«Aus den historisch belegten unsicheren Zeiten»
30.12.2025 BaselbietKantonsarchäologe Reto Marti über gefundene Schätze
Im Historischen Museum in Basel wird derzeit die Ausstellung «Schatzfunde» gezeigt. Zu sehen sind auch Objekte der Archäologie Baselland. Kantonsarchäologe Dr. Reto Marti erklärt die ...
Kantonsarchäologe Reto Marti über gefundene Schätze
Im Historischen Museum in Basel wird derzeit die Ausstellung «Schatzfunde» gezeigt. Zu sehen sind auch Objekte der Archäologie Baselland. Kantonsarchäologe Dr. Reto Marti erklärt die Hintergründe dieser meist zufälligen Wieder-Entdeckungen.
Lorenz Degen
Was sagen Schatzfunde über unsere Geschichte aus, wie gross ist ihr Erkenntniswert?
Reto Marti: Da der Begriff «Schatzfund» ein weites Spektrum an Umständen umfasst, lässt sich das nicht einfach pauschal beantworten. Solche «Horte» – so der Fachausdruck – können zum Beispiel in Friedenszeiten in aller Ruhe versteckt, in Notzeiten verloren oder absichtlich einer Gottheit geweiht worden sein. Für die Archäologie sind dabei mehrere verschiedene Aspekte sehr wertvoll.
Nämlich?
In der Regel sind mehrere Objekte gleichzeitig deponiert worden. Sie bieten so eine Momentaufnahme von Dingen, die damals in derselben Zeit in Umlauf oder zumindest greifbar waren. Das kann für Fragen der Interpretation der einzelnen Fundstücke und der Datierung sehr wichtig sein.
Und weiter?
Oft handelt es sich um äusserst kostbare Gegenstände, die in Horten zusammenkommen – Dinge, die im Alltag kaum je verloren gehen und deshalb auch selten von Archäologen gefunden werden können. Meistens sind sie aufgrund ihrer qualitätsvollen Ausführung auch handwerks- oder kulturgeschichtlich besonders interessant. Konkrete Aussagen zur Ereignisgeschichte sind dann möglich, wenn sich solche Funde exakt datieren und mit einem konkreten historischen Kontext verbinden lassen – etwa Münzhorte, die im Zusammenhang eines kriegerischen Ereignisses versteckt und nie mehr hervorgeholt worden sind.
Ist unsere Region eher stark oder eher schwach ausgeprägt, was Hortfunde angeht?
Da solche Horte oft ausserhalb der üblichen Siedlungszonen versteckt wurden, also nicht dort, wo heute gebaut und archäologisch systematisch überwacht wird, ist die Kenntnis solcher Schatzfunde nicht selten mit dem Engagement ehrenamtlicher Personen verbunden, die für die Archäologie auch abgelegenere Fundzonen prospektieren. Im Kanton Baselland ist eine stattliche Anzahl Ehrenamtlicher in diesem Sinn unterwegs. Entsprechend respektabel ist die Dichte an Hortfunden. Die Funddichte ist also nicht zuletzt eine Frage der Quellenkenntnis.
Aus welchen Zeiten stammen die Funde?
Besonders viele Hortfunde stammen aus den historisch belegten unsicheren Zeiten in der Epoche des Niedergangs des römischen Reiches. Der Silberschatz von Kaiseraugst ist ohne Zweifel das berühmteste Beispiel dafür. Aber es gibt Regionen, die gerade in dieser Zeit noch viel gravierendere Umwälzungen erfuhren, etwa im nördlichen Gallien oder im mittleren und unteren Donauraum. Dort sind damals zum Teil immense Reichtümer vergraben worden und dann vergessen gegangen.
Inwiefern war die Archäologie BL in die laufende Ausstellung im Historischen Museum in Basel involviert?
Die Archäologie Baselland und die Römerstadt Augusta Raurica standen von Anfang an in engem Kontakt mit der Ausstellungskuratorin Pia Kamber. Es freut uns sehr, dass entsprechend viele «Schatzfunde» aus dem unmittelbaren regionalen Umfeld in der Ausstellung vorgestellt werden können. Auch zur thematischen Vielfalt der gezeigten Ensembles konnte die Region einiges beitragen.
Waren Sie bei einem der ausgestellten Funde persönlich beteiligt?
Als Kantonsarchäologe erfährt man «zwangsläufig» immer wieder von absolut spektakulären Funden, und dies aus erster Hand. Baselland gehörte zu den ersten Kantonen, die gezielt die Unterstützung ehrenamtlicher Prospektoren suchten, was im Falle von Hortfunden – wie geschildert – entscheidend sein kann. So etwa der Keltenschatz von Füllinsdorf, der im Laufe der lange geheim gehaltenen Untersuchungen immer umfangreichere Dimensionen annahm, oder die Glocken von Angenstein, deren Auffindung einiges kriminalistisches Gespür erforderte. Der «Delfin von Munzach», eine bronzene Brunnenfigur höchster Qualität, wurde zwar vor meiner Zeit entdeckt. Aber ich habe ihn damals als Student inventarisiert, und ich habe mich immer wieder mit dem Fund befasst – was schliesslich in der aktuellen Ausstellung zu einer neuen Visualisierung führte, wie das «Meerwesen», begleitet vom Meeresgott Neptun, einst den Rand eines Zierbrunnens geschmückt haben könnte.
Gibt es unter den Funden einen, der Sie besonders fasziniert – und weshalb?
Ich habe keinen klaren Favoriten. Sie alle haben auf ihre Weise eine spannende Geschichte zu erzählen. Das macht diese Ausstellung ja auch so wunderbar abwechslungsreich. Extrem reich und vielversprechend ist aber ohne Zweifel das Depot aus der keltischen Siedlung Basel-Gasfabrik, das unsere Kollegen von der Basler Bodenforschung seinerzeit als Block geborgen haben und seither nach allen Regeln der Kunst freilegen und untersuchen.
Erwarten Sie weitere Hortfunde?
Soeben hat ja die Archäologie Baselland wieder mit neuen Entdeckungen dieser Art von sich reden gemacht, mit den Goldmünzen bei Arisdorf (siehe «Volksstimme» vom 19. Dezember, Seite 7). Es wird ohne Zweifel weitergehen mit neuen Funden von Horten oder auch besonderen Einzelobjekten, bei denen man sich fragt, wie sie an ihren Fundort gelangt sind.
Die Ausstellung «Schatzfunde» im Historischen Museum in Basel dauert bis zum 28. Juni 2026.


