Datum liefert.
Wie nehmen Sie die Veränderungen im Metzgereigewerbe war? Macht es noch Freude, eine Metzgerei zu führen?
Es ist nach wie vor etwas Schönes. Die Arbeit ist zwar mit viel Druck verbunden. Wir sind aber bemüht, möglichst alle Kundenwünsche zu erfüllen. Das heisst aber auch, dass wir den Kunden bewusst machen müssen, dass nicht immer alles sofort verfügbar ist.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs in der Branche aus?
Das Metzgerhandwerk macht nach wie vor Freude. Nur: Uns Älteren geht langsam der Schnauf aus. Ich habe das vergangene Woche erlebt, als meine Tochter Isabelle beim Fabrizieren von Schweinsfilet im Teig mitgeholfen hat. Da merkt man, dass da jemand Junges am Arbeiten ist; und zwar mit Leidenschaft und Ausdauer. Das stachelt ungemein an und man versucht mitzuhalten – auch wenn ich anschliessend eine Spur erschöpfter bin als normal. Das Durchhalten fehlt dem Nachwuchs vielleicht etwas. Darum ist es zunehmend schwierig, geeignetes Personal zu finden. Das Metzgergewerbe hat sicher ein Nachwuchsproblem. Da wird es sehr schwierig, wenn ein Geschäft, wie ich es führe, eine Zukunft haben soll. Natürlich besteht die Möglichkeit, Verschiedenes auszulagern. Das ist aber nicht mein Credo.
Glauben Sie, dass sich Fleischersatz-Produkte durchsetzen werden?
Fleischersatz-Produkte bereiten mir keine Sorge. Mir ist aber bewusst, dass sich die Weltkugel nicht weiterhin so drehen kann mit unserem teilweise überbordenden Konsum, egal in welchen Bereichen. Solange es uns gut geht, hat Fleischersatz Aufwind. Erst wenn es uns schlecht gehen sollte und nicht mehr alles, zum Beispiel aus Übersee, verfügbar ist, kommen die Fleischersatz-Produkte in Bedrängnis.
Wie bewältigen Sie die teils aussergewöhnlichen Wünsche der immer zahlreicher werdenden Grillzangenakrobaten?
Es gibt tatsächlich vermehrt Kunden, die sich sehr gut auskennen beim Grillieren. Das heisst, ich muss immer wieder Neues lernen, was einen aber auch weiterbringt. Es reicht nicht, wenn ich den Kunden der Spur nach berate. Das merkt er. Ganz wichtig ist es, ihm zuzuhören und zu Hause selbst Sachen auszuprobieren. Doch Wissen ist nicht nur eigene Erfahrung: Wissen ist, den Kunden ernst zu nehmen, um seinen Wünschen möglichst nachzukommen. Man darf die Freude an Neuem nicht verlieren. Denn das Gewerbe ist im stetigen Wandel. Es gilt diesen anzunehmen, sonst verschwindet man schnell von der Bildfläche.
Übermorgen ist wieder Sonntagsverkauf in der Begegnungszone. Wie wichtig ist für Sie dieser Anlass?
Für die Metzgerei ist er nicht wichtig. Wir sind zu weit weg vom Trubel, darum bleibt der Laden dann auch geschlossen. Ich bin – wie seit rund 18 Jahren – in der Begegnungszone und serviere Gulaschsuppe und dem Zeitgeist folgend Gemüsessuppe aus der Gulaschkanone. Ich buche das Ganze als Werbung ab, darum ist die Suppe auch gratis. Wer will, kann freiwillig einen Obolus leisten.
Wie kommt man auf die Idee, sich als Suppenkoch in militärischem Outfit und mit einem Relikt aus vergangenen militärischen Zeiten in die Begegnungszone zu stellen?
Ich habe dann mehr Zeit für die Kundschaft und ein Schwätzchen. Zudem kann ich den einen oder anderen Schluck Kräuter-Likör kredenzen. Damit die Schlange nicht zu lang wird, wenn ich am «Schnuure» bin, sind meine Kinder mit Freunden im Einsatz. Ich bin vor 18 Jahren angefragt worden, etwas Spezielles am Weihnachtsverkauf zu bieten. Wer mich kennt, weiss, dass ich eine Affinität zu ausgemusterten militärischen Fahrzeugen habe. Tradition eben. Mir gefällt es, mit Holz und Rauch Stimmung und Gemütlichkeit zu verbreiten. Das war die Idee, und sie ist bei den Leuten gut angekommen. Ich wurde inspiriert, als ich in einer Broschüre der Heilsarmee ein Bild gesehen habe, wie sich die Leute in früheren Zeiten um den Suppentopf geschart haben. In einer Zeit, als es den Leuten nicht gut ging und sie froh waren über eine warme Suppe.