HERZBLUT
11.06.2024 GesellschaftEndlich wieder eine richtige EM!
Schon drei Jahre ist es her. Doch die Erinnerungen sind so präsent, als wäre es gestern gewesen. Noch immer kann ich Sascha Ruefers emotionale Ausrufe wie «Gavranovic, 3 zu 3! Ich flipp aus!» oder «Sommer ...
Endlich wieder eine richtige EM!
Schon drei Jahre ist es her. Doch die Erinnerungen sind so präsent, als wäre es gestern gewesen. Noch immer kann ich Sascha Ruefers emotionale Ausrufe wie «Gavranovic, 3 zu 3! Ich flipp aus!» oder «Sommer hält, Sommer hält, Sommer hält!» eins zu eins nachschreien. Während der Fussball-EM 2021 befand ich mich inmitten der Prüfungsphase an der Fachhochschule und habe jenes wichtige Achtelfinalspiel gegen Frankreich von zu Hause aus verfolgt, um am nächsten Tag bloss nicht übermüdet zu sein. Dass mich meine aufgewühlte Stimmung, das Adrenalin und erst recht das Gehupe die ganze Nacht wachhalten würden, konnte ich ja nicht ahnen. Ob die «Nati» auch dieses Jahr an der EM in Deutschland eine so spannende Aufholjagd hinlegen und sich so für den Viertelfinal qualifizieren wird?
Eine Euphorie wie an der vergangenen Europameisterschaft und auch an den Turnieren in den Jahren zuvor spüre ich aktuell nicht. Vor ein paar Jahren sah man schon im Vorfeld einer EM oder WM Autos mit auf dem Dach montierten Fähnchen herumfahren oder mit Fahnen geschmückte Balkone. Auch in den Supermärkten lachen einen heuer beim Eingang keine Fanartikel an. Warum das so ist? Ich weiss es nicht.
Was ich aber weiss, ist, dass mit der Schweizer «Nati» definitiv zu rechnen ist. Auch wenn die Qualifikationsspiele besser hätten laufen können, bin ich von der Qualität des Kaders überzeugt. So hat zum Beispiel Captain Granit Xhaka mit Leverkusen soeben die deutsche Meisterschaft und den Cup gewonnen, Yann Sommer mit Inter Mailand die «Serie A», und Gregor Kobel schaffte es mit Borussia Dortmund bis in den Champions-League-Final.
Als Schweizerin, die direkt an der deutschen Grenze aufgewachsen ist, interessiert mich natürlich nicht nur die «Nati». Nachdem die deutsche «Elf» an der vergangenen WM bereits nach der Vorrunde ihre Koffer packen musste, bin ich gespannt, ob sie an der diesjährigen Heim-EM etwas reissen kann.
Das erste Spiel der Deutschen und somit das Eröffnungsspiel werde ich am Freitag mit einer deutschen Freundin in einem Public-Viewing in Bad Säckingen verfolgen – das haben wir schon lange geplant. Doch unsere eigentlich Idee, «die erste richtige EM seit Jahren» in diesem grossen Public Viewing einzuläuten, fällt wortwörtlich ins Wasser.
Denn nach der EM 2021, die wir zu Hause oder draussen mit Schutzmasken verfolgt haben, und der WM 2022 in Katar, die mit Glühwein, Raclette und gemischten Gefühlen geschaut wurde, folgt nun eine neue Premiere: EM in Gummistiefeln und Pelerine. Dennoch bin ich überzeugt, dass sich der Schlosspark in Bad Säckingen nicht nur in ein Schlamm-Fest entwickeln wird. Nach den Jahren ohne «richtige» EM oder WM bin ich sicher, dass sich Fussballfans von schlechtem Wetter nicht die Laune verderben lassen werden. Erst recht nicht einen Tag später, wenn wir «unsere» Nati zu sehen kriegen – am besten in einem Public-Viewing im Oberbaselbiet.
Luana Güntert, Sportredaktorin «Volksstimme»