AUSGEFRAGT | PHILIPP MIESCH, PRÄSIDENT SCHAFZUCHTVEREIN
27.09.2024 Baselbiet«Ein Gefühl von Unsicherheit und Ohnmacht»
Morgen hätte auf dem «Schillingsrain» in Liestal eine Jubiläums-Schafschau stattfinden sollen. Sie wurde wegen der grassierenden Blauzungenkrankheit abgesagt.
Elmar ...
«Ein Gefühl von Unsicherheit und Ohnmacht»
Morgen hätte auf dem «Schillingsrain» in Liestal eine Jubiläums-Schafschau stattfinden sollen. Sie wurde wegen der grassierenden Blauzungenkrankheit abgesagt.
Elmar Gächter
Herr Miesch, was löst die Blauzungenkrankheit unter den Schafhaltern und Schafzüchtern im aus?
Philipp Miesch: Es besteht eine grosse Unsicherheit, da bekannt ist, dass die Mortalität bei Schafen relativ hoch ist. Der gesundheitliche Zustand der Tiere kann sich von einem Tag auf den andern verschlechtern, mit Symptomen wie Lahmheiten, Ödemen, geschwollenen Nasen, Lippen oder Ohren oder, wie der Name schon sagt, einer blauen Zunge. Schafe können auch an einer Grippe erkranken, die jedoch milder verläuft. Ob es sich um die Blauzungenkrankheit handelt, kann nur durch eine Blutuntersuchung festgestellt werden. Ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit stellt sich ein, weil man der Krankheit im Moment ziemlich hilflos gegenübersteht. Man weiss, dass es Impfstoffe gibt und fragt sich, warum noch keiner zugelassen ist. Bei unseren nördlichen Nachbarn ist die Blauzungenkrankheit schon länger ein Thema. Ich will aber niemandem die Schuld geben. Wir müssen versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und an einem Strang ziehen.
Wie gehen Sie mit kranken Tieren um in Ihrem Tierbestand?
Diese Tiere nehme ich von der Weide und halte sie in einer separaten Gruppe im Stall. So kann ich sie besser und gezielter beobachten. Ich merke schnell, wenn sie nicht mehr fressen, was ein schlechtes Zeichen ist.
Von den Behörden gibt es Empfehlungen, wie man sich als Schafhalter verhalten soll. Was machen Sie konkret?
Die Empfehlung, die Tiere im Stall zu halten und die Mücken mit Netzen abzuhalten, ist für mich etwas theoretisch. Oft sind meine Schafe in dieser Jahreszeit draussen auf der Weide. Ich halte sie möglichst fern von stehendem oder fliessendem Gewässer, wo sich die krankheitsübertragende Mücke aufhält. Ich schere meinen Schafen einen Streifen über den Rücken und sprühe ein Insektizid darauf, das über die Haut in die Blutbahn gelangt.
Verschiedene Betriebe sind von einer Sperre betroffen. Welche Konsequenzen hat sie auf die Schafhalter?
Wird bei der Blutuntersuchung das Blauzungenvirus nachgewiesen – die Krankheit ist meldepflichtig –, wird der betroffene Betrieb gesperrt. Die Tiere dürfen nicht in den Lebendviehhandel gelangen.
Gesunde Tiere können jedoch mit speziellen Begleitpapieren direkt zum Schlachthof gebracht werden. Kranke Tiere dürfen ohnehin nicht geschlachtet werden.
Haben Sie eine solche Krankheit schon einmal erlebt?
Ich erinnere mich an die Situation von vor etwa 15 Jahren, als ich als junger Schafhalter zum ersten Mal mit dieser Krankheit konfrontiert wurde. Nicht zuletzt dank der damals möglichen Impfung gab es in unserer Herde jedoch keinen einzigen Krankheitsfall.
Seit Jahren kämpfen Schafhalter gegen die Moderhinke, einer schmerzhaften Klauenkrankheit bei Schafen.
Gerade in diesen Tagen, am 1. Oktober, beginnt die sogenannte Moderhinke-Sanierung. Dabei kommen in den nächsten fünf Jahren im Winterhalbjahr Kontrolleure bei jedem Schafhalter vorbei, um von den Tieren eine Tupferprobe zwischen den Klauen zu nehmen.
Wird dabei das hochansteckende Bakterium festgestellt, muss das Tier unter anderem mit Klauenbädern behandelt werden, bis der Test negativ ausfällt. Die Krankheit ist gut behandelbar, aber zeitaufwendig.
Macht es überhaupt noch Freude, Schafe zu halten?
Meine Freude und meine Begeisterung für das Halten und Züchten von Schafen reisst nicht ab. Tatsache aber ist, dass es zurzeit sehr anspruchsvoll ist und Durchhaltewillen verlangt. Man sagt, Schafe seien genügsam, und das stimmt auch weitgehend. Aber man muss sich mit solchen Umständen wie der Blauzungenkrankheit arrangieren können. Auch auf meinem Betrieb ist es in dieser Hinsicht momentan nicht «lustig». Aber wenn ich in der gerade begonnenen Ablammsaison sehe, wie die jungen Lämmer herumtollen und sich wohlfühlen, dann entschädigt das für vieles.
Zur Person
emg. Der 32-jährige Philipp Miesch ist gelernter Landwirt und hat sich zum Agrotechniker weitergebildet. Er ist zu 50 Prozent auf dem väterlichen Betrieb angestellt, die anderen 50 Prozent arbeitet er im technischen Dienst einer Futtermühle mit Schwerpunkt Rindviehmast. Er ist seit seiner Jugend Schafhalter und Schafzüchter und präsidiert seit rund vier Jahren den Schafzuchtverein Baselland und Umgebung.
Und bei den Rindern?
emg. Im Kanton Baselland wurde die Blauzungenkrankheit bis Mitte dieser Woche in 59 Betrieben festgestellt (37 Schafhaltungen, 21 Rinderhaltungen, 1 Ziegenhaltung). Naturgemäss ändern diese Zahlen ständig, da Verdachtsfälle laufend abgeklärt werden. Die Krankheit hat sich über den ganzen Kanton ausgebreitet, es gibt keinen eigentlichen «Hotspot». Gemäss Tierseuchenverordnung sind alle Betriebe, in denen das BT-Virus nachgewiesen wurde, gesperrt. Bei Rindern seien die Krankheitssymptome in der Regel milder als bei Schafen, sagt Kantonstierärztin Marie-Louise Bienfait.
Da nicht alle Tiere schwer erkranken, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in Rinderbetrieben alle Fälle erkannt und gemeldet werden. Da die Blauzungenkrankheit nicht von Tier zu Tier übertragen wird, gibt es kein Ausstellungsverbot. Gesperrte Betriebe dürfen jedoch keine Tiere zu Tierschauen bringen. Mit einer zeitnahen Zulassung eines Impfstoffs gegen BTV-3 sei derzeit nicht zu rechnen, so Bienfait. Es sei noch kein Zulassungsantrag eingegangen. Ein solches würde mit höchster Priorität geprüft.