CARTE BLANCHE
28.05.2024 GesellschaftBilder im Kopf
Sabine Bucher, Landrätin GLP, Sissach
Wer hat beim Lesen dieses Titels sofort an ein Lied oder eine Melodie gedacht? Mir passiert das ab und zu, wenn eine Phrase an einen Liedtitel oder eine bekannte Liedpassage erinnert ...
Bilder im Kopf
Sabine Bucher, Landrätin GLP, Sissach
Wer hat beim Lesen dieses Titels sofort an ein Lied oder eine Melodie gedacht? Mir passiert das ab und zu, wenn eine Phrase an einen Liedtitel oder eine bekannte Liedpassage erinnert – egal, ob mir der jeweilige Song gefällt oder nicht. Viel öfter passiert mir das jedoch mit Bildern: Wenn jemand eine bildhafte Sprache benutzt oder ein Ausdruck ein bestimmtes Bild hervorruft, erscheint es vor meinem inneren Auge. Einerseits ist das hilfreich. Es erleichtert mir das Lernen, weil ich mir solche Bilder besser merken kann. Andererseits lenkt es manchmal auch ab, besonders wenn das Bild nicht wirklich in den Kontext passt. Im direkten Gespräch weise ich mein Gegenüber je nachdem auch einmal darauf hin, wie seine oder ihre Aussagen in meinem Kopf ankommen.
Im Landrat ist das nicht so einfach. Und dort wird bekanntlich viel gesprochen; muss ja so sein in einem «Parla»- ment. Ich höre gerne zu. Vor allem, wenn sich jemand sachlich und differenziert äussert oder neue Überlegungen einbringt, an die ich noch nicht gedacht habe. Natürlich gefällt es mir ausserdem, wenn mir jemand aus dem Herzen spricht. Aber es gibt auch Personen, denen ich einfach gerne zuhöre, weil sie sich wunderbar ausdrücken können. Meist tun sie das mit einer recht bildlichen Sprache. Sie ahnen es, werte Leserschaft: Für mich ist das dann so etwa wie Kino. Wie gesagt, manchmal passen dann die Bilder nicht mehr ganz in den Kontext. Dann wird es etwas absurd. Aber meist sind es genau diese bildhaften Aussagen, die am besten hängen bleiben.
Unsere Sitzungen konnten bisher nur per Audio-Stream verfolgt werden, was die bildhafte Sprache besonders wirkungsvoll machte. Ab Mitte Juni wird der Landrat jedoch wieder im Regierungsgebäude tagen. Mit der neuen Technik, die bei der Sanierung im Landratssaal eingebaut wurde, werden die Reden und Voten dort künftig auf Video aufgezeichnet. Ich bin gespannt, ob sich dadurch etwas am Verhalten meiner Landratskolleginnen und -kollegen ändern wird.
Und wie wird sich das auf die Zuhörenden, die neu zu Zuschauenden werden, auswirken? Es ist davon auszugehen, dass es attraktiver wird, eine Sitzung mitzuverfolgen. Bei mir ist es aber so, dass bei einem Film viel seltener eigene Bilder im Kopf entstehen. Wie ist das bei Ihnen?
Zum Schluss noch ein paar Beispiele von Aussagen, die bei mir typischerweise Bilder auslösen: Wörter wie «Sackgasse», «grasgrün», Vergleiche mit Tieren wie «fleissige Bienen» – ich sehe diese Bienen, Sie auch? Eine «Schweinerei» finde ich gar nicht so schlimm, weil ich zwar Schweine im Schlamm sehe, die aber einen glücklichen Eindruck machen. Etwas absurd wird es beim «springenden Punkt». Der lenkt mich einen Augenblick so ab, dass ich aufpassen muss, den Inhalt dazu nicht zu verpassen. Ausserdem kann ich mir dann ein Lächeln jeweils kaum verkneifen. Mittlerweile tauchen sogar Emojis vor meinem inneren Auge auf, etwa bei «überlegen», «lecker» oder «zum Kotzen», wobei beim letztgenannten das Emoji angenehmer ist als mein früheres Bild.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.