Auf Du und Du mit Eisbär, Löwin und Gämse
13.12.2024 BaselbietSie ist Anwältin, hat viele Jahre als Regierungsrätin gewirkt – aber ihr eigentlicher Berufswunsch war Tierärztin. Jetzt ist Sabine Pegoraro zumindest in Ihrer Freizeit in einem vierten Feld unterwegs und vermag mit der Fotografie von wilden Tieren zu beeindrucken.
...Sie ist Anwältin, hat viele Jahre als Regierungsrätin gewirkt – aber ihr eigentlicher Berufswunsch war Tierärztin. Jetzt ist Sabine Pegoraro zumindest in Ihrer Freizeit in einem vierten Feld unterwegs und vermag mit der Fotografie von wilden Tieren zu beeindrucken.
Peter Sennhauser
«Es gehört zum Schönsten, was ich in meinem Leben gesehen habe», schwärmt Sabine Pegoraro: Im Niemandsland an der Hudson Bay in Kanada kam sie den Eisbärenmüttern mit ihren Jungen regelmässig sehr nahe. Als ob die Jungbären mit ihren Müttern im Studio posiert und herumgealbert hätten, so sehen die Aufnahmen aus, die Pegoraro im Wohnzimmer ihres Zuhauses in Pfeffingen aufgehängt hat. «Die waren so liebevoll, das kann man sich kaum vorstellen.» Die Bilder gehörten zusammen mit denen eines Jaguars, den sie dieses Jahr in Brasilien mehrfach vor das 200–600 mm-Teleobjektiv gekriegt hat, zu ihren liebsten.
Wer die ehemalige Baselbieter Baudirektorin «googelt», stösst auf Hunderte von Presseartikeln, Websites und Fotos von Anlässen aus ihrer Regierungszeit. Erst bei genauem Hinschauen entdeckt man dazwischen sporadisch ein Bild von Papageien, einem Löwenbaby oder von den Eisbären: Verweise auf Pegoraros jüngere Tätigkeit und ihre Präsenz im Web. Dabei widmet die ehemalige Magistratin ihren Namen dort vollständig ihrer Leidenschaft: Auf «pegoraro.ch» zeigt sie die schönsten ihrer unzähligen Wildtierfotos.
Das Motto: «Hautnah»
Mit ihren 66 Jahren hat Sabine Pegoraro das Pensionsalter bereits erreicht, ist aber nach wie vor berufstätig: Bei SwissLegal in Basel arbeitet sie noch immer «mit viel Spass» als Anwältin, vor allem im Bau-, Wirtschafts- und Erbrecht. Allerdings «durchaus etwas mehr als die 60 Prozent», die sie sich ursprünglich vorgenommen hat.
Die Tierbilder schiesst sie auf mehrwöchigen Fotosafaris, die sie sich jedes Jahr gönnt. «Mein Mann kommt jeweils nicht mit, das kann ich verstehen: Wir sind vom Sonnenaufgang bis nachts mit Tierbeobachtung und Fotografie beschäftigt», erzählt sie.
Entstanden ist die grosse Leidenschaft auf einer gemeinsamen Reise nach Kanada und Hawaii kurz nach ihrem Rücktritt als Regierungsrätin. «Ich hatte mir vorher eine digitale Fotoausrüstung angeschafft: meine erste überhaupt. Vorher hatte ich nur in meiner Jugendzeit als Teenager rein analog fotografiert. Ich weiss noch, wie ich unterwegs auf dem Beifahrersitz das Handbuch der neuen Kamera studiert und ständig gedacht habe, das kann nicht sein, was das Gerät alles bietet!»
Seither ist die spiegellose Sony Alpha und das 200–600 mm-Teleobjektiv ihre Hauptausrüstung, wenn sie sich auf die Pirsch begibt. Mit dieser Linse ist ihr auch das «erfolgreichste» Bild gelungen, mit dem sie im August dieses Jahres den mit 1500 Franken dotierten Publikumspreis des «Swiss Photo Clubs» gewonnen hat: Eine Löwin im Morgennebel in Sambia. «Wir waren im Morgengrauen auf 1500 Metern bei drei Grad unterwegs, wo jeweils die Flussläufe regelrechte Dampfschwaden aufsteigen lassen. Dahinter waren Antilopen und Gazellen zu sehen, und plötzlich stieg diese Löwin aus dem Wasser – das habe ich so fotografieren können.»
Elefant und Mensch erschrocken
Ihre Reisen richtet Pegoraro auf die Tiere und das Land aus, verzichtet aber nicht auf eine gute Organisation und die Gewissheit, dass sie mit verantwortungsvollen Guides unterwegs ist. Sie buche alle Trips immer bei der gleichen Agentur, die spezifisch Fotoenthusiasten an die vielversprechendsten Orte bringt.
