«Wir müssen lernen, einen Standort zu verkaufen»
Der Verein Erlebniszentrum Liestal will die Attraktivität des «Stedtlis» fördern, um mehr Besucher zu gewinnen. Dafür etabliert er ein Zentrums-Management. Stadtpräsident Daniel ...
«Wir müssen lernen, einen Standort zu verkaufen»
Der Verein Erlebniszentrum Liestal will die Attraktivität des «Stedtlis» fördern, um mehr Besucher zu gewinnen. Dafür etabliert er ein Zentrums-Management. Stadtpräsident Daniel Spinnler und Retail-Fachmann Thomas Bretscher erklären, warum es sich lohnt, dafür 220 000 Franken auszugeben.
Christian Horisberger
Liestal lebt. Es gibt im Zentrum attraktive Events, einen tollen Markt und gut besuchte Beizen auf der Allmend. Wofür braucht das «Stedtli» jetzt noch einen «Zentrums-Manager»?
Daniel Spinnler: Prévoir, c’est gouverner. Wir müssen vorausschauen und sehen dabei gewisse Trends, die eine Gefährdung des belebten Zentrums darstellen. Andererseits sehen wir auch Potenzial für eine noch stärkere Belebung.
Was gefährdet das Zentrum?
Spinnler: Risiken sehen wir etwa im zunehmenden Onlinehandel, in der Grenznähe und dem damit verbundenen Einkaufstourismus oder der Zunahme von Lieferservices in der Gastronomie.
Thomas Bretscher: Es gibt auch Leerstände, die möglichst zu vermeiden sind. Hat man einen – das sieht man am Fischmarkt –, ist die Chance relativ gross, dass es zu einem zweiten und dritten kommt. Das zieht sich wie Karies weiter und plötzlich ist Feierabend.
Spinnler: Wir haben seit der Erneuerung der Rathausstrasse eine attraktive Hardware. Es braucht aber auch eine Software, zum Beispiel für eine bessere Koordination unter den Playern. Das sind Detailhandel, Gastronomie, Liegenschaftseigentümer, Bewohner, Büros, Märkte, Veranstaltungen, Tourismus sowie die Verwaltung, welche die Regeln vorgibt. In einem herkömmlichen Einkaufszentrum hat man eine Person, die dies managt und beispielsweise auch Vorgaben zum Angebotsmix oder zu den Öffnungszeiten macht. Bei uns gibt es bisher keine Koordinationsstelle, bisher hiess es einfach, «man sollte …». Das ändert sich nun mit der Verpflichtung eines Zentrums-Managements.
Der Manager oder die Managerin soll also steuern, was für Geschäfte und Gastrobetriebe sich im Zentrum von Liestal niederlassen?
Spinnler: Ja. Er oder sie erkennt, dass dem «Stedtli» beispielsweise ein Süsswarenhändler fehlt und streckt die Fühler aus, um die Bedürfnisse und Bedingungen möglicher Kandidaten dieser Branche in Erfahrung zu bringen. Wenn ein passendes Lokal frei wird, können potenzielle Anbieter gezielt kontaktiert werden, bevor die Geschäftsfläche ausgeschrieben wird, um sie möglichst rasch – aber eben auch beliebig – zu besetzen. Das Angebot wird dadurch interessanter, das «Stedli» für einen Besuch attraktiver. Wenn wir es einfach laufen lassen, bekommen wir viele Läden mit ähnlichen Angeboten.
Bretscher: In einer anderen Stadt, in der ich tätig bin, wurden 46 Firmen angeschrieben, um einen Betrieb aus der gewünschten Branche für ein freies Lokal zu finden. Wir müssen lernen, auf Leute zuzugehen, um einen Standort zu verkaufen. Man muss sich bewusst sein: Heute gehen die Menschen nicht mehr in die Stadt, um bestimmte Einkäufe zu erledigen, sondern weil es ein Lebens- und Begegnungsraum mit einem Unterhaltungsfaktor ist, wo man ausserdem etwas kaufen kann.
