Als General Guisan das Oberbaselbiet besuchte
08.04.2025 Sissach, SchweizZum 65. Todestag des «Monsieur le général»
In Erinnerung an Henri Guisan erzählt «Volksstimme»-Leser Werner Degen von der Verbindung, die sein Vater zum General hatte: Karl Degen erwies Guisan, der einst in Sissach zu Besuch gewesen war, als ...
Zum 65. Todestag des «Monsieur le général»
In Erinnerung an Henri Guisan erzählt «Volksstimme»-Leser Werner Degen von der Verbindung, die sein Vater zum General hatte: Karl Degen erwies Guisan, der einst in Sissach zu Besuch gewesen war, als Fähnrich des Baselbieter Landwehr-Bataillons 245 die letzte Ehre.
Werner Degen
Gestern vor 65 Jahren starb der früher hochverehrte und äusserst populäre General Henri Guisan. Heute nimmt vom Todestag des Schweizer Oberbefehlshabers im Zweiten Weltkrieg kaum noch jemand Notiz.
Anders damals, als am frühen Morgen des Donnerstag, 7. April 1960, die Nachricht des Todes von General Henri Guisan durch das Land ging: Es rüsteten sich viele Tausende zur Teilnahme an der Trauerfeier am Dienstag, dem 12. April, in Lausanne. Mit der Leitung der Vorbereitungen und der Organisation der Trauerfeierlichkeiten wurde vom Bundesrat der Kommandant des 1. Armeekorps, Korpskommandant Samuel Gonard, beauftragt. Zum Ehrendienst aufgeboten wurden: das Berneroberländer Gebirgsfüsilier-Bataillon 36, eine Haubitzenabteilung und ein Dragonerschwadron.
Alle Fahnen- und Standartenträger sämtlicher Truppenkörper erhielten mit einem Telegramm (!) den Befehl, in den Zeughäusern die Fahnen zu fassen und damit nach Lausanne einzurücken. Zu ihnen gehörte auch mein Vater, Adj Uof Karl Degen (1923– 2003). Er holte im Liestaler Zeughaus die Fahne des Baselbieter Landwehr-Bataillons 245 und rückte in Lausanne ein. Stolz zeigte er uns Söhnen immer wieder den Eintrag in seinem Dienstbüchlein: «Service d’ honneur fédéral 11. bis 13.4.1960» mit der original Unterschrift von Korpskommandant Gonard.
Als sich um 13.30 Uhr der Trauerzug in Bewegung setzte, läuteten in der ganzen Schweiz die Kirchenglocken. Unter den vielen prachtvollen Kränzen war ein sehr grosser mit dem Sternenbanner geschmückt, gesandt vom amerikanischen Präsidenten und ehemaligen General Dwight «Ike» Eisenhower.
Auf der Place de la Riponne stellten sich alle 458 Fahnen der Bataillone und Abteilungen der Schweizer Armee auf. Sie neigten sich, als die Lafette mit dem Sarg, bedeckt mit einer Schweizer Fahne, darauf der gekreuzte Offizierssäbel und der Generalshut, vorüberzog. Zwei Fliegerstaffeln donnerten über Lausanne hinweg. Rund 3000 Personen schritten den 3,5 Kilometer langen Weg von Pully bis hinauf zur Kathedrale, die über der Stadt thront.
Ein Militär, kein Zivilist
Die Strassen waren dicht umsäumt. Man schätzte die Menschenmenge, die tief bewegt und entblössten Hauptes den Trauerzug vorbeiziehen liess, auf mehr als 300 000 Personen, die aus allen Teilen der Schweiz zusammengekommen waren. Ein solches Grabgeleit hatte die Schweiz noch nie gesehen.
