HERZBLUT
20.05.2025 Persönlich«Zero points»
Vergangenes Wochenende hat sich in Sissach alles um die «Mega» gedreht. Fast ging dabei unter, dass in Basel mit dem Eurovision Song Contest (ESC) ein anderer Mega-Event stattfand. Ich entschloss mich, die Stimmung in der Stadt an einem ...
«Zero points»
Vergangenes Wochenende hat sich in Sissach alles um die «Mega» gedreht. Fast ging dabei unter, dass in Basel mit dem Eurovision Song Contest (ESC) ein anderer Mega-Event stattfand. Ich entschloss mich, die Stimmung in der Stadt an einem x-beliebigen Public-Viewing aufzusaugen, obwohl ich die dargebotene Musik wohl mit den berühmten Worten von Chris von Rohr kommentieren würde: «Meh Dräck.» Doch Grossanlässe umgibt oft eine Aura, der sich auch Uninteressierte nicht entziehen können.
Auf dem Weg in die Stadt mustere ich alles, was nach ESC aussieht. Erinnerungen an die Fussball-EM 2008 werden wach, als die Oranje-Fans aus den Niederlanden Basel in ein Festivalgelände verwandelten. Erstaunt stelle ich fest, dass die Stadt jetzt, abseits der Veranstaltungsorte, eher der Filmkulisse einer Zombie-Apokalypse gleicht. Auf der Wiese beim Kasernen-Areal angekommen, spüre ich erstmals Festivalstimmung – wenn auch erstaunlich gesittet: kein Abfall weit und breit. Mit Glitzer bestrichene Gesichter blicken auf die Bildschirme.
Punkt 21 Uhr: Showbeginn. Der Übergang vom Vorspann zum Auftritt von Nemo ist hollywoodreif. Kaum steht der erste Act auf der Bühne, kreuzt der Anti-Israel Demonstrationszug bei der Kaserne auf. Wir entscheiden, uns in Richtung Innenstadt zu verschieben und laufen zum Barfüsserplatz.
Dort ist ohne Live-Übertragung der Show nichts los; weiter zur Grossleinwand bei der Elisabethenkirche. Es herrscht Partystimmung. Zwar haben wir schon einige Auftritte verpasst, was aber halb so schlimm ist, da ich mir schon – gelangweilt und fasziniert zugleich – die Halbfinalshows zu Gemüte geführt habe. Wir setzen uns unweit der Menschentraube an einen Bar-Tisch und lauschen der jubelnden Menge. Ich lasse mich von Zoë Mës «Voyage» ein wenig mitreissen – obwohl Patriotismus beim ESC trotz der Kostüme in den Landesfarben weit weniger fanatisch daherkommt als beim Fussball. Trotz der schlechten Wettquoten für die Schweizer Vertretung liegt ein Hauch von Sensation in der Luft. Schafft es die gebürtige Baslerin den ESC-Titel in Basel zu verteidigen?
Es wäre historisch. In mir beginnt es zu kribbeln. Nach der Jury-Wertung: die Schweiz auf Platz 2. Alle sind gespannt wie Willhelm Tells Armbrust. Dann kommt die Ohrfeige: «Zero points for Switzerland!» Ein Raunen geht durchs Public-Viewing. Doch kein Sommermärchen für Basel. Österreich gewinnt, Jubel bricht aus. Israel wird nur Zweiter. «Glück gehabt», denken sich wohl einige, die schon sahen, wie die politische Kontroverse um Israel die makellose Host-Stadt überschatten würde. Der Song aus Österreich erinnert stark an den von Nemo aus dem vergangenen Jahr. Hat da jemand den «Code» erneut geknackt? Ich zumindest nicht und google schon mal mit Sascha Ruefer im Ohr, wann die nächste Fussball-WM stattfindet: «Shaqiri, Shaqiri, Toooooor!»
Nikolaos Schär, Redaktor «Volksstimme»