Zwar sind Fotoreisen längst ein grosses Business, und die Wildtierreservate in Afrika wie auch in den USA quellen über von Turnschuh-Touristinnen und Selfie-Jägern. Davon will sie kein Teil sein, abgesehen davon, dass in solchen Pulks die Fotografie zu kurz kommt.
Umgekehrt sei es auch nicht so, dass sie zu strapaziösen Expeditionen aufbreche oder wochenlang in irgendwelchen Sümpfen auf den einen tierfotografischen Augenblick warte: «Das ist nichts für mich.» Sie will die Tiere erleben, den Moment geniessen und dabei ihren Teil der Verantwortung wahrnehmen. Dazu gehören Dinge wie der Mindestabstand, der beispielsweise bei den Eisbären in der Hudson-Bay 100 Meter betragen habe.
Anderswo ist man den Tieren gelegentlich näher: etwa in Uganda den Berggorillas. Oder in einem privaten «Game-Park», wie die gigantischen Wildtier-Reservate Afrikas genannt werden, wo sie eines Abends ihren Bungalow nicht habe betreten können, weil ein Elefant direkt davor stand. Ein Reisekamerad, der nichts ahnend aus seinem Bungalow direkt vor den Dickhäuter getreten sei, habe dann für einen Schreckmoment aller Beteiligten gesorgt. «Grundsätzlich bin ich aber schon gerne nahe dran. Mein Motto auf meiner Website heisst ja auch ‹hautnah›», aber das gehe dank der unfassbar guten Fototechnik heute auch mit dem Teleobjektiv.
«Die Fotografin macht das Bild!»
«Trotzdem: Es ist immer noch die Fotografin oder der Fotograf, der das Bild macht!», betont sie. Und wirft auch gleich ein, dass es dank der inzwischen viel erschwinglicheren Ausrüstung und der Möglichkeit, zu geringen Kosten viele «Übungsbilder» zu schiessen, immer mehr hervorragende Fotoschaffende gebe. Das sei ein weiterer wichtiger Grund, die eigenen Arbeiten demütig als Erinnerungsstücke zu betrachten und sich auch ohne grosses Echo daran zu erfreuen: «Ein gutes Tierbild hat an einem Fotowettbewerb längst keine Chance mehr: Das hat man alles schon gesehen. Dort muss es inzwischen die absolut aussergewöhnliche Szene, ein einzigartiger Moment oder die unschlagbare Komposition sein, sonst schafft es keine Fotografie bis vor die Jury.»
Woher aber kommt denn jetzt ihre Leidenschaft für dieses Hobby? «Ich war schon immer sehr tierliebend», erzählt Pegoraro in ihrer Stube und krault Hund Benji, der ihr grade wieder seinen Plüsch-Eisbären vorbeigebracht hat. «Ich wollte ursprünglich Tierärztin werden.» Ein Plan, von dem ihre Eltern gar nichts gehalten hätten, erzählt die Doktorin der Jurisprudenz. Um sogleich nachzuschicken: «Ich bin gerne Anwältin, so ist es nicht!» Andernfalls hätte sie sich nach der politischen Karriere nicht nochmals in den Anwaltsberuf begeben.
Ebenfalls in den Teenagerjahren habe sie aber auch die Fotografie fasziniert, und sie sei mit einer der bezahlbaren Mamiya-Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven – «zum draufschrauben. Nix Bajonett-Verschluss!» – unterwegs gewesen und habe schon damals vielfach Tiere fotografiert. «Die Bilder habe ich dann in der Dunkelkammer unseres Nachbarn entwickeln dürfen.»
Nächstes Ziel: Indien
Mit Studium, Beruf, Familie und Politik sei die Fotografie aber so weit verdrängt worden, dass sie sich nicht mehr mit dem Stand der Technik auseinandergesetzt habe. «Mein Mann und ich sind leidenschaftliche Taucher. Klar, habe ich auf unseren Ferienreisen jeweils auch mit einer kleinen Unterwasserkamera hantiert.» Den Anschluss an die alte Fotoleidenschaft habe sie damit aber nicht wirklich gefunden.
Das hat sich mit der kleinen, handlichen Systemkamera mit Vollformatsensor und 50 Megapixel Auflösung von Sony und mit den leichten, lichtstarken Objektiven radikal geändert. So sehr, dass sie mit ihrer Ausrüstung nun gezielt Reisen nach Spitzbergen in Norwegen, die Hudson-Bay in Kanada, in den brasilianischen Pantanal, nach Südafrika oder in zahlreiche andere Länder auf dem Kontinent unternimmt. Im kommenden Jahr stehen Alaska und Indien auf der Liste.
Und was sind die Tiere, die sie dort fotografieren möchte? «Tiger … Es gibt dort Reservate, wo man sie in freier Wildbahn erleben kann …» Was aber macht Sabine Pegoraro in der Freizeit, wenn sie nicht auf Reisen ist? Fotografieren natürlich: Das kann man nämlich auch direkt vor der Haustür, wie ihre faszinierenden Gämsenporträts aus Pfeffingen zeigen.