Amarant: Unkraut, Lebensmittel, C4-Pflanze
16.05.2025 BaselbietNutzniesser von warmem und trockenem Wetter
Es gibt C3- und C4-Pflanzen. Sie unterscheiden sich bezüglich der Fotosynthese. Die meisten bei uns heimischen Pflanzen sind C3-Pflanzen. Sie sind angepasst an gemässigtes Klima. C4-Pflanzen sind angepasst an heisses und trockenes ...
Nutzniesser von warmem und trockenem Wetter
Es gibt C3- und C4-Pflanzen. Sie unterscheiden sich bezüglich der Fotosynthese. Die meisten bei uns heimischen Pflanzen sind C3-Pflanzen. Sie sind angepasst an gemässigtes Klima. C4-Pflanzen sind angepasst an heisses und trockenes Klima.
Heinz Döbeli
Auf der Speisekarte in einem Restaurant in Kythira, einer vom Massentourismus verschonten griechischen Insel, wird als Gemüse «Blita» angeboten. Das Gemüse, das wie Spinat zubereitet wird, schmeckt gut. Der Kellner kannte nur den griechischen Namen. Das Gemüse sei im Garten seiner Mutter gewachsen. Ich suchte diesen Garten auf und entdeckte das Kraut. Auf Wanderungen entdeckte ich weitere Gärten, in denen dieses Gemüse angebaut wurde. Zum Teil waren die Stauden trotz Hitze und Trockenheit fast einen Meter hoch.
Auch im Baselbiet entdeckte ich dieses Kraut, nicht in Gärten, sondern als Begleitflora an einem Ackerrandstreifen. Ich liess mich belehren, dass es sich um den Zurückgebogenen Amarant handelt. (Ob es sich um Amaranthus retroflexus oder Amaranthus blitum handelt, ist unklar, denn beide werden gegessen und sehen fast gleich aus.) Mein Versuch, diese Pflanze 2024 in meinem Garten anzubauen, war nicht erfolgreich. Vielleicht lag es an der massiven Konkurrenz des Beikrauts, das infolge des feuchten Wetter überaus üppig wucherte.
Anpassung an heisses Klima
Der Amarant gehört zusammen mit Hirse und Mais zu den C4-Pflanzen. Diese sind an heisse und trockene Regionen angepasst. Oft verfügen diese Pflanzen auch über tiefe Wurzeln.
Der entscheidende Unterschied zwischen C3- und C4-Pflanzen betrifft die Fotosynthese. C3-Pflanzen wandeln bei Tag mit Hilfe von Sonnenlicht Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser in Zucker um. CO2 wird durch die Spaltöffnungen aufgenommen. Durch die gleichen Spaltöffnungen wird auch Wasser verdunstet. Um bei Hitze nicht zu viel Wasser zu verlieren, schliessen C3-Pflanzen ihre Spaltöffnungen. Wasser bleibt in der Pflanze und CO2 kann nicht mehr aufgenommen werden. Die Fotosynthese hört auf, bei Tomaten zum Beispiel etwa bei 30 Grad Celsius.
C4-Pflanzen haben einen Trick erfunden: Sie können in der Nacht CO2 aufnehmen und dieses innerhalb des Blatts speichern. Wenn es am Tag heiss wird, können sie das gespeichert CO2 trotz geschlossener Spaltöffnungen in Zucker umwandeln, ohne Wasser zu verlieren. Das erklärt die Hitze- und Trockentoleranz und den geringen Wasserverbrauch dieser Pflanzen.
Ausbreitung in Mitteleuropa?
In Mitteleuropa waren 1995 bereits 67 C4-Arten bekannt, davon 48 in Deutschland. Ein Botanikprofessor aus Braunschweig wollte es genau wissen: Er stellte fest, dass auf den 192 Quadratkilometern des Stadtgebiets von Braunschweig 1908 sieben C4-Arten wuchsen, im Jahr 1976 bereits neun, 1987 dreizehn und im Jahr 1994 sechzehn. Ob diese Zunahme eine Folge des Klimawandels, der Globalisierung, einer veränderten Landnutzung oder eine Kombination davon ist, kann aufgrund dieser Daten nicht gesagt werden.
Bei C3-Pflanzen findet die Fotosynthese gleichzeitig mit der CO2-Aufnahme statt, nämlich am Tag. Bei C4-Pflanzen sind diese beiden Prozesse zeitlich getrennt: CO2-Aufnahme in der Nacht, wenn es kühl ist, Photosynthese am Tag trotz geschlossener Spaltöffnungen. Dank dieser Fähigkeit haben C4-Pflanzen wegen der Klimaerwärmung einen Konkurrenzvorteil. Wenn C3-Nutzpflanzen wie zum Beispiel Reis oder Weizen so verändert werden können, dass sie ebenfalls C4-Eigenschaften haben, würde dies ermöglichen, Nutzpflanzen an den Klimawandel anzupassen. Daran wird geforscht.
Thema der vorangegangenen Kolumne war die griechische Insel Ikaria. Dort werden die Menschen überdurchschnittlich alt. Grund dafür könnte unter anderem ihre Ernährung sein, insbesondere die vielen bitteren Wildpflanzen, die ihre Kost bereichern. 55 Wildpflanzen sind dokumentiert, auch Amarantarten sind darunter, zusammen mit den lokalen Varianten von Wegwarte und Löwenzahn, die bei uns als «Unkräuter» gelten. Sollte Interesse an dieser Sammlung von «gesunden» Wildpflanzen bestehen, kann die Liste per E-Mail bei mir angefordert werden (heinz.doebeli@bman.ch).