Herr Bretscher, mit welcher Art Läden würden Sie den Angebots-Mix im «Stedtli» ergänzen?
Bretscher: Mir fehlt beispielsweise ein Handydoktor, der ein Mobiltelefon innert kurzer Zeit repariert. Gesundheit und Beauty werden in Zukunft immer mehr ein Thema sein: Die Menschen werden älter und legen zunehmend Wert auf ihre Gesundheit und ihr Äusseres, auch im Alter.
Spinnler: Haushaltswaren fände ich auch spannend. Oder: In Rheinfelden habe ich einen Uhrenladen entdeckt, bei dem man dem Uhrmacher durchs Schaufenster bei der Arbeit zuschauen kann. Mit solcherlei kann den Passanten ein Erlebnis geboten werden.
Bretscher: Zu Rheinfelden ist zu sagen, dass dort vor fünf Jahren ein City-Manager engagiert wurde, wie es jetzt auch Liestal tut. Die Stelle war auf drei Jahre befristet. Nach Ablauf der Frist sagten die Träger: «Hört bloss nicht auf damit!»
Mit der Lichternacht, dem Stedtlilauf, Klassik-Konzerten, Open-Air-Kino oder Chienbäse und Fasnacht gibt es bereits eine Reihe von Events im «Stedtli». Ist es auch Aufgabe des Zentrums-Managements, weitere Anlässe zu entwickeln? Spinnler: Der Zentrums-Manager ist ganz klar kein Event-Manager. Aber er könnte als Anlaufstelle und Koordinator wirken bei der Entwicklung von Events oder Perlen, wie wir sie nennen, die das Programm ergänzen.
Würden die Anwohner weitere Veranstaltungen schlucken?
Spinnler: Aktuell haben wir fünf laute Nächte im «Stedtli», drei davon während der Fasnacht. Die Stadt lädt die Menschen, die in der Altstadt wohnen, einmal jährlich zu einem Treffen ein, wo auch Themen wie Toiletten, Sicherheit oder Lärm bei Anlässen zur Sprache kommen. Ich hatte das Gefühl, die Stimmung dieses Jahr war schon sehr positiv. Bei solchen Treffen muss ein Zentrums-Manager natürlich dabei sein, um zu spüren, wie die Anwohner ticken, damit das Fuder nicht überladen wird und die Stimmung dreht.
220 000 Franken kostet das auf drei Jahre befristete Zentrums-Management für die Leitung mit 80 Stellenprozenten und einer Hilfskraft (40 Prozent). Die Stadt zahlt 80 000 Franken, der Kanton 40 000. Wie schwierig war es, die restlichen Mittel zu beschaffen?
Bretscher: Gar nicht. Das Projekt ist breit abgestützt und das angestrebte Ziel wird von vielen Sponsoren – wir sprechen von Botschaftern – unterstützt, die ein Herz für das «Stedtli» haben, und die keine unmittelbare Gegenleistung für ihr Geld verlangen.
Woran wird der Erfolg des Projekts gemessen?
Spinnler: An der Besucherfrequenz und der Reduktion und Vermeidung von weiteren Leerständen.
Wann startet das Management?
Bretscher: Auf die Ausschreibung haben wir eine schöne Anzahl Bewerbungen qualifizierter Personen erhalten. Kommende Woche machen wir die Triage und bestimmen, wen wir zu einem Gespräch einladen. Die Assistenzstelle wird im Anschluss besetzt. Ziel ist es, dass das Zentrums-Management Anfang 2025 startet.
Wo wird es untergebracht?
Spinnler: Wir haben noch keinen Standort. Sicher ist, dass es im «Stedtli» sein muss und nicht im Rathaus, um auch deutlich zu machen, dass es keine städtische Stelle ist. Träger ist der Verein Erlebniszentrum Liestal, in dem KMU Liestal, Baselland Tourismus und Liestal Tourismus, der Verein Gnussmärt und die Stadt Liestal mitwirken.
www.erlebnis-liestal.ch