CARTE BLANCHE
23.07.2024 BaselbietMeine Lieblingsband und die Abstimmung
Sandra Strüby, Landrätin SP, Buckten
Vergangenen Sommer kam ich das erste Mal in den Genuss eines Live-Konzerts der grandiosen Berner Mundartband Troubas Kater. Die mitreissenden und ...
Meine Lieblingsband und die Abstimmung
Sandra Strüby, Landrätin SP, Buckten
Vergangenen Sommer kam ich das erste Mal in den Genuss eines Live-Konzerts der grandiosen Berner Mundartband Troubas Kater. Die mitreissenden und leichtfüssigen Klänge mit den vielseitigen Texten animieren mich zum lauthals Mitsingen und zum Tanzen. Mitsingen ist zwar zum Teil etwas schwierig, weil alles recht schnell geht. Eine der Textpassagen des Songs «Aus egau» (= Alles egal) heisst in bestem Berndeutsch: «Me cha sis Läbe scho verbringe mit sech sorge um morn und aui Sorge versorge imne Vorsorge-Fonds, au dis Gäut, wo de hesch, wo der morn de mau nützt – für mi ok, aber was mache mer hüt?»
Ja, was machen wir heute? Was machen wir am 22. September bei der Abstimmung zur BVG-Reform? Schliesslich geht es da um unser Pensionskassen-Geld, das uns morgen einmal etwas nützen sollte.
Als der Parlamentsbeschluss vorlag, dachte ich zuerst, der grosse Gewinn liege in einer tieferen Eintrittsschwelle und der Änderung des Koordinationsabzugs. Diese führen dazu, dass Personen mit kleinen Einkommen vermehrt zu einer BVG-Versicherung und später einer PK-Rente kommen. Oft haben Frauen durch Teilzeitarbeit tiefere Einkommen. Prinzipiell wäre diese Senkung begrüssenswert, wäre da nicht ein grosser Haken: Bei bereits tiefen
Einkommen fehlt heute am Ende des Monats der Betrag, der einbezahlt werden muss. Ausserdem wird dieser einbezahlte Betrag beim Erreichen des Pensionsalters bei den Ergänzungsleistungen gekürzt, falls solche beansprucht werden.
Das ist weder sozial noch effektiv. Es bedeutet aber, dass bei Annahme der Reform den Tieflöhnerinnen und Tieflöhnern jeden Monat weniger Geld zur Verfügung steht – ohne späteren Gegenwert.
Das wichtigste Argument der Befürworterinnen und Befürworter ist die Sicherung der Renten durch Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes von heute 6,8 auf 6 Prozent, vor allem aufgrund der steigenden Lebenserwartung. Dieser Beschluss, der für den obligatorischen Teil der einbezahlten Rente gilt, hätte eine Rentenkürzung von 12 Prozent zur Folge. Um das Ganze abzufedern und im Wissen, dass eine solche Leistungskürzung kein Volksmehr findet, hat das Parlament für die ersten 15 Jahrgänge nach Inkraftsetzung der Reform abgestufte Rentenzuschläge definiert.
Einen solchen Zuschlag erhalten jedoch nicht alle Versicherten. Wer bei Pensionierung ein Altersguthaben von weniger als 441 000 Franken hat, der oder die erhält den Zuschlag. Gemäss Schätzungen des Bundesamts für Sozialversicherung wird ein Viertel der Übergangsgeneration den vollen Rentenzuschlag erhalten, ein weiterer Viertel einen reduzierten. Die Hälfte der Versicherten geht leer aus. Und wer bei Inkraftsetzung noch nicht 50-jährig ist, bekommt so oder so keinen Zuschlag mehr.
Natürlich müssen die Renten für zukünftige Generationen gesichert werden. Aber die Vorlage hat zu viele Mängel und muss deshalb zurück an den Absender geschickt werden. Anders als der Titel von «Troubas Kater» «Aus egau» ist mir die Abstimmung also ganz und gar nicht egal – und ich empfehle Ihnen, am 22. September ein Nein in die Urne zu legen.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.