AUSGEFRAGT | LORENZ DEGEN, HISTORIKER
06.12.2024 Baselbiet«Vom modernen Comic bis zum Gedichtbändchen»
Der Historiker Lorenz Degen möchte zusammen mit dem Autor und Kulturvermittler Thomas Schweizer die literarische Gesellschaft Baselland gründen.
Sander van Riemsdijk
...«Vom modernen Comic bis zum Gedichtbändchen»
Der Historiker Lorenz Degen möchte zusammen mit dem Autor und Kulturvermittler Thomas Schweizer die literarische Gesellschaft Baselland gründen.
Sander van Riemsdijk
Herr Degen, wie fanden Sie zur Literatur?
Lorenz Degen: Hanspeter Fritschi, mein verehrter Deutschlehrer am Gymnasium Liestal, hat in mir die Begeisterung für Literatur geweckt. Die regionale Literatur habe ich später selbstständig entdeckt, insbesondere fasziniert mich seither das Leben und Werk von Carl Spitteler. Mit der kürzlich verstorbenen Waldenburger Autorin Elisabeth Müller-Fuchs gründete ich 2009 eine Carl Spitteler-Lesegruppe in Waldenburg. Dies war mein erstes Engagement in dieser Richtung. Mein Interesse wuchs parallel zu meinen Aktivitäten auf diesem Gebiet.
Wie würden Sie die heutige Literaturszene im Baselbiet umschreiben?
In unserem Kanton leben zwar zahlreiche Autoren, sie sind in der Öffentlichkeit aber kaum präsent. Das Baselbiet ist nicht anders als die übrige Schweiz: Jede und jeder kämpft um Aufmerksamkeit, oftmals allein. Ein Buch zu publizieren ist schwierig und kostspielig. Wer stirbt, ist in der Regel fast sofort vergessen, Nachlässe werden aus Unachtsamkeit manchmal komplett vernichtet. Die überwiegende Mehrheit der Literaturschaffenden hat weder eine Bühne noch eine Stimme, zu grossen Veranstaltungen werden sie nie eingeladen und bekommen auch keine Preise. Auch setzt sich niemand wissenschaftlich mit ihrem Werk auseinander.
Wollen Sie darum die Literarische Baselland (LGBL) zusammen mit Thomas Schweizer gründen?
Thomas Schweizer und ich waren im Herbst auf einer Reise. In unseren Gesprächen während den Carfahrten stellten wir fest, dass es bei uns im Kanton keinen Verein gibt, der sich um Literatur kümmert. Wir nahmen uns vor, nach unserer Rückkehr einen Versuch zu wagen, einen solchen ins Leben zu rufen. Noch ist diese LGBL aber nicht gegründet, wir sehen mit der Infoveranstaltung morgen Samstag erst, ob sich Leute finden, die an einer solchen Vereinigung interessiert wären.
Welche Ziele werden Sie mit der Gesellschaft verfolgen?
Die Gesellschaft besteht vermutlich aus zwei Gruppen: Aktive Literaturschaffende und solche, die sich für Literatur begeistern, aber selbst nichts publizieren, also Leserinnen und Leser sind. Gemeinsam wollen wir das Ziel verfolgen, die regionale Literatur zu fördern und uns mit lebenden wie verstorbenen Autorinnen und Autoren befassen. Weiter möchten wir Anlässe für die Mitglieder anbieten und die Geselligkeit pflegen.
Vereine schwinden laufend. Sind Sie zuversichtlich, dass der LGBL zustande kommt?
Die grösste Herausforderung dürfte tatsächlich darin liegen, Mitglieder zu gewinnen. Gegenwärtig haben Vereine keinen grossen Zulauf, wir sind also gespannt, wie das Echo auf unseren Aufruf sein wird. Wir möchten helfen, das lokale literarische Schaffen ins öffentliche Bewusstsein zu heben. Das Wirkungsgebiet der LGBL liegt hauptsächlich im Baselbiet, nachrangig in der Nordwestschweiz und der Region Dreiland. Ausflüge könnten in der Schweiz und Europa stattfinden.
