Der Kaffee, den ich nie wollte

Um gewisse Sachen kümmert sich niemand gerne, aber es muss halt sein: die Steuererklärung ausfüllen, zu medizinischen Vorsorgeuntersuchungen gehen oder sich um seine finanzielle Zukunft kümmern. Letzteres musste ich vor Kurzem endlich tun, weil ich das Abschliessen eines 3.-Säule-Vertrags jahrelang vor mich hergeschoben habe.

Ich hatte also einen Termin für ein Beratungsgespräch bei meiner Bank. In der Schalterhalle wurde ich von einem freundlichen Lernenden – er war höchstens 16 Jahre alt – begrüsst, von wo aus er mich zwei Stockwerke die Treppe hoch zu meinem Kundenberater führte. «Darf ich Ihnen noch einen Kaffee anbieten?», fragte der junge Mann, als wir im oberen Büro angekommen waren. «Oh, sehr gerne», antwortete ich ihm. Wenn man beim Thema Finanzen etwas braucht, dann ist es schliesslich Kaffee.

Zehn Minuten später, mein Kopf brummte bereits von den vielen Erklärungen des Bankangestellten, klopfte es an der Tür und der Lernende kam mit einer Tasse Kaffee herein. «Hier bitteschön», sagte er und stellte die Tasse rechts von mir auf den Schreibtisch. Was ich schon aus dem Augenwinkel erkannte, bestätigte sich dann auch beim genaueren Hinsehen: Der Kaffee war schwarz. Und auf dem Unterteller lag weder ein Zucker noch ein Kaffeerähmchen. Als Kaffeetrinkerin mit dem «Milch- und Zucker-Syndrom» widerstand mir diese dunkle Brühe bereits mit ihrem etwas zu intensiven Geruch.

Aber was tat ich? Ich bedankte mich und traute mich natürlich nicht, nach Milch und Zucker zu fragen. Weil der arme Lehrling dann wahrscheinlich nochmals hätte zwei Stockwerke hoch- und runtergehen müssen – wegen mir. Ich wollte keine Umstände machen und nicht als komplizierte, anspruchsvolle Kundin mit Extrawünschen wahrgenommen werden.

So sass ich also da, eine Stunde lang, mit einem Kaffee, den ich nie wollte, und einer Kundenberatung, die ich dringend erledigen musste. Der Bankangestellte sprach weiter, warf mit Wörtern wie Vorzugszins, Fonds oder Maximalbetrag um sich, und ich nickte gelegentlich, als würde ich verstehen, was er sagte. In Wirklichkeit war mein Kopf jedoch beim Kaffee. Warum musste er ausgerechnet jetzt so schwarz sein? Es fühlte sich an, als ob ich von dieser kleinen Tasse ausgebremst wurde, als ob er mich daran hinderte, wirklich zuzuhören und mein Leben fi nanziell zu regeln.

Schliesslich, nach einer gefühlten Ewigkeit, war das Gespräch zu Ende. Wir vereinbarten, dass ich mir die Unterlagen für einen möglichen Vertrag nach Hause nehmen werde, mir die Sache durch den Kopf gehen lassen werde und mich dann wieder mit dem Bankangestellten in Verbindung setzen werde.

Dass ich mir das Thema zu Hause nochmals mit Hilfe von Google und Hilfe meines Vaters zu Gemüte führen muss, weil ich nach dem Gespräch genauso schlau wie vorher war, erwähnte ich gegenüber dem Kundenberater natürlich nicht. Ich wollte ihm schliesslich kein schlechtes Gefühl geben.

Luana Güntert, Sportredaktorin «Volksstimme»

HERZBLUT

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