«Hausgemacht»
In der kurzen Kaffeepause, zu der auch immer eine Zeitung gehört, schwenkt der Blick fern des Oberbaselbiets auf die stattlich besetzten Nachbartische mit auffallend vielen Kuchen knabbernden Leuten daran. Eine kleine Informationstafel vor ...
«Hausgemacht»
In der kurzen Kaffeepause, zu der auch immer eine Zeitung gehört, schwenkt der Blick fern des Oberbaselbiets auf die stattlich besetzten Nachbartische mit auffallend vielen Kuchen knabbernden Leuten daran. Eine kleine Informationstafel vor meiner Nase klärt mich auf. «Geniessen Sie unser hausgemachtes Kuchenbuffet», steht da. Ohne Ausrufezeichen, obschon ausgerechnet hier das überstrapazierteste aller Satzzeichen an dieser Stelle grammatikalisch sogar angezeigt gewesen wäre!
Wurde neben den Kuchen tatsächlich auch das Buffet im Haus hergestellt? Das drückt zumindest diese Schlagzeile aus. Der Lenker eines roten Ferraris ist schliesslich auch kein roter Ferrari-Lenker, erst recht kein Grüner, höchstens ein blauer. Wiehernde Pferdeställe sind ebenso selten wie ein diebisches Elsternnest.
Der Satz mit den Kuchen ruft mir sogleich meine Eltern in Erinnerung: Meine Mutter war eine begnadete und vielseitige Bäckerin. Im Dezember liess sie am Küchentisch knapp Platz für eine fremde Kaffeetasse, der Rest war belegt mit Backblech, Wallholz, Schüsseln, Schwingbesen und Mixer. Mit zunehmendem Alter schwanden die Gutzisorten. Dafür wurde das Fremdwort «reziprok» ersonnen.
Und der Vater? Er ärgerte sich, weil er am gleichen Tisch für die folgenden Festtage eigentlich Fasnachtsutensilien herstellen wollte. Doch nicht nur im Duden kommt Backen vor Basteln. Gleichwohl kommt der Vater hier ins Spiel, weil er zeitlebens seinen Schwiegertöchtern und -söhnen erklärte, wie er die eigenen Stubenbuffets geschreinert hat: seine selbst gemachten Buffets. Und wenn darauf Mutters Kuchen auf seinen Verzehr wartete, handelte es sich tatsächlich um ein selbst gemachtes Kuchenbuffet.
In Vollbesetzung sassen jeweils die Eltern und ihre drei Kinder am – übrigens ebenfalls selbst gemachten – Tisch. Am Kopf das fünfköpfige Familienoberhaupt.
Jürg Gohl, Autor «Volksstimme»