Wie soll das künftige Programm aussehen?
Wir sprechen morgen Samstag über die Erwartungen der Interessierten. Persönlich kann ich mir zum Beispiel Lesungen, Vorträge oder Ausflüge wie Besuche von Bibliotheken und Buchmessen vorstellen. Aber wir möchten keinen fixen Rahmen vorgeben, sondern uns nach dem richten, was die künftigen Mitglieder wünschen.
Gibt es bestimmte Baselbieter Autoren, deren Werke Sie besonders schätzen? Möchten Sie diese für die Literarische Gesellschaft gewinnen?
Als Historiker liegen mir die verstorbenen Autoren auch am Herzen. Neben Carl Spitteler und Josef Viktor Widmann habe ich Freude an den Erzählungen und Gedichten von Hans Gysin aus Oltingen oder Ida Schweizer-Buser aus Oberdorf. Die lebenden Autoren sind in der Literarischen Gesellschaft sehr willkommen, alle dürfen sich gerne melden. Wir hoffen, dass innerhalb der LGBL ein Netzwerk von Autorinnen und Autoren und Literaturliebhaberinnen und -liebhabern entstehen wird.
Wie stellen Sie sicher, dass die LGBL für junge Autoren bis zu erfahrenen Literaten offen und attraktiv bleibt?
Ein moderner Comicband ist ebenso Teil der Literatur wie ein Gedichtbändchen von Fanny Straumann aus dem Jahr 1922. Die behandelten Schwerpunkte entwickeln sich wahrscheinlich im Lauf der Zeit und können sich auch wandeln, je nach Zusammensetzung des Vorstands und der Mitglieder.
Wer zahlt das alles?
Wenn wir einen Verein gründen würden, wären Mitgliederbeiträge sicher ein Mittel, um Finanzen zu generieren. Weiter sind Spenden oder Einnahmen von Anlässen denkbar. Aber diese Fragen sind dann erst bei einer Gründung wichtig. Vorerst geht es erst einmal um das Ausloten der Interessen, ob es überhaupt so weit kommt.
Sie arbeiten mit Thomas Schweizer zusammen. Wie werden Sie die Aufgaben im künftigen Verein aufteilen?
Thomas Schweizer ist ein wichtiger Ideengeber und reger Kulturvermittler in unserer Region. Er hat bereits zahlreiche Bücher publiziert und kennt den Buchmarkt und das Verlagswesen. Ich durfte mit ihm schon etliche Auftritte absolvieren, zum Beispiel beim Abendrundgang als «Carl Spitteler und der Nachtwächter» in Waldenburg und Liestal. Die einzelnen Aufgaben sind noch nicht festgelegt, diese hängen auch davon ab, welche Veranstaltungen wir durchführen und welche Leute sich engagieren wollen.
Was können Interessierte vom Treffen morgen erwarten?
Dieses erste Zusammenkommen dient dem gegenseitigen Kennenlernen. Es sollen Erwartungen ausgetauscht und Möglichkeiten besprochen werden. Wenn sich der Wille herauskristallisiert, einen Schritt weiterzugehen, werden wir die Gründung der LGBL vorbereiten, die dann wahrscheinlich Mitte Januar vollzogen werden kann.
Erste Zusammenkunft morgen Samstag, 7. Dezember, um 11 Uhr, in der Buchhandlung Forum, Liestal
Zur Person
fra. Lorenz Degen ist 39 Jahre alt, aufgewachsen ist er in Niederdorf und von Beruf Historiker M.A. Wohnhaft in Arlesheim, bekleidet er die Ämter Präsident Pro Bahn Nordwestschweiz und Vorstandsmitglied BahnJournalisten Schweiz. Er ist Mitglied der «Mitte» Arlesheim, und sein Hobby ist Eisenbahnfahren.