Wir ziehen den Polizeihut
Gerade in den Minuten, in denen sich «Tagesschau»-Sprecher Florian Inhauser am Sonntag ohne nennenswerten Kalauer nach der Hauptausgabe verabschiedet, platzt auf allen Kanälen die Meldung vom Verzicht des US-Präsidenten Joe ...
Wir ziehen den Polizeihut
Gerade in den Minuten, in denen sich «Tagesschau»-Sprecher Florian Inhauser am Sonntag ohne nennenswerten Kalauer nach der Hauptausgabe verabschiedet, platzt auf allen Kanälen die Meldung vom Verzicht des US-Präsidenten Joe Biden auf eine erneute Kandidatur herein. Wie schaffen es die beiden regionalen Tageszeitungen, diese Botschaft noch angemessen ins Blatt zu rücken, zumal an Sonntagen auch auf Redaktionen die Motoren etwas gedrosselt laufen?
Sehr überzeugend! In der kurzen Zeit bis zum Redaktionsschluss produzieren die beiden Zeitungen der Medienhäuser in Aarau und Zürich je zwei Sonderseiten. Das bedeutet: Andere Seiten müssen rausgekippt werden. Doch das ist noch das kleinste Problem. Auslandkorrespondenten werden alarmiert, Inhalte koordiniert, ein Chefredaktor (der vielleicht gerade mit seiner Familie die letzten Stunden des Wochenendes geniesst) verfasst einen gescheiten Kommentar. Die Titelseiten werden komplett umgestaltet. Und dann müssen auf die Schnelle noch eine Reihe aussagekräftiger Bilder her.
Natürlich rutschen beim Redigieren der eine oder andere Tippfehler und sprachliche Holprigkeit durch, und es lässt sich kaum vermeiden, dass zum Beispiel Trumps Statement in zwei Artikeln auf der gleichen Seite abgehandelt wird. Aber da übt sich selbst ein Sprachpolizist in Nachsicht.
Das Ergebnis dieser Nachtübung liegt am Montag in aller Frühe neben unserer Kaffeetasse. Dann dürften alle, die ihren Teil zu dieser journalistischen Höchstleistung beigetragen haben, nach einer garantiert unruhigen Nacht noch in den Federn liegen. Währenddessen zerbrechen sich ihre Kolleginnen und Kollegen längst den Kopf darüber, mit welchen weiteren Aspekten sie das Thema am Dienstag fortsetzen werden.
Jürg Gohl