Abwasserfänger im Untergrund
22.07.2025 Gelterkinden, BöcktenDie Baustelle bei der Landi ist Teil eines Grossprojekts
Unter einem Firmengebäude in Böckten hat der Kanton zwei riesige Mischwasserbecken bauen lassen. Diese sollen bei Regen Abwasser zurückhalten und so dafür sorgen, dass die Ergolz nebenan sauber bleibt.
...Die Baustelle bei der Landi ist Teil eines Grossprojekts
Unter einem Firmengebäude in Böckten hat der Kanton zwei riesige Mischwasserbecken bauen lassen. Diese sollen bei Regen Abwasser zurückhalten und so dafür sorgen, dass die Ergolz nebenan sauber bleibt.
Janis Erne
Wer derzeit von Gelterkinden nach Sissach fährt, muss sich mit dem Auto durch eine Engstelle bei der Landi schlängeln – diese reicht auf der Gegenfahrbahn sogar über das gesperrte Trottoir. Ein Verkehrsdienst steht bereit und greift bei kritischen Situationen ein. Grund für die Einschränkungen sind Bauarbeiten des Kantons entlang der Hauptstrasse, die bereits seit zwei Monaten andauern und sich bis in den Herbst hinziehen dürften. Denn hinter der Baustelle steckt weit mehr, als der erste Blick vermuten lässt: Sie ist Teil eines grossen Projekts.
Nur wenige Meter weiter, auf dem Gelände der Maschinenbaufirma Messag in Böckten, verbergen sich unter einem neuen Produktionsgebäude zwei riesige Betonräume. Einer fasst rund 1450 Kubikmeter, der andere ungefähr 550. In circa acht Metern Tiefe befinden sich diese wuchtigen Bauwerke, die an unterirdische Bunker erinnern. Ihr Zweck ist jedoch ein anderer: Bei Regen sollen sie den ersten Schmutzstoss aus den Trockenablagerungen in der Kanalisation zwischenspeichern, damit dieser in Zukunft nicht mehr ungeklärt in die Ergolz fliesst, wenn die Kanalisation überlastet ist.
«Bei Regen sind die ersten zehn Minuten entscheidend», erklärt Marco Müller, Projektleiter beim kantonalen Amt für Industrielle Betriebe. In dieser kurzen Zeit könne bis zu hundertmal mehr Wasser in die Kanalisation gelangen als üblich. «Das kann dazu führen, dass Kanäle überlaufen und ungereinigtes Abwasser in Bäche und Flüsse gelangt – mit negativen Folgen für die Umwelt und Tierwelt», so Müller. Besonders problematisch seien starke Regenfälle nach Trockenperioden. Dann lösen sich die Ablagerungen in der Kanalisation und gelangen zusammen mit Haushaltsabwässern in die Gewässer.
Genau das sollen die beiden unterirdischen Mischwasserbecken verhindern. Sie fangen das verschmutzte Wasser auf, halten es zurück und leiten es mithilfe von Pumpen kontrolliert in die Kanalisation, sobald der Regen nachlässt. Von dort aus wird es zur Abwasserreinigungsanlage (ARA) in Sissach weitergeleitet. Auch bei Wartungsarbeiten an der Kanalisation können die Becken als Zwischenspeicher genutzt werden.
Komplexes Unterfangen
Doch was hat das mit der Baustelle bei der Landi zu tun? Der Kanton lässt dort die unter der Hauptstrasse verlaufenden Kanalisationen an die neuen Mischwasserbecken anschliessen. Dafür muss die Strasse unterquert werden – und das bei engen Platzverhältnissen sowie laufendem Verkehr. An Spitzentagen rollen bis zu 20 000 Fahrzeuge vorbei. Hinzu kommt ein dichtes Netz an Infrastruktur, das nicht beschädigt werden darf: Dazu gehören Abwasserkanäle, Swisscom-Leitungen und Stromkabel der EBL.
In einer früheren Bauphase kam das sogenannte «Microtunneling» zum Einsatz – ein Verfahren, bei dem unterirdisch gebohrt wird, ohne den Boden auzufreissen. «Aktuell ist dies nicht möglich, weshalb es zu Grabungen und leichten Verkehrseinschränkungen kommt», sagt Projektleiter Marco Müller beim Besuch der Baustelle vor dem Landi-Parkplatz.
Vor knapp vier Jahren hatte der Landrat 7,2 Millionen Franken für das Projekt bewilligt. Dieses umfasst mehr als die beiden Mischwasserbecken und deren Anschlüsse: Das Amt für Industrielle Betriebe saniert in der Umgebung auch bestehende Schächte und Kanäle und baut zusätzliche Rückhalteeinrichtungen mit Rechen, die grobe Rückstände wie Plastik aus dem Abwasser sieben. Der Perimeter reicht von der Hauptstrasse bei der Landi über das Gelterkinder Zelgwasserquartier bis zum Firmengelände der Messag.
Das Herzstück der Arbeiten sind aber die beiden Mischwasserbecken, die ein Einzugsgebiet abdecken, das die Gemeinden Rickenbach, Gelterkinden und Ormalingen umfasst. Die Becken sind Teil einer ganzheitlichen Strategie für das Einzugsgebiet der ARA Ergolz 1 in Sissach. Von 13 im Jahr 2006 beschlossenen Massnahmen sind 10 umgesetzt. Noch ausstehend sind Arbeiten in Tecknau und Diepflingen.
Die Böckter Mischwasserbecken samt Leitungen, Lüftungen und Betriebsgebäude sind weitgehend fertiggestellt. Die Technik ist auf dem neuesten Stand: Die Anlagen funktionieren grösstenteils automatisiert und lassen sich bei Bedarf per Video von der Amtsleitung in Birsfelden überwachen. Die Inbetriebnahme der beiden Becken ist für Mitte Oktober geplant. Bereits einen Monat vorher soll die Baustelle bei der Landi verschwunden sein und der Verkehr wieder ungehindert rollen.
Blick in den Kanton je. Das Amt für Industrielle Betriebe betreibt im ganzen Kanton derzeit 28 Mischwasserbecken, 12 weitere sind geplant oder wie in Böckten bereits in Bau. Als nächstes werden neue Mischwasserbecken in Grellingen und Aesch gebaut. Insgesamt unterstützen mehr als 500 Bauwerke das kantonale Kanalisationsnetz. Diese Entlastungen sind bei Regenfällen nötig, da sich dann Schmutzwasser aus Haushalten und Industrie mit Regenwasser vermischt. Kläranlagen und Kanäle sind nicht für die Behandlung solch grosser Abwassermengen ausgelegt. Ohne Mischwasserbecken würde das Abwasser unbehandelt in die Gewässer gelangen.