EU-Verträge
04.12.2025 BRIEFEGeheimniskrämerei um Daueraufenthaltsrecht
Das Thema «Daueraufenthaltsrecht» im Zusammenhang mit den «Bilateralen III» hatte ich nicht auf dem Radar, bis ich in einer grossen Tageszeitung über einen Artikel mit der Überschrift ...
Geheimniskrämerei um Daueraufenthaltsrecht
Das Thema «Daueraufenthaltsrecht» im Zusammenhang mit den «Bilateralen III» hatte ich nicht auf dem Radar, bis ich in einer grossen Tageszeitung über einen Artikel mit der Überschrift «Hunderttausende, die für immer bleiben dürfen: Was die EU-Verträge konkret bedeuten» stolperte.
Fünf Jahre nach der Übernahme der neuen Personenfreizügigkeitsregeln wären auf einen Schlag 690 000 EU-Bürgerinnen und -Bürger aufgrund der sogenannten «Unionsbürgerrichtlinie» (UBRL) berechtigt, ein Daueraufenthaltsrecht in der Schweiz zu beantragen; jährlich könnten 70 000 Personen dazukommen. Personen mit einem Daueraufenthaltsrecht könnten – ausser wenn sie zum Beispiel die öffentliche Sicherheit massiv gefährden – nicht mehr weggewiesen werden, wenn sie arbeitslos sind oder Sozialhilfe beziehen.
Interessant ist, wie die Parteien in ihren Vernehmlassungen zu den «Bilateralen III» das Daueraufenthaltsrecht bewertet haben: Die SP oder die Grünliberalen behaupten, dass das Daueraufenthaltsrecht nur für Erwerbstätige gelte oder nur für Personen, die gut in den Arbeitsmarkt integriert seien; die FDP will sich für eine «arbeitsmarktorientierte Migration» einsetzen und die «Einwanderung in die Sozialsysteme bekämpfen». Und der Bundesrat schreibt in einem Faktenblatt vom 15. Dezember 2023: «Das in der UBRL vorgesehene Daueraufenthaltsrecht, welches EU-Staatsangehörigen nach fünfjährigem Aufenthalt zusteht, soll nur Erwerbstätigen offenstehen.»
Was aber hiesse «erwerbstätig» nach der Übernahme der «Bilateralen III»? Im entsprechenden Vertragsteil zur Änderung der Personenfreizügigkeit kann man – mit viel Mühe – die Antwort finden: «Erwerbstätig» wäre unter anderem, wer mindestens einer Teilzeitarbeit nachgeht, wer wegen Krankheit oder Unfall «vorübergehend» arbeitsunfähig ist, wer eine Berufsausbildung absolviert oder wer sich bei Arbeitslosigkeit «dem Arbeitsamt zur Verfügung stellt» – was das auch immer heissen mag. Die Beurteilung, ob dies mit einer «arbeitsmarktorientierten Migration» oder mit einer «guten Integration in den Arbeitsmarkt» identisch ist, überlasse ich den Leserinnen und Lesern.
Mich macht nur stutzig, dass die meisten politischen Parteien und auch der Bundesrat die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hinsichtlich der Definition, was «erwerbstätig» in Zukunft bedeuten würde, komplett im Unklaren lassen, denn bis jetzt betrachtete niemand in der Schweiz Arbeitslose als «erwerbstätig». Dabei wäre es doch schön, wenn in Zukunft Personen ohne Arbeit als «Erwerbstätige» gelten würden und sie nicht mehr mit dem Makel der «Arbeitslosigkeit» behaftet wären. Weshalb also die Geheimniskrämerei des Bundesrats und der meisten Parteien?
Ganz transparent und in dieser Hinsicht vorbildlich ist die grüne Partei: Sie hält sich nicht mit unklaren Begriffen wie «gute Integration in den Arbeitsmarkt» auf, sondern sagt in ihrer Stellungnahme klipp und klar, dass sie die UBRL inklusive Daueraufenthaltsrecht ohne Wenn und Aber übernehmen will.
Werner Zumbrunn, Muttenz
