AUSGEFRAGT | MARKUS ZENTNER, PRÄSIDENT DES VEREINS BASELBIETER FELDSCHEUNEN
05.07.2024 Baselbiet«Die Vielfalt ist mir das Allerliebste»
Als Präsident des Vereins Baselbieter Feldscheunen setzt sich Markus Zentner für den Erhalt der wirtschaftlich meist nicht mehr benötigten Bauten ein, weil sie insbesondere im Oberbaselbiet das ...
«Die Vielfalt ist mir das Allerliebste»
Als Präsident des Vereins Baselbieter Feldscheunen setzt sich Markus Zentner für den Erhalt der wirtschaftlich meist nicht mehr benötigten Bauten ein, weil sie insbesondere im Oberbaselbiet das Landschaftsbild prägen.
Jürg Gohl
Herr Zentner, als Präsident des Vereins Baselbieter Feldscheunen haben Sie Ihre Jahresversammlung vom 22. Juni wegen Regens kurzfristig in den Herbst verlegt. Das wäre bei einem Frauen-, Musik- oder Sportverein undenkbar. Haben Sie viele Beschwerden erhalten?
Markus Zentner: Nein, im Gegenteil, wir haben viel Zuspruch und Verständnis erfahren. Wir verbinden unsere Jahrestagung immer mit einem interessanten Rahmenprogramm. Meistens beschäftigten wir uns mit Themen des Natur-, Denkmal- und Landschaftsschutzes. Dieses Jahr hatten wir eine Führung auf dem Wiesenweg in Titterten geplant, was aber aufgrund der Witterung und der Bodenverhältnisse keinen Sinn ergeben hätte.
Ziel des Vereins ist die Erhaltung und Pfl ege der Feldscheunen im ländlichen Baselbiet. Wer bei Ihnen mitmachen will, muss also zwei geschickte und vor allem kräftige Hände haben. Ist damit das typische Vereinsmitglied einigermassen treffend beschrieben?
Nicht unbedingt. Die 150 Mitglieder sind eine sehr heterogene Gruppe. Einerseits sind sicher viele dem Bereich Architektur und Handwerk zugeneigt oder selbst beruflich darin verankert. Andererseits gibt es auch viele Mitglieder, die einfach gerne in der Kultur- und Naturlandschaft des Oberbaselbiets unterwegs sind und sich vielseitig interessieren, natürlich auch für historische Begebenheiten. Wir haben eine gute Altersdurchmischung und an den Arbeitstagen auch immer eine ausgewogene Beteiligung aller Geschlechter.
Gibt es Unterschiede zwischen den hiesigen Feldscheunen und jenen in anderen Landesteilen?
Ja, es gibt den spezifischen Typus der Feldscheune, der nur zwischen den historisch bedeutsamen Passübergängen Saalhöhe und Passwang zu finden ist und sich auf das Gebiet des alten Kantons Basel beschränkt. Dieser zeigt auch die ortstypische Architektur der Entstehungszeit ab Mitte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Wir können von über 200 Feldscheunen im Baselbiet ausgehen. Wie schaffen Sie es, sie alle zu überwachen und zu pflegen?
Insgesamt sind 270 Feldscheunen inventarisiert, es dürften aber noch einige mehr sein. Besonders wertvolle Scheunen wollen wir erhalten.
Was heisst «wertvoll» für Sie?
Das bedeutet, dass die Objekte über einen herausragenden Denkmaloder Naturwert verfügen und eine besondere landschaftliche Wirkung entfalten. In einem fachlich fundierten Abwägungsprozess prüfen wir die Objekte und ihre Umgebung auf ihre Potenziale und führen eine entsprechende Liste, um dann für die gefährdeten Scheunen in Absprache mit den Eigentümern eine geeignete Interventionsstrategie entwickeln zu können. Insofern reduziert sich auch die Anzahl, denn nicht alle haben das gleiche Potenzial. Natürlich sind wir noch nicht mit allen Scheunen so weit, aber wir haben einen guten Überblick und werden auch von externen Fachstellen unterstützt.
Wie geht man vor, wenn man eine baufällige Feldscheune entdeckt und vor dem Verfall retten will? Gibt es Eigentümer, die ihr Veto einlegen?
Wie gesagt, wir ermitteln zuerst das Potenzial und natürlich auch den Aufwand. Wenn eine Erhaltungsstrategie zu einer unverhältnismässigen Finanzierung führt, ist es schon vorgekommen, dass eine wichtige Feldscheune aufgegeben werden musste. In der Regel ist aber eine längere Interessenabwägung mit den Eigentümern vorausgegangen, die als Entscheidungsgrundlage in Einzelfällen dann zum Abbruch geführt hat. In der Regel machen wir die Erfahrung, dass die Eigentümer bei entsprechender Sensibilisierung ihre Objekte nicht einfach aufgeben.
Im Oberbaselbiet werden Bauernhäuser unter Wahrung des Ortsbilds zu modernen Wohnhäusern umgebaut. Wäre Ähnliches auch bei Feldscheunen denkbar?
Aus zonenrechtlichen Gründen ist dies derzeit nicht möglich und es ist sicherlich auch fraglich, ob dies von der Öffentlichkeit gewünscht wäre. Für einzelne Objekte gibt es aber durchaus Nutzungsmöglichkeiten. Zum Beispiel als niederschwellige Standorte für Natur- und Umweltbildung. Ein Abriss auf Vorrat macht wenig Sinn. Wir wissen heute nicht, wie die Nutzungsperspektiven in 20 Jahren aussehen.
Wie stark wird der Verein von der öffentlichen Hand unterstützt?
Der Verein wird von den kantonalen Lotteriefonds, dem Fonds Landschaft Schweiz (FLS), dem Bafu und verschiedenen Stiftungen unterstützt. Zudem leisten unsere Mitglieder einen jährlichen Beitrag von 40 Franken.
Verraten Sie uns bitte noch, wo im Baselbiet Ihre liebste Feldscheune steht.
Leider kann und will ich mich nicht auf eine Lieblingsfeldscheune beschränken. Landschaft und Gebäude bilden für mich eine Synthese, sodass ich eher von einer Lieblingssituation sprechen müsste. Es gibt viele, die mir einfallen; alle haben ihre Eigenheiten und Reize und eine besondere Atmosphäre. Die Vielfalt ist mir am liebsten.
Verein Baselbieter Feldscheunen
jg. Die rund 270 Feldscheunen, die im Baselbiet überlebt haben, wurden in den Jahren nach 1980 in einem unverbindlichen Inventar erfasst. Etwa 30 Prozent davon sind als besonders erhaltenswerte Gebäude eingestuft. Der Verein Baselbieter Feldscheunen wurde im Jahr 2010 gegründet und setzt sich zum Ziel, auf die Feldscheunen als Teil der überkommenen Landschaft und als Zeuge unserer Baukultur aufmerksam zu machen.
Der Verein führt Arbeitstage durch, um kleinere Schäden an vernachlässigten Objekten zu beheben und setzt sich dafür ein, dass jedes Jahr eine der besonders gefährdeten Scheunen instand gesetzt werden kann. Der Verein Baselbieter Feldscheunen unterstützt die Eigentümer mit beratender Hilfe und Mitarbeit bei ihren Bestrebungen, diese landwirtschaftlichen Kleinbauten zu erhalten. Dazu gehört auch, Institutionen um finanzielle Hilfe anzugehen.