AUSGEFRAGT | KATHRIN MEIER-ROTH, LEITERIN FACHBEREICH TIERSCHUTZ STIFTUNG TBB SCHWEIZ
04.10.2024 Baselbiet«Je tiergerechter, desto besser»
Schlecht behandelt, böswillig verletzt, vernachlässigt oder ausgesetzt – das werden auch Tiere in der Schweiz. Das Team der Beratungsstelle Tierschutz der Stiftung TBB Schweiz in Basel bearbeitete im ...
«Je tiergerechter, desto besser»
Schlecht behandelt, böswillig verletzt, vernachlässigt oder ausgesetzt – das werden auch Tiere in der Schweiz. Das Team der Beratungsstelle Tierschutz der Stiftung TBB Schweiz in Basel bearbeitete im vergangenen Jahr über zweihundert Meldungen. Etwas mehr als die Hälfte davon betrafen Tierhaltungen im Kanton Baselland.
Brigitte Keller
Frau Meier-Roth, der 4. Oktober gilt als «Welttierschutztag». Welche Tiere werden bei uns besonders häufig misshandelt oder vernachlässigt?
Kathrin Meier-Roth: Der grösste Teil der Meldungen, die wir erhalten, betrifft Hunde und Katzen, und bei den landwirtschaftlichen Tierhaltungen handelt es sich oft um Schafe.
Welche Fälle werden bei Ihnen gemeldet?
Bei Hunden beispielsweise, dass diese viel zu wenig bis keinen Auslauf haben, also nicht tiergerecht gehalten werden. Bei Meldungen zu Katzen geht es oft um «Fremdfütterung», also dass jemand Katzen von anderen Besitzern gegen deren Willen füttert. Oder jemand meldet sich, weil er oder sie der Meinung ist, dass diese von ihren Besitzern nicht gut versorgt werden. Es kommt auch vor, dass Katzen bei einem Umzug einfach zurückgelassen werden. Anfangs schauen noch die Nachbarn, sobald sie zum Tierarzt müssten, ist niemand mehr zuständig. Manchmal melden Spaziergänger oder Wanderer beispielsweise auch Kaninchenhaltungen, die ihnen nicht tiergerecht erscheinen. Und jetzt, in der kalten Jahreszeit, werden uns auch regelmässig Schafe gemeldet, die keine windgeschützten Unterstände hätten, auch wenn es tagelang regnet und stürmt.
Wie gehen Sie nach Eingang solcher Meldungen vor?
Wir versuchen, bereits telefonisch so viele Informationen wie möglich zu erhalten, und die Tierschutzbeauftragten gehen vor Ort. Diese klären ab, ob Tierschutzgesetze nicht eingehalten wurden. Dann beraten wir und versuchen, Verbesserungen herbeizuführen. Treffen wir auf grob vernachlässigte Tiere und uneinsichtige Besitzer, dann melden wir die Verstösse dem Veterinäramt. Bei Katzen, die immer wieder vor fremden Türen auftauchen, raten wir, herauszufinden, wem sie gehören könnten. Dazu könnte man beispielsweise ein Foto machen, in der Gegend herumfragen oder einen Zettel aufhängen. Unsere Tierschutzbeauftragten gehen vor Ort, um den allgemeinen Zustand des Tieres festzustellen und ob ein Chip vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, wird das Tier auch schon mal ins Tierheim mitgenommen.
Und bei ganz schlimmen Fällen?
Bei gravierenden Misshandlungen raten wir, keine Zeit zu verlieren und sofort das Veterinäramt oder die Polizei einzuschalten. In solchen Fällen unterstützen wir die Melder dabei, wie sie am besten vorgehen sollen.
Haben Sie noch andere Beispiele?
Uns werden beispielsweise Hunde gemeldet, die immer angebunden sind und zu wenig Platz und Auslauf haben. Wenn gewisse Regeln eingehalten werden, ist das gesetzlich erlaubt. Ob Verstösse gegen die Vorgabe vorliegen, dass sich Hunde mindestens fünf Stunden pro Tag frei bewegen müssten, ist nicht so einfach herauszufinden. Sehr oft geschieht Vernachlässigung auch aus Überforderung oder Unwissen. Uns werden auch immer wieder Hunde gemeldet, deren Besitzerinnen oder Besitzer gesundheitlich respektive körperlich nicht mehr in der Lage sind, die Tiere den Bedürfnissen entsprechend zu bewegen und diese teilweise in der Wohnung angebunden lassen. Viele Verstösse geschehen aus reiner Ignoranz dem Tierwohl gegenüber. So treffen wir nach wie vor auch immer wieder auf einzeln gehaltene Vögel in zu kleinen Käfigen.
Welche Auswirkungen haben die Vernachlässigungen und Misshandlungen auf die Tiere?
Bekommen die Tiere zu wenig Futter und/oder sind medizinisch unterversorgt, hat dies Konsequenzen für ihren Gesundheitszustand. Hunde, die immer angebunden sind und nicht rauskommen, leiden an «Untermuskelung». Diese Dinge sind ersichtlich und können durch eine tierärztliche Untersuchung bestätigt werden. Vernachlässigung in Form von Unterbeschäftigung ist schwieriger festzustellen. Diese Tiere können lethargisch werden oder nervös und stereotypische Verhaltensweisen zeigen.
Und bei Katzen?
Katzen können sich unkontrolliert vermehren, wenn sie nicht kastriert werden, was zu noch mehr Katzen und einer noch grösseren Überforderung der Besitzer führen kann. Gerade in Sachen Kastration von Katzen bieten wir, falls nötig, Unterstützung an beim Bereitstellen von Katzenfallen und dem Einfangen von Katzen auf Bauernhöfen. Wir führen immer wieder Einsätze durch, wo wir einen Teil der Kosten übernehmen. Es gibt auch Tierarztpraxen, die im Rahmen des «Katzen-Kastrationsprogramms» auf einen Teil der Behandlungskosten verzichten.
Bei welchen Tierarten beurteilen die Tierschützer die Haltung eher als problematisch, obwohl diese legal ist?
Es heisst, dass es Massentierhaltung in der Schweiz nicht gibt, aber die Hühner in gewissen Ställen, die in etwa den Platz eines A4-Blattes haben, sehen das wohl etwas anders. Ich persönlich finde, auch bei den Kaninchen könnte man grosszügiger demgegenüber sein, was als gesetzliche Minimalvorschrift gilt. Wir als Tierschützer sagen, je tiergerechter, also den Bedürfnissen des Tieres entsprechend, desto besser. Und wenn schon ein Haustier, dann soll es möglichst optimal gehalten werden. Man sollte sich schon vor der Anschaffung damit befassen, ob man dafür genug Zeit und Musse hat. Wichtig ist neben der körperlichen auch die geistige Auslastung der Tiere mit Zeit für Tricks und Spiele.
Zur Person
bk. Kathrin Meier-Roth (59) ist seit 15 Jahren als Leiterin Fachbereich Tierschutz und HR bei der Stiftung TBB Schweiz in Basel tätig. Zusammen mit zwei Tierschutzbeauftragten, die vor Ort gehen, bearbeitet sie eingehende Meldungen, bietet Beratungen an in Sachen Tierschutz und erstellt Merkblätter, Checklisten, Broschüren zu diversen Tierarten und Fachartikel zu aktuellen Tierschutzthemen.
Sie ist im Schwarzbubenland aufgewachsen und wohnt in Bubendorf.