HERZBLUT
02.12.2025 PersönlichMein Winter, mein Wasser, mein Problem
Es ist Dezember. Die Strassen glänzen vom gefrorenen Regen, der Wind zieht durch jede Jackenöffnung, und mein Körper sehnt sich nach nichts anderem als Wärme. Doch eigentlich mehr als Wärme: heisses Wasser, ...
Mein Winter, mein Wasser, mein Problem
Es ist Dezember. Die Strassen glänzen vom gefrorenen Regen, der Wind zieht durch jede Jackenöffnung, und mein Körper sehnt sich nach nichts anderem als Wärme. Doch eigentlich mehr als Wärme: heisses Wasser, das um mich herumfliesst, das den Alltag wegspült, die Kälte, den Stress, den Kalender voller unerledigter Aufgaben. Ein Traum – mein persönlicher Wintertraum.
Doch genau hier beginnt mein Dilemma: Ich liebe warmes Wasser – aber ich habe keine Badewanne. Keine stille Wanne, in der ich versinken, dösen und so tun könnte, als wäre ich irgendwo zwischen Island und den Tropen gestrandet. Stattdessen habe ich eine Dusche, die zuverlässig und heiss ist, aber die eben keine Wanne ist. Eine Dusche umarmt einen nicht. Eine Dusche trägt einen nicht. Sie ist die pragmatische, vernünftige Schwester des Bads – und manchmal möchte ich etwas weniger Vernunft.
Logisch wäre also der Gang ins Thermalbad. Dort gibt es warmes Wasser, sogar sehr viel davon. Aber da vertieft sich mein Dilemma: Ich mag Thermalbäder nicht. Schon beim Gedanken daran sehe ich Haare im Wasser treiben und herumliegende Pflaster, die ein Eigenleben zu führen scheinen. Und ich höre das leise Planschen fremder Menschen, die mir körperlich näher kommen, als jede Winterjacke es jemals dürfte.
Und dann wäre da die Sauna. Alle sagen: «Du musst einfach mal richtig saunieren, dann wirst du es lieben!» Aber ich will gar nicht. Ich möchte nicht in einem überhitzten Holzkasten sitzen, in dem Menschen nackt sind – Menschen, die ich nicht kenne und auch nie kennenlernen möchte, die komplett entspannt sind, während ich gedanklich bereits die Flucht ergreife. Ich mag warmes Wasser, ja. Aber ich mag nicht schwitzen. Und ich mag keine fremde Nacktheit. Meine eigene übrigens auch nicht besonders, aber immerhin kenne ich sie.
Manchmal überlege ich, ob ich mir einen dieser aufblasbaren Whirlpools kaufen soll, die man draussen aufstellen kann. Doch ich sehe mich schon im Januar bei Minusgraden mit einer Luftpumpe auf meinem kleinen Balkon an der Hauptstrasse stehen und frage mich, ob das wirklich der Weg zur Erleuchtung ist. Wahrscheinlich nicht.
Also bleibe ich im Winter zwischen zwei Welten gefangen: Die eine verheisst Wärme, aber sie kommt mit Haaren, Hitze, Nähe und Nacktheit. Die andere ist kalt und dunkel und verlangt nach einer Badewanne, die ich schlicht nicht habe. Ich stelle mich also weiterhin unter meine Dusche, drehe die Temperatur hoch und tue so, als wäre ich in einer privaten Miniaturversion eines Spas. Es funktioniert – mit sehr viel Fantasie. Es ist mehr Simulation als Erlebnis. Aber immerhin gehört das Wasser mir allein.
Luana Güntert, Sportredaktorin «Volksstimme»

