CARTE BLANCHE
11.04.2024 Politik, GesundheitGesundheit muss für alle bezahlbar bleiben
Maya Graf, Ständerätin Grüne, Sissach
Im Juni stimmen wir über die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP ab, die vorsieht, dass Versicherte maximal 10 Prozent ihres ...
Gesundheit muss für alle bezahlbar bleiben
Maya Graf, Ständerätin Grüne, Sissach
Im Juni stimmen wir über die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP ab, die vorsieht, dass Versicherte maximal 10 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für die obligatorische Krankenversicherung aufwenden müssen. Die Krankenkassenprämien haben sich in den vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt. Sie sind stärker gestiegen als Löhne, Renten oder Prämienverbilligungen. Besonders für Mittelstand und Familien sind die stark steigenden Krankenkassenprämien eine finanzielle Belastung geworden. Sie machen für eine vierköpfige Familie bald 1500 bis 2000 Franken monatlich aus. Die Kaufkraft nimmt ab und die Überschuldung zu: Jährlich treiben die Versicherer bei rund 400 000 Menschen ausstehende Zahlungen ein. Die Prognosen für das Jahr 2025 sind düster: Für unseren Kanton wird erneut ein Prämienanstieg von mindestens 5,6 Prozent erwartet. Der Handlungsbedarf ist gross.
Es braucht daher kurzfristig mehr Prämienverbilligungen, wie es die «Prämien-Entlastungs-Initiative» vorschlägt, aber dann rasch einen Systemwechsel weg von den unsozialen Kopfprämien hin zu einkommensabhängigen Krankenkassenprämien, wie ich es in meiner Motion im Ständerat verlangte: Sie wurde leider in der Wintersession abgelehnt. Zudem sollten wir endlich unsere obligatorische Kranken- und Pflegegrundversicherung in eine Suva-ähnliche Einrichtung zusammenfassen. Es braucht keine 60 Krankenkassen, die dasselbe anbieten, hohe Administrationskosten und Managerlöhne generieren und sich gegenseitig die guten Risiken abjagen. Zusätzlich, und da bin ich mit dem Grundanliegen der «Kostenbremse-Initiative» der «Mitte» Schweiz, die auch zur Abstimmung kommt, einig. Es braucht mehr Kosteneffizienz. Wir arbeiten derzeit im Parlament daran. Die Qualitätsund Kostenziele, wie sie die Initiative will, sind bereits beschlossen. Ich bin überzeugt, dass bei den Medikamentenpreisen, mit der Förderung integrierter Versorgungsnetzwerke vor Ort und endlich dem elektronischen Patientendossier Einsparungen im Gesundheitswesen möglich sind.
Doch zu all dem trägt diese Initiative rein gar nichts bei. Sie will nur in der Verfassung festschreiben, dass die von der Grundversicherung übernommenen Kosten nicht stärker als die Löhne steigen dürfen und sonst Bund und Kantone Massnahmen ergreifen müssen. Diese Deklaration nützt niemandem. Im Gegenteil: Da beispielsweise die Personalkosten zwei Drittel der Kosten von Spitälern ausmachen, erhöhen Vorgaben, die sich an der Gesamtwirtschaft orientieren, den Druck auf das Pflegepersonal weiter und behin- dern uns in der dringend nötigen Umsetzung der Pflegeinitiative. Für die Bevölkerung bedeutet die Initiative schlicht Leistungsabbau. Unsere Gesundheitspolitik muss sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausrichten: Unsere Gesellschaft altert und chronische und psychische Erkrankungen nehmen zu, die Kindermedizin ist stark unterfinanziert und medizinischer Fortschritt kostet. Aus diesen Gründen lehnen Parlament und Kantone die «Mitte»-Initiative ebenfalls klar ab.
Meine Empfehlung lautet daher: Ja für die «Soforthilfe» zur Entlastung der Haushalte bei den Krankenkassenprämien und Nein zur kontraproduktiven «Kostenbremse-Initiative». Gesundheit muss für alle bezahlbar und zugänglich bleiben.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.