Auf dem Friedhof in Pully ruht Guisan, der General unseres Landes im Zweiten Weltkrieg. Es ist unüblich für uns Schweizer, dass wir unsere Grabsteine mit dem militärischen Grad versehen. In anderen Ländern ist es anders. Es gehört sich nicht (wie vieles in unserem kleinen Land), sich mit militärischem Grad zu verewigen. Bei Guisan dagegen scheint es schon fast natürlich, dass er hier als General begraben ist. Hier liegt ein Militär, kein Zivilist. Ein Sinnbild eidgenössischen Patriotismus’ – wie aus der Zeit gefallen.
An seinem letzten Armeerapport 1945 in Jegenstorf sagte Guisan: «Die Dankbarkeit ist kein Gefühl von langer Dauer. Und wenn die öffentliche Meinung Ihre Verdienste um die Erhaltung der Freiheit des Landes heute noch würdigt, so kann doch diese Anerkennung bald verblassen. Nur in bescheidenem Masse werden Sie mit dem Aktivdienst als einem moralischen Kapital rechnen können. So schön und kostbar Ihre, unsere Erinnerungen an diese Zeit auch sind. Genau genommen zählt dieses Kapital nur für Sie selbst und für Ihre Kameraden.» Er sollte recht behalten.
Ein Ständchen für den General
Der General war einst auch im Oberbaselbiet zu Besuch. Am Freitag, dem 9. Februar 1940, machte General Henri Guisan auf seiner Inspektionsreise entlang der Nordgrenze Halt in Sissach, wie im Archiv der «Volksstimme» nachzulesen ist. Auf dem Platz vor dem Gasthaus Löwen versammelten sich Behördenvertreter und Schulklassen, um ihn willkommen zu heissen. Der General begrüsste den damaligen Gemeindepräsidenten Carl Ritter, Rektor Jakob Felber und Lehrer Hans Briggen per Handschlag.
Eine Schülerin überreichte Guisan einen Strauss rot-weisser Nelken. Die Schulkinder sangen zwei Lieder, während der Oberbefehlshaber aufmerksam zuhörte, sich anschliessend kurz mit ihnen unterhielt und salutierend seinen Dank ausdrückte. Anschliessend stieg er in seine Limousine, die beim Eisenhändler Oesch vis-à-vis der heutigen Gemeindeverwaltung geparkt war. Zahlreiche Menschen drängten heran, um durch das geöffnete Fenster die Hand des 66-Jährigen zu ergreifen.
Gut 50 Jahre nach seinem Tod wählten die Fernsehzuschauer Henri Guisan im Jahr 2011 zum «Romand du siècle», vor Swatch-Gründer Nicolas Hayek, vor Physiker Auguste Piccard, vor Astronaut Claude Nicollier, vor Künstler Jean Tinguely und anderen. Den Mann, dessen Bild einst in fast jeder Schweizer Stube und in jedem Wirtshaus an der Wand hing. Den Mann, der einen Nimbus hatte wie kein anderer Schweizer vor ihm.
Guisan war eine Figur, die über Jahrzehnte aus der Schweizer Erinnerungskultur nicht wegzudenken war: Übervater der Aktivdienstgeneration, Symbolfigur für Wehrhaftigkeit, Widerstand und Reduit.
Ein Dankesbrief für Anneli, Ruthli und Hansli
vs. Im Frühsommer 1945 – wenige Wochen bevor General Henri Guisan am 20. August angesichts des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa von seinem Amt zurücktrat – machte er auf der Durchreise Halt im Bad Bubendorf. Die Familie Tschudin, die dort einen Bauernhof bewirtschaftete, war Teil des Empfangskomitees. Besonders in Erinnerung geblieben sind Guisan die «wunderschönen Blumen», welche ihm die Kinder Anneli, Ruthli und Hansli überreicht hatten, wie sein Dankesbrief an die drei zeigt. Als Beilage hinterliess der General ein von ihm signiertes Foto. Die Familie Tschudin zog wenige Jahre später auf den Hof Untere Allersegg in Gelterkinden, wo ein Teil der Familie noch heute lebt.